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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Sechstes Buch.
mehr sagt er da viel weniger. Diese mühsamen Hände sind
unbestimmter und unplastischer als jene mit Nichts gemalten.

Eine andere im Anfang dieses Jahrhunderts zu Rom für
die Gordon Galerie erworbene Copie wollte Wilkie im Ton des
Gesichts und der Hände dem Original vorziehen; wenn aber
diese Theile ausgeführter (more complete) genannt werden, so
ahnt man, dass sie in der Art der Bute'schen gemacht waren; der
Preis (£ 19 19 s.) stimmt sonderbar zu dem warmen Lob. Der
Kopf in Lansdowne House ist geringe und plumpe Fabrikwaare,
der im Palast Corsini zu Rom eine Uebersetzung in die Technik
der damaligen römischen Schule.

Einem wunderlichen und abstossenden Manieristen verdankt
das Bildniss in Chiswick House, dem Landsitz des Herzogs von
Devonshire seine Entstehung. Seine Heiligkeit thront, gehüllt
in einen weiten Purpurmantel, und erhebt die sehr grosse Hand
zum Segen. Das bleiche Gesicht mit dem gläsernen Blick ist in
die Länge gezogen. Auf bösesten rothbraunen Okergrund sind
zähe dicke Farbenklumpen geschleudert, mit denen aber keine
Wirkung und Haltung erreicht ist. Mir ist kein ähnlich ge-
maltes Bildniss aus der spanischen oder italienischen Schule er-
innerlich; der Verdacht liegt nahe, dass ein Fälscher die fun-
kelnde Pracht und geistreiche Touche des Velazquez, wie er sie
verstand, nachgeäfft habe. --

Nach diesem Erfolg an höchster Stelle wollte alles im
Palazzo von dem Spanier gemalt sein. Palomino nennt Donna
Olimpia, den Cardinal Pamfili, Monsignor Camillo Massimi, Käm-
merer S. Heiligkeit (den er mit dem Maler Massimo Stanzioni
zu verwechseln scheint, er nennt ihn insigne pintor), den Käm-
merer Abate Hippolyt, den Majordomus, den Barbier des Pabstes
Michelangelo, Ferdinand Brandano, Geronimo Bibaldo und die
Malerin Flaminia Triunfi.

Und das waren noch nicht alle, denn die, welche bloss
wohlgetroffene Skizzen geblieben waren, übergeht er. Diese
waren mit langgestielten Pinseln und in der kühnen (valiente)
Manier Tizians gemalt.

Von ihnen allen ist bis jetzt noch keins nachzuweisen ge-
wesen1).

1) Anspruch auf jenen Majordomus erhob ein grosses aus Bologna stammen-
des Stück, das bei der zweiten Versteigerung der Galerie Salamanca (Nr. 135) im
Januar 1875, als inconteste et incontestable, wie ein Experte erklärte, für 19,300 frs.
losgeschlagen wurde. In dem grossen schönen Kopf mit dem lebhaften Blick der

Sechstes Buch.
mehr sagt er da viel weniger. Diese mühsamen Hände sind
unbestimmter und unplastischer als jene mit Nichts gemalten.

Eine andere im Anfang dieses Jahrhunderts zu Rom für
die Gordon Galerie erworbene Copie wollte Wilkie im Ton des
Gesichts und der Hände dem Original vorziehen; wenn aber
diese Theile ausgeführter (more complete) genannt werden, so
ahnt man, dass sie in der Art der Bute’schen gemacht waren; der
Preis (£ 19 19 s.) stimmt sonderbar zu dem warmen Lob. Der
Kopf in Lansdowne House ist geringe und plumpe Fabrikwaare,
der im Palast Corsini zu Rom eine Uebersetzung in die Technik
der damaligen römischen Schule.

Einem wunderlichen und abstossenden Manieristen verdankt
das Bildniss in Chiswick House, dem Landsitz des Herzogs von
Devonshire seine Entstehung. Seine Heiligkeit thront, gehüllt
in einen weiten Purpurmantel, und erhebt die sehr grosse Hand
zum Segen. Das bleiche Gesicht mit dem gläsernen Blick ist in
die Länge gezogen. Auf bösesten rothbraunen Okergrund sind
zähe dicke Farbenklumpen geschleudert, mit denen aber keine
Wirkung und Haltung erreicht ist. Mir ist kein ähnlich ge-
maltes Bildniss aus der spanischen oder italienischen Schule er-
innerlich; der Verdacht liegt nahe, dass ein Fälscher die fun-
kelnde Pracht und geistreiche Touche des Velazquez, wie er sie
verstand, nachgeäfft habe. —

Nach diesem Erfolg an höchster Stelle wollte alles im
Palazzo von dem Spanier gemalt sein. Palomino nennt Donna
Olimpia, den Cardinal Pamfili, Monsignor Camillo Massimi, Käm-
merer S. Heiligkeit (den er mit dem Maler Massimo Stanzioni
zu verwechseln scheint, er nennt ihn insigne pintor), den Käm-
merer Abate Hippolyt, den Majordomus, den Barbier des Pabstes
Michelangelo, Ferdinand Brandano, Geronimo Bibaldo und die
Malerin Flaminia Triunfi.

Und das waren noch nicht alle, denn die, welche bloss
wohlgetroffene Skizzen geblieben waren, übergeht er. Diese
waren mit langgestielten Pinseln und in der kühnen (valiente)
Manier Tizians gemalt.

Von ihnen allen ist bis jetzt noch keins nachzuweisen ge-
wesen1).

1) Anspruch auf jenen Majordomus erhob ein grosses aus Bologna stammen-
des Stück, das bei der zweiten Versteigerung der Galerie Salamanca (Nr. 135) im
Januar 1875, als incontesté et incontestable, wie ein Experte erklärte, für 19,300 frs.
losgeschlagen wurde. In dem grossen schönen Kopf mit dem lebhaften Blick der
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[192/0212] Sechstes Buch. mehr sagt er da viel weniger. Diese mühsamen Hände sind unbestimmter und unplastischer als jene mit Nichts gemalten. Eine andere im Anfang dieses Jahrhunderts zu Rom für die Gordon Galerie erworbene Copie wollte Wilkie im Ton des Gesichts und der Hände dem Original vorziehen; wenn aber diese Theile ausgeführter (more complete) genannt werden, so ahnt man, dass sie in der Art der Bute’schen gemacht waren; der Preis (£ 19 19 s.) stimmt sonderbar zu dem warmen Lob. Der Kopf in Lansdowne House ist geringe und plumpe Fabrikwaare, der im Palast Corsini zu Rom eine Uebersetzung in die Technik der damaligen römischen Schule. Einem wunderlichen und abstossenden Manieristen verdankt das Bildniss in Chiswick House, dem Landsitz des Herzogs von Devonshire seine Entstehung. Seine Heiligkeit thront, gehüllt in einen weiten Purpurmantel, und erhebt die sehr grosse Hand zum Segen. Das bleiche Gesicht mit dem gläsernen Blick ist in die Länge gezogen. Auf bösesten rothbraunen Okergrund sind zähe dicke Farbenklumpen geschleudert, mit denen aber keine Wirkung und Haltung erreicht ist. Mir ist kein ähnlich ge- maltes Bildniss aus der spanischen oder italienischen Schule er- innerlich; der Verdacht liegt nahe, dass ein Fälscher die fun- kelnde Pracht und geistreiche Touche des Velazquez, wie er sie verstand, nachgeäfft habe. — Nach diesem Erfolg an höchster Stelle wollte alles im Palazzo von dem Spanier gemalt sein. Palomino nennt Donna Olimpia, den Cardinal Pamfili, Monsignor Camillo Massimi, Käm- merer S. Heiligkeit (den er mit dem Maler Massimo Stanzioni zu verwechseln scheint, er nennt ihn insigne pintor), den Käm- merer Abate Hippolyt, den Majordomus, den Barbier des Pabstes Michelangelo, Ferdinand Brandano, Geronimo Bibaldo und die Malerin Flaminia Triunfi. Und das waren noch nicht alle, denn die, welche bloss wohlgetroffene Skizzen geblieben waren, übergeht er. Diese waren mit langgestielten Pinseln und in der kühnen (valiente) Manier Tizians gemalt. Von ihnen allen ist bis jetzt noch keins nachzuweisen ge- wesen 1). 1) Anspruch auf jenen Majordomus erhob ein grosses aus Bologna stammen- des Stück, das bei der zweiten Versteigerung der Galerie Salamanca (Nr. 135) im Januar 1875, als incontesté et incontestable, wie ein Experte erklärte, für 19,300 frs. losgeschlagen wurde. In dem grossen schönen Kopf mit dem lebhaften Blick der

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/212>, abgerufen am 18.04.2024.