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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Sechstes Buch.
der beiden mittelalterlichen Bauwerke sollte das Ganze in Ein-
klang gebracht werden. Der Conservatorenpalast war bereits
unter Clemens VIII von Tommaso de' Cavalieri und Giacomo
del Duca erneuert worden; ebenso die Fassade des Palasts des
Senators, letztere durch denselben Girolamo Rainaldi, dem jetzt
Innocenz X den Bau des Museums unter Ara Coeli übertrug1).
Bis dahin war man nicht über die Ebnung des Abhangs und die
Fundamentirung hinausgekommen2). Es war eine der ersten Re-
gierungshandlungen des neuen Pabstes, den Bau des zweiten Pa-
lasts in Angriff zu nehmen. Man nannte das Gebäude damals
la fabbrica nuova del popolo romano. Die Stadt beschloss (1645)
ihm zum Dank eine Bronzestatue schon bei Lebzeiten zu errich-
ten, gegenüber der Urban VIII, und da diese Arbeit Algardi's viele
Jahre erforderte, so wurde vorläufig die einst vom römischen
Volk niedergeworfene Statue Paul IV Caraffa aus den Souterrains
des Senatorenpalasts hervorgeholt, und Kopf nebst Händen ent-
sprechend ergänzt3).

Die Räume scheinen vorläufig noch ziemlich leer geblieben
zu sein; denn die Pamfili und die übrigen grossen Familien
hatten die Antiken selbst zum Schmuck ihrer geräumigen Villen
nöthig; dennoch war ein grosser Schritt geschehn; ein Asyl
geschaffen, das von den hochgebildeten Päbsten des 18. Jahr-
hunderts bevölkert wurde. Der Begründer der jetzigen Sammlung
war Clemens XII Corsini.

Nach dem Verzeichniss bei Palomino (Museo III, 337--40)
hätte Velazquez 32 Statuen, und ausserdem viele römische Bild-
nisse in ganzer Figur und Büste, nebst dem Kopf des Moses von
Michelangelo abformen lassen.

Oben an stehn die Statuen des Belvedere; Laokoon, Apollo,
der sogenannte Antinous (Meleager), die sogenannte Cleopatra
(Ariadne), die Venus und der Nil.

Der Herkules und die Flora im Palast Farnese, jetzt in Neapel.

Eine Niobide und die Ringergruppe der Villa Medici, jetzt
in den Uffizien.

1) G. B. Passeri, Vite de' pittori. Roma 1772. p. 222.
2) Diario del Ameyden, 1. Dec. 1646: Domenica passata 13. corrente, il Papa
dopo desinare ando in Campidoglio, a veder la fabrica nuova del Popolo Romano.
Wenn dieser Bau schon auf Ansichten des 16. Jahrhunderts vorkommt, so war
hier die Ausführung des bekannten Projects Michelangelos anticipirt. Vgl. E. Müntz,
Les Antiquites de la Ville de Rome. Paris 1886. p. 151 ff.
3) Ameyden 9. Sept. 1645.

Sechstes Buch.
der beiden mittelalterlichen Bauwerke sollte das Ganze in Ein-
klang gebracht werden. Der Conservatorenpalast war bereits
unter Clemens VIII von Tommaso de’ Cavalieri und Giacomo
del Duca erneuert worden; ebenso die Fassade des Palasts des
Senators, letztere durch denselben Girolamo Rainaldi, dem jetzt
Innocenz X den Bau des Museums unter Ara Coeli übertrug1).
Bis dahin war man nicht über die Ebnung des Abhangs und die
Fundamentirung hinausgekommen2). Es war eine der ersten Re-
gierungshandlungen des neuen Pabstes, den Bau des zweiten Pa-
lasts in Angriff zu nehmen. Man nannte das Gebäude damals
la fabbrica nuova del popolo romano. Die Stadt beschloss (1645)
ihm zum Dank eine Bronzestatue schon bei Lebzeiten zu errich-
ten, gegenüber der Urban VIII, und da diese Arbeit Algardi’s viele
Jahre erforderte, so wurde vorläufig die einst vom römischen
Volk niedergeworfene Statue Paul IV Caraffa aus den Souterrains
des Senatorenpalasts hervorgeholt, und Kopf nebst Händen ent-
sprechend ergänzt3).

Die Räume scheinen vorläufig noch ziemlich leer geblieben
zu sein; denn die Pamfili und die übrigen grossen Familien
hatten die Antiken selbst zum Schmuck ihrer geräumigen Villen
nöthig; dennoch war ein grosser Schritt geschehn; ein Asyl
geschaffen, das von den hochgebildeten Päbsten des 18. Jahr-
hunderts bevölkert wurde. Der Begründer der jetzigen Sammlung
war Clemens XII Corsini.

Nach dem Verzeichniss bei Palomino (Museo III, 337—40)
hätte Velazquez 32 Statuen, und ausserdem viele römische Bild-
nisse in ganzer Figur und Büste, nebst dem Kopf des Moses von
Michelangelo abformen lassen.

Oben an stehn die Statuen des Belvedere; Laokoon, Apollo,
der sogenannte Antinous (Meleager), die sogenannte Cleopatra
(Ariadne), die Venus und der Nil.

Der Herkules und die Flora im Palast Farnese, jetzt in Neapel.

Eine Niobide und die Ringergruppe der Villa Medici, jetzt
in den Uffizien.

1) G. B. Passeri, Vite de’ pittori. Roma 1772. p. 222.
2) Diario del Ameyden, 1. Dec. 1646: Domenica passata 13. corrente, il Papa
dopo desinare andò in Campidoglio, à veder la fabrica nuova del Popolo Romano.
Wenn dieser Bau schon auf Ansichten des 16. Jahrhunderts vorkommt, so war
hier die Ausführung des bekannten Projects Michelangelos anticipirt. Vgl. E. Müntz,
Les Antiquités de la Ville de Rome. Paris 1886. p. 151 ff.
3) Ameyden 9. Sept. 1645.
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[194/0214] Sechstes Buch. der beiden mittelalterlichen Bauwerke sollte das Ganze in Ein- klang gebracht werden. Der Conservatorenpalast war bereits unter Clemens VIII von Tommaso de’ Cavalieri und Giacomo del Duca erneuert worden; ebenso die Fassade des Palasts des Senators, letztere durch denselben Girolamo Rainaldi, dem jetzt Innocenz X den Bau des Museums unter Ara Coeli übertrug 1). Bis dahin war man nicht über die Ebnung des Abhangs und die Fundamentirung hinausgekommen 2). Es war eine der ersten Re- gierungshandlungen des neuen Pabstes, den Bau des zweiten Pa- lasts in Angriff zu nehmen. Man nannte das Gebäude damals la fabbrica nuova del popolo romano. Die Stadt beschloss (1645) ihm zum Dank eine Bronzestatue schon bei Lebzeiten zu errich- ten, gegenüber der Urban VIII, und da diese Arbeit Algardi’s viele Jahre erforderte, so wurde vorläufig die einst vom römischen Volk niedergeworfene Statue Paul IV Caraffa aus den Souterrains des Senatorenpalasts hervorgeholt, und Kopf nebst Händen ent- sprechend ergänzt 3). Die Räume scheinen vorläufig noch ziemlich leer geblieben zu sein; denn die Pamfili und die übrigen grossen Familien hatten die Antiken selbst zum Schmuck ihrer geräumigen Villen nöthig; dennoch war ein grosser Schritt geschehn; ein Asyl geschaffen, das von den hochgebildeten Päbsten des 18. Jahr- hunderts bevölkert wurde. Der Begründer der jetzigen Sammlung war Clemens XII Corsini. Nach dem Verzeichniss bei Palomino (Museo III, 337—40) hätte Velazquez 32 Statuen, und ausserdem viele römische Bild- nisse in ganzer Figur und Büste, nebst dem Kopf des Moses von Michelangelo abformen lassen. Oben an stehn die Statuen des Belvedere; Laokoon, Apollo, der sogenannte Antinous (Meleager), die sogenannte Cleopatra (Ariadne), die Venus und der Nil. Der Herkules und die Flora im Palast Farnese, jetzt in Neapel. Eine Niobide und die Ringergruppe der Villa Medici, jetzt in den Uffizien. 1) G. B. Passeri, Vite de’ pittori. Roma 1772. p. 222. 2) Diario del Ameyden, 1. Dec. 1646: Domenica passata 13. corrente, il Papa dopo desinare andò in Campidoglio, à veder la fabrica nuova del Popolo Romano. Wenn dieser Bau schon auf Ansichten des 16. Jahrhunderts vorkommt, so war hier die Ausführung des bekannten Projects Michelangelos anticipirt. Vgl. E. Müntz, Les Antiquités de la Ville de Rome. Paris 1886. p. 151 ff. 3) Ameyden 9. Sept. 1645.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/214>, abgerufen am 29.03.2024.