für die er Sanchez Coello gewonnen hatte; Philipp II stattete ihm hier einen vertraulichen Besuch ab.
Für die vaterländische Vorzeit, Familiengeschichte, Sprich- wörtersammlungen, selbst für Romanzen, Glossen und coplas, hatten sie immer noch Platz. Zum Herzen dringende Klänge findet Herrera erst in Oden auf die Schlacht bei Lepanto, auf D. Seba- stians von Portugal Untergang, auf den heil. Ferdinand, Medrano in dem Sonett auf die Thronentsagung Karl V; aber merkwürdig, hier sind sie von der Poesie der Psalmen und Propheten inspirirt, wie denn der grösste Lyriker Spaniens, Luis de Leon, ganz aus dieser Quelle schöpfte.
Fremd war diesem spanischen Humanismus die Gleichgül- tigkeit oder Abneigung gegen das kirchliche Institut. Der Erz- bischof de Castro (+ 1600), obwol ein Kirchenregent von stren- gen Grundsätzen und Character, erscheint als Mäcen der Maler und Dichter; der Latinist und Alterthümler Maestro Francisco de Medina war sein Secretär, Rodrigo Caro sein Hausgenoss, und Herrera bot er vergebens Würden und Pfründen an. Der Musiker Guerrera, der Maler Pablo de Cespedes von Cordoba und der Kanonikus und Licentiat Francisco Pacheco der Ohm, der beste lateinische Dichter Sevilla's, waren gern gesehene Gäste im erzbischöflichen Palast und an der Tafel. In der Haupt- stadt Andalusiens wird es kein Wunder nehmen, unter den Theo- logen die Kanzelredner am reichsten vertreten zu sehen. Pa- checo schildert zehn Celebritäten, darunter einen christlichen De- mosthenes, den Carmeliter Juan de Espinosa, der vierzig Jahre hindurch der Prediger der Gelehrten und Geistlichen war. Fer- nando de Santiago nannte Philipp II den Goldmund (pico de oro) als er ihm auf seinem letzten Schmerzenslager predigte; er dankte ihm mit den Worten: "Nie habe ich, als Trost für meine Qualen, eine Stunde von so viel Genuss und Ruhe gehabt". Er hat noch vor Philipp IV gepredigt. Der Augustinerprior Pedro de Val- derrama theilte seine vierzehn Arbeitsstunden zwischen Studiren, Predigen, Regieren und Bauen. Ohne Mittel unternahm er grosse Klosterbauten und führte sie durch, in Malaga, Granada, Sevilla: "er wolle Gott Häuser bauen, damit Er ihm einst eines gebe."
Nur ein profunder Gelehrter begegnet uns unter so vielen Asceten und Rednern, Benito Arias Montano (geb. 1498), der Meister der biblischen Wissenschaft (Maestro de erudicion sa- grada) am Escorial und Beherrscher von elf lebenden und todten Sprachen; die ersteren sprach er mit dem richtigen Accent. Phi-
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Die Dichter.
für die er Sanchez Coello gewonnen hatte; Philipp II stattete ihm hier einen vertraulichen Besuch ab.
Für die vaterländische Vorzeit, Familiengeschichte, Sprich- wörtersammlungen, selbst für Romanzen, Glossen und coplas, hatten sie immer noch Platz. Zum Herzen dringende Klänge findet Herrera erst in Oden auf die Schlacht bei Lepanto, auf D. Seba- stians von Portugal Untergang, auf den heil. Ferdinand, Medrano in dem Sonett auf die Thronentsagung Karl V; aber merkwürdig, hier sind sie von der Poesie der Psalmen und Propheten inspirirt, wie denn der grösste Lyriker Spaniens, Luis de Leon, ganz aus dieser Quelle schöpfte.
Fremd war diesem spanischen Humanismus die Gleichgül- tigkeit oder Abneigung gegen das kirchliche Institut. Der Erz- bischof de Castro († 1600), obwol ein Kirchenregent von stren- gen Grundsätzen und Character, erscheint als Mäcen der Maler und Dichter; der Latinist und Alterthümler Maestro Francisco de Medina war sein Secretär, Rodrigo Caro sein Hausgenoss, und Herrera bot er vergebens Würden und Pfründen an. Der Musiker Guerrera, der Maler Pablo de Cespedes von Cordoba und der Kanonikus und Licentiat Francisco Pacheco der Ohm, der beste lateinische Dichter Sevilla’s, waren gern gesehene Gäste im erzbischöflichen Palast und an der Tafel. In der Haupt- stadt Andalusiens wird es kein Wunder nehmen, unter den Theo- logen die Kanzelredner am reichsten vertreten zu sehen. Pa- checo schildert zehn Celebritäten, darunter einen christlichen De- mosthenes, den Carmeliter Juan de Espinosa, der vierzig Jahre hindurch der Prediger der Gelehrten und Geistlichen war. Fer- nando de Santiago nannte Philipp II den Goldmund (pico de oro) als er ihm auf seinem letzten Schmerzenslager predigte; er dankte ihm mit den Worten: „Nie habe ich, als Trost für meine Qualen, eine Stunde von so viel Genuss und Ruhe gehabt“. Er hat noch vor Philipp IV gepredigt. Der Augustinerprior Pedro de Val- derrama theilte seine vierzehn Arbeitsstunden zwischen Studiren, Predigen, Regieren und Bauen. Ohne Mittel unternahm er grosse Klosterbauten und führte sie durch, in Malaga, Granada, Sevilla: „er wolle Gott Häuser bauen, damit Er ihm einst eines gebe.“
Nur ein profunder Gelehrter begegnet uns unter so vielen Asceten und Rednern, Benito Arias Montano (geb. 1498), der Meister der biblischen Wissenschaft (Maestro de erudicion sa- grada) am Escorial und Beherrscher von elf lebenden und todten Sprachen; die ersteren sprach er mit dem richtigen Accent. Phi-
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Die Dichter.
für die er Sanchez Coello gewonnen hatte; Philipp II stattete ihm
hier einen vertraulichen Besuch ab.
Für die vaterländische Vorzeit, Familiengeschichte, Sprich-
wörtersammlungen, selbst für Romanzen, Glossen und coplas,
hatten sie immer noch Platz. Zum Herzen dringende Klänge findet
Herrera erst in Oden auf die Schlacht bei Lepanto, auf D. Seba-
stians von Portugal Untergang, auf den heil. Ferdinand, Medrano
in dem Sonett auf die Thronentsagung Karl V; aber merkwürdig,
hier sind sie von der Poesie der Psalmen und Propheten inspirirt,
wie denn der grösste Lyriker Spaniens, Luis de Leon, ganz aus
dieser Quelle schöpfte.
Fremd war diesem spanischen Humanismus die Gleichgül-
tigkeit oder Abneigung gegen das kirchliche Institut. Der Erz-
bischof de Castro († 1600), obwol ein Kirchenregent von stren-
gen Grundsätzen und Character, erscheint als Mäcen der Maler
und Dichter; der Latinist und Alterthümler Maestro Francisco
de Medina war sein Secretär, Rodrigo Caro sein Hausgenoss,
und Herrera bot er vergebens Würden und Pfründen an. Der
Musiker Guerrera, der Maler Pablo de Cespedes von Cordoba
und der Kanonikus und Licentiat Francisco Pacheco der Ohm,
der beste lateinische Dichter Sevilla’s, waren gern gesehene
Gäste im erzbischöflichen Palast und an der Tafel. In der Haupt-
stadt Andalusiens wird es kein Wunder nehmen, unter den Theo-
logen die Kanzelredner am reichsten vertreten zu sehen. Pa-
checo schildert zehn Celebritäten, darunter einen christlichen De-
mosthenes, den Carmeliter Juan de Espinosa, der vierzig Jahre
hindurch der Prediger der Gelehrten und Geistlichen war. Fer-
nando de Santiago nannte Philipp II den Goldmund (pico de oro)
als er ihm auf seinem letzten Schmerzenslager predigte; er dankte
ihm mit den Worten: „Nie habe ich, als Trost für meine Qualen,
eine Stunde von so viel Genuss und Ruhe gehabt“. Er hat noch
vor Philipp IV gepredigt. Der Augustinerprior Pedro de Val-
derrama theilte seine vierzehn Arbeitsstunden zwischen Studiren,
Predigen, Regieren und Bauen. Ohne Mittel unternahm er grosse
Klosterbauten und führte sie durch, in Malaga, Granada, Sevilla:
„er wolle Gott Häuser bauen, damit Er ihm einst eines gebe.“
Nur ein profunder Gelehrter begegnet uns unter so vielen
Asceten und Rednern, Benito Arias Montano (geb. 1498), der
Meister der biblischen Wissenschaft (Maestro de erudicion sa-
grada) am Escorial und Beherrscher von elf lebenden und todten
Sprachen; die ersteren sprach er mit dem richtigen Accent. Phi-
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/53>, abgerufen am 22.11.2024.
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