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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Erstes Buch.
lipp II riss ihn mehrmals aus seiner halb gelehrten, halb asceti-
schen Musse auf der Penna de Aracena, jener reizenden Wildniss
(cuya aspereza es amenisima, Zunniga), wo er seine Blumen pflegte;
er übertrug ihm die Polyglotte (Biblia regia), die in der planti-
nischen Officin erschien. Sechs Jahre widmete er ihr in Ant-
werpen, mit elf Stunden täglicher Arbeit.

Es war der Sohn des Columbus, Hernan Colon, der die pa-
triotische Idee hatte, der Stadt und dem Domkapitel eine Biblio-
thek von 20,000 Bänden als dauerndes Vermächtniss zu stiften,
die er, obwol kein reicher Mann, auf Reisen in ganz Europa
mit dieser Bestimmung gesammelt hatte.

In solchen Museen bezog sich die Unterhaltung auch auf
die Künste; die Kupferstiche der deutschen und italienischen
Schule waren hier wolbekannt. Francisco de Medina (+ 1615),
der in Italien gewesen war, gründete sich in der Vorstadt eine
weltliche Einsiedelei, wo er ausser Münzen und Gemälden sel-
tene Drucksachen und Denkwürdigkeiten der Vorzeit und Gegen-
wart sammelte. Pacheco der Maler sagt von ihm: "Er war nicht
blos Kenner, er war unerreicht in der Erklärung und Beurthei-
lung der Kunstwerke, in der Wahl der besten und treffendsten
Ausdrücke, die der spanischen Sprache zu Gebote stehn, darin
war er weit über die elegantesten (cultos) Sprecher seiner Zeit."

Ut pictura poesis. -- Zwar hatten die Maler zum Glück keine
Gelegenheit Gigantomachien und Psychenovellen zu malen; aber
noch gründlicher als die Poeten hatten sie sich der bisherigen
Dialekte gegen das fremde Idiom entäussert. Wie Hernando
de Hozes1) meinte, seit Garcilaso und Boscan die toskanischen
Maasse in die spanische Sprache eingeführt, sei alles frühere in
den altspanischen Versformen geschriebene oder übersetzte so
in der Achtung gesunken, dass es wenige mehr des Lesens werth
hielten: so sprachen nun die tonangebenden Künstler und geist-
reichen Köpfe von der Beseitigung der gothischen Barbarei
durch die ersten Romfahrer2); ja selbst die Renaissance eines
Diego de Siloe liessen sie nur als Uebergangsstufe gelten.
Cervantes sagte von Jauregui's Uebersetzung des Aminta,
man sei in glücklichem Zweifel, was das Original und was die
Uebertragung, und Tasso soll die Gedichte Herrera's unter seinem
Kopfkissen gehabt haben, um die Grösse unserer Sprache in

1) Ticknor, History of Spanish Literature. I, 496 (1554).
2) Estos dos singulares hombres (Berruguete & Becerra) desterr aron la bar-
baridad que en Espanna havia. Varia comensuracion. L. 2.

Erstes Buch.
lipp II riss ihn mehrmals aus seiner halb gelehrten, halb asceti-
schen Musse auf der Peña de Aracena, jener reizenden Wildniss
(cuya aspereza es amenísima, Zúñiga), wo er seine Blumen pflegte;
er übertrug ihm die Polyglotte (Biblia regia), die in der planti-
nischen Officin erschien. Sechs Jahre widmete er ihr in Ant-
werpen, mit elf Stunden täglicher Arbeit.

Es war der Sohn des Columbus, Hernan Colon, der die pa-
triotische Idee hatte, der Stadt und dem Domkapitel eine Biblio-
thek von 20,000 Bänden als dauerndes Vermächtniss zu stiften,
die er, obwol kein reicher Mann, auf Reisen in ganz Europa
mit dieser Bestimmung gesammelt hatte.

In solchen Museen bezog sich die Unterhaltung auch auf
die Künste; die Kupferstiche der deutschen und italienischen
Schule waren hier wolbekannt. Francisco de Medina († 1615),
der in Italien gewesen war, gründete sich in der Vorstadt eine
weltliche Einsiedelei, wo er ausser Münzen und Gemälden sel-
tene Drucksachen und Denkwürdigkeiten der Vorzeit und Gegen-
wart sammelte. Pacheco der Maler sagt von ihm: „Er war nicht
blos Kenner, er war unerreicht in der Erklärung und Beurthei-
lung der Kunstwerke, in der Wahl der besten und treffendsten
Ausdrücke, die der spanischen Sprache zu Gebote stehn, darin
war er weit über die elegantesten (cultos) Sprecher seiner Zeit.“

Ut pictura poesis. — Zwar hatten die Maler zum Glück keine
Gelegenheit Gigantomachien und Psychenovellen zu malen; aber
noch gründlicher als die Poeten hatten sie sich der bisherigen
Dialekte gegen das fremde Idiom entäussert. Wie Hernando
de Hozes1) meinte, seit Garcilaso und Boscan die toskanischen
Maasse in die spanische Sprache eingeführt, sei alles frühere in
den altspanischen Versformen geschriebene oder übersetzte so
in der Achtung gesunken, dass es wenige mehr des Lesens werth
hielten: so sprachen nun die tonangebenden Künstler und geist-
reichen Köpfe von der Beseitigung der gothischen Barbarei
durch die ersten Romfahrer2); ja selbst die Renaissance eines
Diego de Siloe liessen sie nur als Uebergangsstufe gelten.
Cervantes sagte von Jauregui’s Uebersetzung des Aminta,
man sei in glücklichem Zweifel, was das Original und was die
Uebertragung, und Tasso soll die Gedichte Herrera’s unter seinem
Kopfkissen gehabt haben, um die Grösse unserer Sprache in

1) Ticknor, History of Spanish Literature. I, 496 (1554).
2) Estos dos singulares hombres (Berruguete & Becerra) desterr aron la bar-
baridad que en España havia. Varia comensuracion. L. 2.
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[34/0054] Erstes Buch. lipp II riss ihn mehrmals aus seiner halb gelehrten, halb asceti- schen Musse auf der Peña de Aracena, jener reizenden Wildniss (cuya aspereza es amenísima, Zúñiga), wo er seine Blumen pflegte; er übertrug ihm die Polyglotte (Biblia regia), die in der planti- nischen Officin erschien. Sechs Jahre widmete er ihr in Ant- werpen, mit elf Stunden täglicher Arbeit. Es war der Sohn des Columbus, Hernan Colon, der die pa- triotische Idee hatte, der Stadt und dem Domkapitel eine Biblio- thek von 20,000 Bänden als dauerndes Vermächtniss zu stiften, die er, obwol kein reicher Mann, auf Reisen in ganz Europa mit dieser Bestimmung gesammelt hatte. In solchen Museen bezog sich die Unterhaltung auch auf die Künste; die Kupferstiche der deutschen und italienischen Schule waren hier wolbekannt. Francisco de Medina († 1615), der in Italien gewesen war, gründete sich in der Vorstadt eine weltliche Einsiedelei, wo er ausser Münzen und Gemälden sel- tene Drucksachen und Denkwürdigkeiten der Vorzeit und Gegen- wart sammelte. Pacheco der Maler sagt von ihm: „Er war nicht blos Kenner, er war unerreicht in der Erklärung und Beurthei- lung der Kunstwerke, in der Wahl der besten und treffendsten Ausdrücke, die der spanischen Sprache zu Gebote stehn, darin war er weit über die elegantesten (cultos) Sprecher seiner Zeit.“ Ut pictura poesis. — Zwar hatten die Maler zum Glück keine Gelegenheit Gigantomachien und Psychenovellen zu malen; aber noch gründlicher als die Poeten hatten sie sich der bisherigen Dialekte gegen das fremde Idiom entäussert. Wie Hernando de Hozes 1) meinte, seit Garcilaso und Boscan die toskanischen Maasse in die spanische Sprache eingeführt, sei alles frühere in den altspanischen Versformen geschriebene oder übersetzte so in der Achtung gesunken, dass es wenige mehr des Lesens werth hielten: so sprachen nun die tonangebenden Künstler und geist- reichen Köpfe von der Beseitigung der gothischen Barbarei durch die ersten Romfahrer 2); ja selbst die Renaissance eines Diego de Siloe liessen sie nur als Uebergangsstufe gelten. Cervantes sagte von Jauregui’s Uebersetzung des Aminta, man sei in glücklichem Zweifel, was das Original und was die Uebertragung, und Tasso soll die Gedichte Herrera’s unter seinem Kopfkissen gehabt haben, um die Grösse unserer Sprache in 1) Ticknor, History of Spanish Literature. I, 496 (1554). 2) Estos dos singulares hombres (Berruguete & Becerra) desterr aron la bar- baridad que en España havia. Varia comensuracion. L. 2.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/54>, abgerufen am 22.11.2024.