Schönheit und Grazie Italiens; in Wollaut, Zärtlichkeit und Glut werde ihm keiner den Platz unter den Ersten verweigern." Das bestätigen einige reizende kleine Madrigale, in welchen er den Garcilaso nachahmte. Mehr Glück hatten die Comödien des Juan de la Cueva, die erhalten sind. --
Doch lag die Pedanterie bei diesen Leuten nur in dem mythologisch-classischen Apparat. Sie schrieben sich Canzonen, in welchen sie sich Damon und Vandalio nannten, aber in ihrem Leben und Wesen ist nichts von den bekannten Zügen der Humanisten. Es waren selbstgemachte Männer, die sich mitten im Strom des Lebens bewegten, sie konnten fechten, kommandiren, segeln, beten, sich kasteien, Geschäfte führen; nichts banausisches, nichts philiströses ist an ihnen. Die Schilderung welche Pacheco von Herrera entwirft, zeigt das Gegentheil des Charakters italienischer und deutscher Literaten. "Er hasste die Schmeichelei und nahm nie Geschenke von den Grossen, er entzog sich denen, die ihm solche angeboten hatten; er trank keinen Wein, ging nie ein auf Gespräche über anderer Privatleben, und mied die Orte wo solche gepflogen wurden. Er nahm es übel, wenn man ihn Poet nannte, obwol er viel an seinen Sachen feilte und den Rath seiner Freunde erbat, denen er sie vorlas." Er starb, bevor er sie gedruckt hatte, und ohne Pacheco's Pietät wären sie uns verloren. Baltasar del Alcazar diente in den Galeren des D. Alvar de Bazan, und Cetina "war der Köcher des Mars so lieb wie die Leier Apollos." "Noch nie, behauptete Don Quixote, hat die Lanze die Feder stumpf gemacht, noch die Feder die Lanze" (I, 18).
Ein Typus solcher Männer war Argote de Molina (1548 + 1598), der Spross einer Reihe von Matamoros, die sich von dem Eroberer Cordobas ableiteten. Nachdem er sich mit dreizehn Jahren bei der Vertheidigung des Pennon de Velez, dann bei der Rebellion von Granada, in den Galeren Spaniens, endlich im Krieg von Navarra an der Spitze eines Häufleins Sevillaner Cavaliere Lorbeern gepflückt, schuf er sich in seinem Hause, Cal de Francos, neben Rüstkammer und Marstall ein Museum, in dem literarische Schätze des spanischen Mittelalters, auf Reisen gesammelt, nie- dergelegt waren: der Conde Lucanor, das Jagdbuch Alfons XI, das Reisewerk vom grossen Tamerlan. Hier begann er eine Geschichte des andalusischen Adels: "sein Zeugniss reicht allein hin zur Beglaubigung einer Thatsache". Diess sein Camarin war geschmückt mit Mythologien und Bildnissen berühmter Männer,
Erstes Buch.
Schönheit und Grazie Italiens; in Wollaut, Zärtlichkeit und Glut werde ihm keiner den Platz unter den Ersten verweigern.“ Das bestätigen einige reizende kleine Madrigale, in welchen er den Garcilaso nachahmte. Mehr Glück hatten die Comödien des Juan de la Cueva, die erhalten sind. —
Doch lag die Pedanterie bei diesen Leuten nur in dem mythologisch-classischen Apparat. Sie schrieben sich Canzonen, in welchen sie sich Damon und Vandalio nannten, aber in ihrem Leben und Wesen ist nichts von den bekannten Zügen der Humanisten. Es waren selbstgemachte Männer, die sich mitten im Strom des Lebens bewegten, sie konnten fechten, kommandiren, segeln, beten, sich kasteien, Geschäfte führen; nichts banausisches, nichts philiströses ist an ihnen. Die Schilderung welche Pacheco von Herrera entwirft, zeigt das Gegentheil des Charakters italienischer und deutscher Literaten. „Er hasste die Schmeichelei und nahm nie Geschenke von den Grossen, er entzog sich denen, die ihm solche angeboten hatten; er trank keinen Wein, ging nie ein auf Gespräche über anderer Privatleben, und mied die Orte wo solche gepflogen wurden. Er nahm es übel, wenn man ihn Poet nannte, obwol er viel an seinen Sachen feilte und den Rath seiner Freunde erbat, denen er sie vorlas.“ Er starb, bevor er sie gedruckt hatte, und ohne Pacheco’s Pietät wären sie uns verloren. Baltasar del Alcazar diente in den Galeren des D. Alvar de Bazan, und Cetina „war der Köcher des Mars so lieb wie die Leier Apollos.“ „Noch nie, behauptete Don Quixote, hat die Lanze die Feder stumpf gemacht, noch die Feder die Lanze“ (I, 18).
Ein Typus solcher Männer war Argote de Molina (1548 † 1598), der Spross einer Reihe von Matamoros, die sich von dem Eroberer Cordobas ableiteten. Nachdem er sich mit dreizehn Jahren bei der Vertheidigung des Peñon de Velez, dann bei der Rebellion von Granada, in den Galeren Spaniens, endlich im Krieg von Navarra an der Spitze eines Häufleins Sevillaner Cavaliere Lorbeern gepflückt, schuf er sich in seinem Hause, Cal de Francos, neben Rüstkammer und Marstall ein Museum, in dem literarische Schätze des spanischen Mittelalters, auf Reisen gesammelt, nie- dergelegt waren: der Conde Lucanor, das Jagdbuch Alfons XI, das Reisewerk vom grossen Tamerlan. Hier begann er eine Geschichte des andalusischen Adels: „sein Zeugniss reicht allein hin zur Beglaubigung einer Thatsache“. Diess sein Camarin war geschmückt mit Mythologien und Bildnissen berühmter Männer,
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Erstes Buch.
Schönheit und Grazie Italiens; in Wollaut, Zärtlichkeit und Glut
werde ihm keiner den Platz unter den Ersten verweigern.“
Das bestätigen einige reizende kleine Madrigale, in welchen er
den Garcilaso nachahmte. Mehr Glück hatten die Comödien des
Juan de la Cueva, die erhalten sind. —
Doch lag die Pedanterie bei diesen Leuten nur in dem
mythologisch-classischen Apparat. Sie schrieben sich Canzonen, in
welchen sie sich Damon und Vandalio nannten, aber in ihrem Leben
und Wesen ist nichts von den bekannten Zügen der Humanisten.
Es waren selbstgemachte Männer, die sich mitten im Strom des
Lebens bewegten, sie konnten fechten, kommandiren, segeln,
beten, sich kasteien, Geschäfte führen; nichts banausisches,
nichts philiströses ist an ihnen. Die Schilderung welche Pacheco
von Herrera entwirft, zeigt das Gegentheil des Charakters
italienischer und deutscher Literaten. „Er hasste die Schmeichelei
und nahm nie Geschenke von den Grossen, er entzog sich denen,
die ihm solche angeboten hatten; er trank keinen Wein, ging
nie ein auf Gespräche über anderer Privatleben, und mied
die Orte wo solche gepflogen wurden. Er nahm es übel, wenn
man ihn Poet nannte, obwol er viel an seinen Sachen feilte und
den Rath seiner Freunde erbat, denen er sie vorlas.“ Er starb,
bevor er sie gedruckt hatte, und ohne Pacheco’s Pietät wären
sie uns verloren. Baltasar del Alcazar diente in den Galeren des
D. Alvar de Bazan, und Cetina „war der Köcher des Mars so
lieb wie die Leier Apollos.“ „Noch nie, behauptete Don Quixote,
hat die Lanze die Feder stumpf gemacht, noch die Feder die
Lanze“ (I, 18).
Ein Typus solcher Männer war Argote de Molina (1548
† 1598), der Spross einer Reihe von Matamoros, die sich von
dem Eroberer Cordobas ableiteten. Nachdem er sich mit dreizehn
Jahren bei der Vertheidigung des Peñon de Velez, dann bei der
Rebellion von Granada, in den Galeren Spaniens, endlich im Krieg
von Navarra an der Spitze eines Häufleins Sevillaner Cavaliere
Lorbeern gepflückt, schuf er sich in seinem Hause, Cal de Francos,
neben Rüstkammer und Marstall ein Museum, in dem literarische
Schätze des spanischen Mittelalters, auf Reisen gesammelt, nie-
dergelegt waren: der Conde Lucanor, das Jagdbuch Alfons XI,
das Reisewerk vom grossen Tamerlan. Hier begann er eine
Geschichte des andalusischen Adels: „sein Zeugniss reicht allein
hin zur Beglaubigung einer Thatsache“. Diess sein Camarin war
geschmückt mit Mythologien und Bildnissen berühmter Männer,
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/52>, abgerufen am 25.11.2024.
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