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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Gemälde für die Torre de la Parada.
Rubens'schen Ursprung man übrigens mit Zuversicht behaupten
konnte, auch ohne von dem Vorhandensein jener Originalskizzen in
den Palästen der Herzöge von Osuna und Pastrana, sowie einer
bestätigenden Angabe des Infanten 1) etwas zu wissen. Es wurde
also ein bestimmter Unterschied gemacht zwischen solchen Ge-
mälden, die er von den Schülern malen liess, und nachdem er sie
übergangen, als die seinigen weggab, und solchen, die obwol
von ihm skizzirt, unter den Namen der Gehülfen ausliefen. Aber
auch von der Art, an der man sonst diese Schüler erkennt, ist
in ihnen wenig zu sehn; schwerlich würde Jemand ohne die Na-
men der Inventare ihre Hand herausgefunden haben. Sie dienten
ihm pünktlich wie Schulpferde: sie waren nur sein eigener, ver-
vielfältigter Arm.

Nachgeschickt wurde im Februar 1639 ein Gemälde, an das
nur er selbst Hand anlegen konnte: das Urtheil des Paris. Hier
hatte er mit der ganzen Vorurtheilslosigkeit des Hofmanns,
durch die Reize seiner jungen Frau Helene als Venus die spa-
nischen Gönner entzücken wollen, und mit vollem Erfolg. Denn
Ferdinand, obwol er die Göttinnen "gar zu nackt" findet, meint,
nach dem Ausspruch aller Maler sei es das beste was er je ge-
malt, und seine Frau "vom besten was es jetzt hier giebt" (de lo
mejor que hoy hay aqui
).

Diese vierzig Stücke gefielen so, dass sofort ein neuer Auf-
trag geschickt wurde, achtzehn kleine und vier grosse, letztere
von umfassender Erfindung. Bei ihrer Ausführung hat Rubens
der Tod überrascht; man könnte sagen: er ist mit dem Pinsel
in der Hand für den König von Spanien gestorben.

Um diese merkwürdige Leistung, den letzten grossen Cyklus
den Rubens gemalt hat, zu beurtheilen, darf man nicht vergessen,
dass die Bilder als zusammenhängende Folge und ohne fremd-
artige Nachbarschaft gesehen werden sollten. Nicht von einem
kritischen und durch aufgedrungene unpassende Massstäbe ver-
wirrten Galeriepublikum, sondern in einem Jagdhaus von einer
Jagdgesellschaft, in den Pausen zwischen wilden Ritten, Büchsen-
geknall und Halali. Ferner waren die für uns so langweiligen
ovidischen Verwandlungen dazumal in Madrid ebenso populär

1) Vgl. Rubens und der Cardinalinfant Ferdinand in v. Lützow's Zeitschrift
für bildende Kunst 1880. Diceme las tiene ya repartidas a los mejores pintores,
pero que el las quiere dibujar todas. Brief Ferdinands aus Brüssel vom 6. Dez.
1636. S. den Anhang.

Die Gemälde für die Torre de la Parada.
Rubens’schen Ursprung man übrigens mit Zuversicht behaupten
konnte, auch ohne von dem Vorhandensein jener Originalskizzen in
den Palästen der Herzöge von Osuna und Pastrana, sowie einer
bestätigenden Angabe des Infanten 1) etwas zu wissen. Es wurde
also ein bestimmter Unterschied gemacht zwischen solchen Ge-
mälden, die er von den Schülern malen liess, und nachdem er sie
übergangen, als die seinigen weggab, und solchen, die obwol
von ihm skizzirt, unter den Namen der Gehülfen ausliefen. Aber
auch von der Art, an der man sonst diese Schüler erkennt, ist
in ihnen wenig zu sehn; schwerlich würde Jemand ohne die Na-
men der Inventare ihre Hand herausgefunden haben. Sie dienten
ihm pünktlich wie Schulpferde: sie waren nur sein eigener, ver-
vielfältigter Arm.

Nachgeschickt wurde im Februar 1639 ein Gemälde, an das
nur er selbst Hand anlegen konnte: das Urtheil des Paris. Hier
hatte er mit der ganzen Vorurtheilslosigkeit des Hofmanns,
durch die Reize seiner jungen Frau Helene als Venus die spa-
nischen Gönner entzücken wollen, und mit vollem Erfolg. Denn
Ferdinand, obwol er die Göttinnen „gar zu nackt“ findet, meint,
nach dem Ausspruch aller Maler sei es das beste was er je ge-
malt, und seine Frau „vom besten was es jetzt hier giebt“ (de lo
mejor que hoy hay aquí
).

Diese vierzig Stücke gefielen so, dass sofort ein neuer Auf-
trag geschickt wurde, achtzehn kleine und vier grosse, letztere
von umfassender Erfindung. Bei ihrer Ausführung hat Rubens
der Tod überrascht; man könnte sagen: er ist mit dem Pinsel
in der Hand für den König von Spanien gestorben.

Um diese merkwürdige Leistung, den letzten grossen Cyklus
den Rubens gemalt hat, zu beurtheilen, darf man nicht vergessen,
dass die Bilder als zusammenhängende Folge und ohne fremd-
artige Nachbarschaft gesehen werden sollten. Nicht von einem
kritischen und durch aufgedrungene unpassende Massstäbe ver-
wirrten Galeriepublikum, sondern in einem Jagdhaus von einer
Jagdgesellschaft, in den Pausen zwischen wilden Ritten, Büchsen-
geknall und Halali. Ferner waren die für uns so langweiligen
ovidischen Verwandlungen dazumal in Madrid ebenso populär

1) Vgl. Rubens und der Cardinalinfant Ferdinand in v. Lützow’s Zeitschrift
für bildende Kunst 1880. Diceme las tiene ya repartidas á los mejores pintores,
pero que él las quiere dibujar todas. Brief Ferdinands aus Brüssel vom 6. Dez.
1636. S. den Anhang.
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[399/0427] Die Gemälde für die Torre de la Parada. Rubens’schen Ursprung man übrigens mit Zuversicht behaupten konnte, auch ohne von dem Vorhandensein jener Originalskizzen in den Palästen der Herzöge von Osuna und Pastrana, sowie einer bestätigenden Angabe des Infanten 1) etwas zu wissen. Es wurde also ein bestimmter Unterschied gemacht zwischen solchen Ge- mälden, die er von den Schülern malen liess, und nachdem er sie übergangen, als die seinigen weggab, und solchen, die obwol von ihm skizzirt, unter den Namen der Gehülfen ausliefen. Aber auch von der Art, an der man sonst diese Schüler erkennt, ist in ihnen wenig zu sehn; schwerlich würde Jemand ohne die Na- men der Inventare ihre Hand herausgefunden haben. Sie dienten ihm pünktlich wie Schulpferde: sie waren nur sein eigener, ver- vielfältigter Arm. Nachgeschickt wurde im Februar 1639 ein Gemälde, an das nur er selbst Hand anlegen konnte: das Urtheil des Paris. Hier hatte er mit der ganzen Vorurtheilslosigkeit des Hofmanns, durch die Reize seiner jungen Frau Helene als Venus die spa- nischen Gönner entzücken wollen, und mit vollem Erfolg. Denn Ferdinand, obwol er die Göttinnen „gar zu nackt“ findet, meint, nach dem Ausspruch aller Maler sei es das beste was er je ge- malt, und seine Frau „vom besten was es jetzt hier giebt“ (de lo mejor que hoy hay aquí). Diese vierzig Stücke gefielen so, dass sofort ein neuer Auf- trag geschickt wurde, achtzehn kleine und vier grosse, letztere von umfassender Erfindung. Bei ihrer Ausführung hat Rubens der Tod überrascht; man könnte sagen: er ist mit dem Pinsel in der Hand für den König von Spanien gestorben. Um diese merkwürdige Leistung, den letzten grossen Cyklus den Rubens gemalt hat, zu beurtheilen, darf man nicht vergessen, dass die Bilder als zusammenhängende Folge und ohne fremd- artige Nachbarschaft gesehen werden sollten. Nicht von einem kritischen und durch aufgedrungene unpassende Massstäbe ver- wirrten Galeriepublikum, sondern in einem Jagdhaus von einer Jagdgesellschaft, in den Pausen zwischen wilden Ritten, Büchsen- geknall und Halali. Ferner waren die für uns so langweiligen ovidischen Verwandlungen dazumal in Madrid ebenso populär 1) Vgl. Rubens und der Cardinalinfant Ferdinand in v. Lützow’s Zeitschrift für bildende Kunst 1880. Diceme las tiene ya repartidas á los mejores pintores, pero que él las quiere dibujar todas. Brief Ferdinands aus Brüssel vom 6. Dez. 1636. S. den Anhang.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/427>, abgerufen am 25.11.2024.