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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Italiener am Hofe.
Flächenraum betrifft, von keinem Spanier erreicht worden. Sie
kommen sogar im Auslande vor: in Dresden, in der Ermitage,
in der Esterhazygalerie. Da er ein guter Lehrer war, so konnte
er sich für die Ausführung so umfassender Werke nach Zeich-
nungen und Skizzen zahlreicher Schüler bedienen. Von seinem
Geschick mit der Feder ist seine Schrift über die Malerei
ein Denkmal. Er tritt uns darin entgegen als ein ernster
Mann, mit strengen Principien und hohen Begriffen von der
Würde seiner Kunst. Sein Bildniss, das Sir W. Stirling besass,
und das auch, jedoch nach einer anderen Aufnahme, in diesem
Buche gestochen ist, zeigt einen Langkopf mit hoher Stirn, von
fast ascetischem Ernst, schwere starkknochige Hände. Seinen
Gemälden, besonders den frühsten (h. Franciscus in Valladolid
1606, Predigt des Täufers in der Akademie 1610) merkt man es
an, dass er in Valladolid als Theatermaler begonnen hatte. In
den Gemälden des Retablo von Guadalupe hat er starke Be-
leuchtungseffekte, in den Geschichten des h. Juan de Mata (Ga-
lerie D. Sebastian's) dagegen die farbenheitre Art der zweiten
florentinischen Schule. Methodisch ist er darauf ausgegangen,
für die Lieblingsstoffe spanischer Devotion die bei seinem Pub-
likum wirksame Darstellung zu finden. Diese klösterlichen Ge-
stalten in den geflickten Kutten, mit ihren erregten Geberden
und verzückten Blicken; die in irisirenden Lichtbahnen gaukeln-
den blonden, etwas süsslichen Engelkinder und die huldreiche
aber gezierte Madonna, kommen uns vor wie talentvolle, aber
ohne Inspiration unternommene Versuche dessen, was später Mu-
rillo, nicht nur spanisch, sondern allgemein menschlich ansprechend
erreicht hat. Carducho's Ausdruck ist schwächlich, seine Action
theatralisch, sein Affekt erzwungen.

Gerade um die Zeit, wo er in unsere Erzählung eintritt,
hatte er den grössten Auftrag seines Lebens übernommen: die
fünfundfünfzig Karthäusergeschichten in Oelgemälden grössten
Formats für den Kreuzgang der Cartuja von Paular. Sie wurden
bei der Exclaustration in das Nationalmuseum von S. Trinidad zu
Madrid geschleppt; einige der besten waren auch nach dessen Auf-
lösung noch in der oberen Galerie des "ministerio del fomento"
zu sehen. Für diese Arbeit erhielt er in vier jährlichen Quoten
(1628--32) sechstausend Dukaten. Ausser den Kreidezeichnungen
auf blauem Papier, mit Weiss gehöht, hat er auch Farbenskizzen
dazu gemacht. In der schottischen Nationalgalerie sieht man
unter dem Namen des Velazquez den "Traum des Pabstes", ein

Die Italiener am Hofe.
Flächenraum betrifft, von keinem Spanier erreicht worden. Sie
kommen sogar im Auslande vor: in Dresden, in der Ermitage,
in der Esterhazygalerie. Da er ein guter Lehrer war, so konnte
er sich für die Ausführung so umfassender Werke nach Zeich-
nungen und Skizzen zahlreicher Schüler bedienen. Von seinem
Geschick mit der Feder ist seine Schrift über die Malerei
ein Denkmal. Er tritt uns darin entgegen als ein ernster
Mann, mit strengen Principien und hohen Begriffen von der
Würde seiner Kunst. Sein Bildniss, das Sir W. Stirling besass,
und das auch, jedoch nach einer anderen Aufnahme, in diesem
Buche gestochen ist, zeigt einen Langkopf mit hoher Stirn, von
fast ascetischem Ernst, schwere starkknochige Hände. Seinen
Gemälden, besonders den frühsten (h. Franciscus in Valladolid
1606, Predigt des Täufers in der Akademie 1610) merkt man es
an, dass er in Valladolid als Theatermaler begonnen hatte. In
den Gemälden des Retablo von Guadalupe hat er starke Be-
leuchtungseffekte, in den Geschichten des h. Juan de Mata (Ga-
lerie D. Sebastian’s) dagegen die farbenheitre Art der zweiten
florentinischen Schule. Methodisch ist er darauf ausgegangen,
für die Lieblingsstoffe spanischer Devotion die bei seinem Pub-
likum wirksame Darstellung zu finden. Diese klösterlichen Ge-
stalten in den geflickten Kutten, mit ihren erregten Geberden
und verzückten Blicken; die in irisirenden Lichtbahnen gaukeln-
den blonden, etwas süsslichen Engelkinder und die huldreiche
aber gezierte Madonna, kommen uns vor wie talentvolle, aber
ohne Inspiration unternommene Versuche dessen, was später Mu-
rillo, nicht nur spanisch, sondern allgemein menschlich ansprechend
erreicht hat. Carducho’s Ausdruck ist schwächlich, seine Action
theatralisch, sein Affekt erzwungen.

Gerade um die Zeit, wo er in unsere Erzählung eintritt,
hatte er den grössten Auftrag seines Lebens übernommen: die
fünfundfünfzig Karthäusergeschichten in Oelgemälden grössten
Formats für den Kreuzgang der Cartuja von Paular. Sie wurden
bei der Exclaustration in das Nationalmuseum von S. Trinidad zu
Madrid geschleppt; einige der besten waren auch nach dessen Auf-
lösung noch in der oberen Galerie des „ministerio del fomento
zu sehen. Für diese Arbeit erhielt er in vier jährlichen Quoten
(1628—32) sechstausend Dukaten. Ausser den Kreidezeichnungen
auf blauem Papier, mit Weiss gehöht, hat er auch Farbenskizzen
dazu gemacht. In der schottischen Nationalgalerie sieht man
unter dem Namen des Velazquez den „Traum des Pabstes“, ein

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[221/0243] Die Italiener am Hofe. Flächenraum betrifft, von keinem Spanier erreicht worden. Sie kommen sogar im Auslande vor: in Dresden, in der Ermitage, in der Esterhazygalerie. Da er ein guter Lehrer war, so konnte er sich für die Ausführung so umfassender Werke nach Zeich- nungen und Skizzen zahlreicher Schüler bedienen. Von seinem Geschick mit der Feder ist seine Schrift über die Malerei ein Denkmal. Er tritt uns darin entgegen als ein ernster Mann, mit strengen Principien und hohen Begriffen von der Würde seiner Kunst. Sein Bildniss, das Sir W. Stirling besass, und das auch, jedoch nach einer anderen Aufnahme, in diesem Buche gestochen ist, zeigt einen Langkopf mit hoher Stirn, von fast ascetischem Ernst, schwere starkknochige Hände. Seinen Gemälden, besonders den frühsten (h. Franciscus in Valladolid 1606, Predigt des Täufers in der Akademie 1610) merkt man es an, dass er in Valladolid als Theatermaler begonnen hatte. In den Gemälden des Retablo von Guadalupe hat er starke Be- leuchtungseffekte, in den Geschichten des h. Juan de Mata (Ga- lerie D. Sebastian’s) dagegen die farbenheitre Art der zweiten florentinischen Schule. Methodisch ist er darauf ausgegangen, für die Lieblingsstoffe spanischer Devotion die bei seinem Pub- likum wirksame Darstellung zu finden. Diese klösterlichen Ge- stalten in den geflickten Kutten, mit ihren erregten Geberden und verzückten Blicken; die in irisirenden Lichtbahnen gaukeln- den blonden, etwas süsslichen Engelkinder und die huldreiche aber gezierte Madonna, kommen uns vor wie talentvolle, aber ohne Inspiration unternommene Versuche dessen, was später Mu- rillo, nicht nur spanisch, sondern allgemein menschlich ansprechend erreicht hat. Carducho’s Ausdruck ist schwächlich, seine Action theatralisch, sein Affekt erzwungen. Gerade um die Zeit, wo er in unsere Erzählung eintritt, hatte er den grössten Auftrag seines Lebens übernommen: die fünfundfünfzig Karthäusergeschichten in Oelgemälden grössten Formats für den Kreuzgang der Cartuja von Paular. Sie wurden bei der Exclaustration in das Nationalmuseum von S. Trinidad zu Madrid geschleppt; einige der besten waren auch nach dessen Auf- lösung noch in der oberen Galerie des „ministerio del fomento“ zu sehen. Für diese Arbeit erhielt er in vier jährlichen Quoten (1628—32) sechstausend Dukaten. Ausser den Kreidezeichnungen auf blauem Papier, mit Weiss gehöht, hat er auch Farbenskizzen dazu gemacht. In der schottischen Nationalgalerie sieht man unter dem Namen des Velazquez den „Traum des Pabstes“, ein

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/243>, abgerufen am 22.11.2024.