geistreiches Bildchen, das mehr von ihm verspricht, als die aus- geführten Gemälde halten. Die reichen rothen Tinten des Vorder- grundes mit dem päpstlichen Zelte, die tiefgesättigte reizende Landschaft dahinter -- alles von einem Silberschimmer durch- woben -- geben ein Ganzes, das jene Benennung entschuldbar macht.
Liest man Carducho's Buch, so erwartet man ein Werk, vielleicht von strengem Stil, vielleicht in flotter Manier, etwas wie Le Sueur, mit dem nicht bloss Sir W. Stirling, sondern selbst Fran- zosen die Gemälde von Paular zu deren Vortheil verglichen ha- ben! Das Gegentheil ist der Fall. Der spanische Geschmack war selbst einem so systematischen Kopf wie Vicencio zu mächtig. Die Composition zeigt allerdings viel Kunst, die weissen Kutten der hohen Mönchsgestalten sind trefflich durchstudirt. Aber das am meisten bemerkenswerthe an diesen Bildern ist gerade das, was er in der Theorie herabsetzt: die episch-farbige Fülle der Erzählung und der Nebendinge; der Reichthum der Scenerie in luftiger Architektur, weiten, reichstaffirten, castilischen Ve- duten, Kloster- und Bauerntypen, die gemüthlichen, schwärme- rischen, grässlichen Motive der Mönchslegende. Der verdammte Raymund ist eine Scene von Hofmann'scher Grausigkeit.
Carducho hatte, um den spanischen Klosterstil loszubekommen, eine Reise nach Valencia gemacht, wo er von Ribalta's Werken gehört hatte, und eine zweite Reise nach Granada, wo der Kar- thäuser Juan Sanchez Cotan (+ 1627), einst Genosse von Paular, dieselben Geschichten in dem heiligen Hause vor dem Thore von Elvira gemalt hatte. Der Italiener hat die Bilder des ganz in der Geschichte seines Ordens lebenden Frayle stark benutzt; ja der toscanische Stolz verstand sich dazu, die frommen Phantasiege- bilde des Mönchsmalers geradezu zu kopiren. Jedem, der S. Trinidad besucht, werden zwei "minnigliche" Madonnengestalten auffallen, Erscheinungen, mit denen der h. Bruno, das zweitemal in der Sterbestunde, begnadigt wurde. Sie haben nichts von spanischer Frauenart; aber Sir W. Stirling meint, "wenige Ca- stilier hätten die zarte und sinnige Schönheit seiner heiligen Jung- frauen erreicht" (Annals I, 423). Nun, diese Madonnen sind nichts weiter als treue Kopien der devoten Schöpfungen jenes mystischen Fray Juan in Granada. Wieviel kälter, bühnenhafter ist Carducho's eigene Madonna in seinem besten Altarbild, der pomphaften, lichtdurchglühten Annunziata in der Encarnacion zu Madrid! wo er auf der Höhe seiner Farbenkunst steht.
Zweites Buch.
geistreiches Bildchen, das mehr von ihm verspricht, als die aus- geführten Gemälde halten. Die reichen rothen Tinten des Vorder- grundes mit dem päpstlichen Zelte, die tiefgesättigte reizende Landschaft dahinter — alles von einem Silberschimmer durch- woben — geben ein Ganzes, das jene Benennung entschuldbar macht.
Liest man Carducho’s Buch, so erwartet man ein Werk, vielleicht von strengem Stil, vielleicht in flotter Manier, etwas wie Le Sueur, mit dem nicht bloss Sir W. Stirling, sondern selbst Fran- zosen die Gemälde von Paular zu deren Vortheil verglichen ha- ben! Das Gegentheil ist der Fall. Der spanische Geschmack war selbst einem so systematischen Kopf wie Vicencio zu mächtig. Die Composition zeigt allerdings viel Kunst, die weissen Kutten der hohen Mönchsgestalten sind trefflich durchstudirt. Aber das am meisten bemerkenswerthe an diesen Bildern ist gerade das, was er in der Theorie herabsetzt: die episch-farbige Fülle der Erzählung und der Nebendinge; der Reichthum der Scenerie in luftiger Architektur, weiten, reichstaffirten, castilischen Ve- duten, Kloster- und Bauerntypen, die gemüthlichen, schwärme- rischen, grässlichen Motive der Mönchslegende. Der verdammte Raymund ist eine Scene von Hofmann’scher Grausigkeit.
Carducho hatte, um den spanischen Klosterstil loszubekommen, eine Reise nach Valencia gemacht, wo er von Ribalta’s Werken gehört hatte, und eine zweite Reise nach Granada, wo der Kar- thäuser Juan Sanchez Cotan († 1627), einst Genosse von Paular, dieselben Geschichten in dem heiligen Hause vor dem Thore von Elvira gemalt hatte. Der Italiener hat die Bilder des ganz in der Geschichte seines Ordens lebenden Frayle stark benutzt; ja der toscanische Stolz verstand sich dazu, die frommen Phantasiege- bilde des Mönchsmalers geradezu zu kopiren. Jedem, der S. Trinidad besucht, werden zwei „minnigliche“ Madonnengestalten auffallen, Erscheinungen, mit denen der h. Bruno, das zweitemal in der Sterbestunde, begnadigt wurde. Sie haben nichts von spanischer Frauenart; aber Sir W. Stirling meint, „wenige Ca- stilier hätten die zarte und sinnige Schönheit seiner heiligen Jung- frauen erreicht“ (Annals I, 423). Nun, diese Madonnen sind nichts weiter als treue Kopien der devoten Schöpfungen jenes mystischen Fray Juan in Granada. Wieviel kälter, bühnenhafter ist Carducho’s eigene Madonna in seinem besten Altarbild, der pomphaften, lichtdurchglühten Annunziata in der Encarnacion zu Madrid! wo er auf der Höhe seiner Farbenkunst steht.
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Zweites Buch.
geistreiches Bildchen, das mehr von ihm verspricht, als die aus-
geführten Gemälde halten. Die reichen rothen Tinten des Vorder-
grundes mit dem päpstlichen Zelte, die tiefgesättigte reizende
Landschaft dahinter — alles von einem Silberschimmer durch-
woben — geben ein Ganzes, das jene Benennung entschuldbar
macht.
Liest man Carducho’s Buch, so erwartet man ein Werk,
vielleicht von strengem Stil, vielleicht in flotter Manier, etwas wie
Le Sueur, mit dem nicht bloss Sir W. Stirling, sondern selbst Fran-
zosen die Gemälde von Paular zu deren Vortheil verglichen ha-
ben! Das Gegentheil ist der Fall. Der spanische Geschmack war
selbst einem so systematischen Kopf wie Vicencio zu mächtig.
Die Composition zeigt allerdings viel Kunst, die weissen Kutten
der hohen Mönchsgestalten sind trefflich durchstudirt. Aber das
am meisten bemerkenswerthe an diesen Bildern ist gerade das,
was er in der Theorie herabsetzt: die episch-farbige Fülle der
Erzählung und der Nebendinge; der Reichthum der Scenerie
in luftiger Architektur, weiten, reichstaffirten, castilischen Ve-
duten, Kloster- und Bauerntypen, die gemüthlichen, schwärme-
rischen, grässlichen Motive der Mönchslegende. Der verdammte
Raymund ist eine Scene von Hofmann’scher Grausigkeit.
Carducho hatte, um den spanischen Klosterstil loszubekommen,
eine Reise nach Valencia gemacht, wo er von Ribalta’s Werken
gehört hatte, und eine zweite Reise nach Granada, wo der Kar-
thäuser Juan Sanchez Cotan († 1627), einst Genosse von Paular,
dieselben Geschichten in dem heiligen Hause vor dem Thore von
Elvira gemalt hatte. Der Italiener hat die Bilder des ganz in der
Geschichte seines Ordens lebenden Frayle stark benutzt; ja der
toscanische Stolz verstand sich dazu, die frommen Phantasiege-
bilde des Mönchsmalers geradezu zu kopiren. Jedem, der S.
Trinidad besucht, werden zwei „minnigliche“ Madonnengestalten
auffallen, Erscheinungen, mit denen der h. Bruno, das zweitemal
in der Sterbestunde, begnadigt wurde. Sie haben nichts von
spanischer Frauenart; aber Sir W. Stirling meint, „wenige Ca-
stilier hätten die zarte und sinnige Schönheit seiner heiligen Jung-
frauen erreicht“ (Annals I, 423). Nun, diese Madonnen sind
nichts weiter als treue Kopien der devoten Schöpfungen jenes
mystischen Fray Juan in Granada. Wieviel kälter, bühnenhafter
ist Carducho’s eigene Madonna in seinem besten Altarbild, der
pomphaften, lichtdurchglühten Annunziata in der Encarnacion zu
Madrid! wo er auf der Höhe seiner Farbenkunst steht.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/244>, abgerufen am 22.11.2024.
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