Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

IX. Abschn. Widerlegung
Arabien, Palästina, Syrien, Assyrien, Persien und
andere angränzende Länder.

Daß in der Bibel dergleichen Ausdrücke gar nicht
ungewöhnlich sind, daß man von der ganzen Welt re-
det, und doch nur ein mäßiger Theil derselben gemey-
net wird, das siehet man aus vielen Stellen, inson-
derheit auch in dem neuen Testamente. Z. E. bey
der Geburth Christi wird gesaget: Es sey ein Befehl
von dem Kaiser Augusto ausgegangen, daß alle Welt
geschätzet würde. Es war aber sehr weit gefehlet,
daß sich damahls die römische Oberherrschaft über die
ganze Welt erstrecket hätte. Ohngeachtet das römi-
sche Reich zu den Zeiten Augusts in dem Zeitpuncte
seiner höchsten Blüthe und Größe stand; so besaßen
doch die Römer damahls nicht den zehnten Theil von
Africa, nicht den fünften Theil von Asien, nicht die
Hälfte von Europa, und von dem damahls unbekann-
ten America gar nichts. Diese römische Welt be-
trug also nur einen sehr mäßigen Theil von der gan-
zen Welt.

Vermuthlich ist die Sündfluth, deren in der Bi-
bel gedacht wird, nur eine große Ueberschwemmung
gewesen, die sich von Egypten an über Arabien, Sy-
rien, Assyrien bis nach Persien erstrecket hat; und
wahrscheinlich ist es eben diejenige gewesen, wodurch
Sicilien von Jtalien losgerissen worden. Jndessen
könnte sie auch diejenige seyn, welche andere Völker
des Erdbodens die Sündfluth Deukalions genennet ha-
ben. Alsdenn aber müßte man in der Zeitrechnung
der Juden verschiedene Fehler annehmen, und von

ihrem

IX. Abſchn. Widerlegung
Arabien, Palaͤſtina, Syrien, Aſſyrien, Perſien und
andere angraͤnzende Laͤnder.

Daß in der Bibel dergleichen Ausdruͤcke gar nicht
ungewoͤhnlich ſind, daß man von der ganzen Welt re-
det, und doch nur ein maͤßiger Theil derſelben gemey-
net wird, das ſiehet man aus vielen Stellen, inſon-
derheit auch in dem neuen Teſtamente. Z. E. bey
der Geburth Chriſti wird geſaget: Es ſey ein Befehl
von dem Kaiſer Auguſto ausgegangen, daß alle Welt
geſchaͤtzet wuͤrde. Es war aber ſehr weit gefehlet,
daß ſich damahls die roͤmiſche Oberherrſchaft uͤber die
ganze Welt erſtrecket haͤtte. Ohngeachtet das roͤmi-
ſche Reich zu den Zeiten Auguſts in dem Zeitpuncte
ſeiner hoͤchſten Bluͤthe und Groͤße ſtand; ſo beſaßen
doch die Roͤmer damahls nicht den zehnten Theil von
Africa, nicht den fuͤnften Theil von Aſien, nicht die
Haͤlfte von Europa, und von dem damahls unbekann-
ten America gar nichts. Dieſe roͤmiſche Welt be-
trug alſo nur einen ſehr maͤßigen Theil von der gan-
zen Welt.

Vermuthlich iſt die Suͤndfluth, deren in der Bi-
bel gedacht wird, nur eine große Ueberſchwemmung
geweſen, die ſich von Egypten an uͤber Arabien, Sy-
rien, Aſſyrien bis nach Perſien erſtrecket hat; und
wahrſcheinlich iſt es eben diejenige geweſen, wodurch
Sicilien von Jtalien losgeriſſen worden. Jndeſſen
koͤnnte ſie auch diejenige ſeyn, welche andere Voͤlker
des Erdbodens die Suͤndfluth Deukalions genennet ha-
ben. Alsdenn aber muͤßte man in der Zeitrechnung
der Juden verſchiedene Fehler annehmen, und von

ihrem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0316" n="288"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IX.</hi> Ab&#x017F;chn. Widerlegung</hi></fw><lb/>
Arabien, Pala&#x0364;&#x017F;tina, Syrien, A&#x017F;&#x017F;yrien, Per&#x017F;ien und<lb/>
andere angra&#x0364;nzende La&#x0364;nder.</p><lb/>
          <p>Daß in der Bibel dergleichen Ausdru&#x0364;cke gar nicht<lb/>
ungewo&#x0364;hnlich &#x017F;ind, daß man von der ganzen Welt re-<lb/>
det, und doch nur ein ma&#x0364;ßiger Theil der&#x017F;elben gemey-<lb/>
net wird, das &#x017F;iehet man aus vielen Stellen, in&#x017F;on-<lb/>
derheit auch in dem neuen Te&#x017F;tamente. Z. E. bey<lb/>
der Geburth Chri&#x017F;ti wird ge&#x017F;aget: Es &#x017F;ey ein Befehl<lb/>
von dem Kai&#x017F;er <hi rendition="#fr">Augu&#x017F;to</hi> ausgegangen, daß alle Welt<lb/>
ge&#x017F;cha&#x0364;tzet wu&#x0364;rde. Es war aber &#x017F;ehr weit gefehlet,<lb/>
daß &#x017F;ich damahls die ro&#x0364;mi&#x017F;che Oberherr&#x017F;chaft u&#x0364;ber die<lb/>
ganze Welt er&#x017F;trecket ha&#x0364;tte. Ohngeachtet das ro&#x0364;mi-<lb/>
&#x017F;che Reich zu den Zeiten <hi rendition="#fr">Augu&#x017F;ts</hi> in dem Zeitpuncte<lb/>
&#x017F;einer ho&#x0364;ch&#x017F;ten Blu&#x0364;the und Gro&#x0364;ße &#x017F;tand; &#x017F;o be&#x017F;aßen<lb/>
doch die Ro&#x0364;mer damahls nicht den zehnten Theil von<lb/>
Africa, nicht den fu&#x0364;nften Theil von A&#x017F;ien, nicht die<lb/>
Ha&#x0364;lfte von Europa, und von dem damahls unbekann-<lb/>
ten America gar nichts. Die&#x017F;e ro&#x0364;mi&#x017F;che Welt be-<lb/>
trug al&#x017F;o nur einen &#x017F;ehr ma&#x0364;ßigen Theil von der gan-<lb/>
zen Welt.</p><lb/>
          <p>Vermuthlich i&#x017F;t die Su&#x0364;ndfluth, deren in der Bi-<lb/>
bel gedacht wird, nur eine große Ueber&#x017F;chwemmung<lb/>
gewe&#x017F;en, die &#x017F;ich von Egypten an u&#x0364;ber Arabien, Sy-<lb/>
rien, A&#x017F;&#x017F;yrien bis nach Per&#x017F;ien er&#x017F;trecket hat; und<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich i&#x017F;t es eben diejenige gewe&#x017F;en, wodurch<lb/>
Sicilien von Jtalien losgeri&#x017F;&#x017F;en worden. Jnde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ko&#x0364;nnte &#x017F;ie auch diejenige &#x017F;eyn, welche andere Vo&#x0364;lker<lb/>
des Erdbodens die Su&#x0364;ndfluth Deukalions genennet ha-<lb/>
ben. Alsdenn aber mu&#x0364;ßte man in der Zeitrechnung<lb/>
der Juden ver&#x017F;chiedene Fehler annehmen, und von<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihrem</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[288/0316] IX. Abſchn. Widerlegung Arabien, Palaͤſtina, Syrien, Aſſyrien, Perſien und andere angraͤnzende Laͤnder. Daß in der Bibel dergleichen Ausdruͤcke gar nicht ungewoͤhnlich ſind, daß man von der ganzen Welt re- det, und doch nur ein maͤßiger Theil derſelben gemey- net wird, das ſiehet man aus vielen Stellen, inſon- derheit auch in dem neuen Teſtamente. Z. E. bey der Geburth Chriſti wird geſaget: Es ſey ein Befehl von dem Kaiſer Auguſto ausgegangen, daß alle Welt geſchaͤtzet wuͤrde. Es war aber ſehr weit gefehlet, daß ſich damahls die roͤmiſche Oberherrſchaft uͤber die ganze Welt erſtrecket haͤtte. Ohngeachtet das roͤmi- ſche Reich zu den Zeiten Auguſts in dem Zeitpuncte ſeiner hoͤchſten Bluͤthe und Groͤße ſtand; ſo beſaßen doch die Roͤmer damahls nicht den zehnten Theil von Africa, nicht den fuͤnften Theil von Aſien, nicht die Haͤlfte von Europa, und von dem damahls unbekann- ten America gar nichts. Dieſe roͤmiſche Welt be- trug alſo nur einen ſehr maͤßigen Theil von der gan- zen Welt. Vermuthlich iſt die Suͤndfluth, deren in der Bi- bel gedacht wird, nur eine große Ueberſchwemmung geweſen, die ſich von Egypten an uͤber Arabien, Sy- rien, Aſſyrien bis nach Perſien erſtrecket hat; und wahrſcheinlich iſt es eben diejenige geweſen, wodurch Sicilien von Jtalien losgeriſſen worden. Jndeſſen koͤnnte ſie auch diejenige ſeyn, welche andere Voͤlker des Erdbodens die Suͤndfluth Deukalions genennet ha- ben. Alsdenn aber muͤßte man in der Zeitrechnung der Juden verſchiedene Fehler annehmen, und von ihrem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/316
Zitationshilfe: Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/316>, abgerufen am 09.05.2024.