sich darüber, und beantwortet sie hernach. Die Verhandlungen dieses Tages werden zu Papier gebracht, und diese Protokolle theilt man dann den auswärtigen Mitgliedern und Freunden der Brüdergemeinde mit.
Das Jubiläum machte die gegenwärtige Versammlung be- sonders merkwürdig: die beiden Bischöffe Reichel und Riß- ler, die noch viele Jahre mit Zinzendorf gearbeitet, und Asien, Afrika und Amerika im Dienst des Herrn bereist hatten, waren gegenwärtig. Der Erste, als der eigentliche Stifter der Anstalt, und der Prediger Baumeister aus Herrenhut, eröffneten die Sitzung mit kurzen und salbungs- vollen Reden. Solche Männer muß man gehört haben, wenn man über religiöse Beredtsamkeit ein Urtheil fällen will.
Des Mittags wird die ganze Gesellschaft im Gemeindegasthaus von der Gemeinde an[s]tändig, mäßig, aber bis zur Sättigung bewirthet, und des folgenden Morgens reisen dann die Herren alle wieder ab.
Dieß war nun auch unser Fall, wir reisten über Kleinwelke, Ponnewitz, Königsbrück und Hermsdorf nach Dres- den, weil wir von gedachten Orten her von den Standesherr- schaften sehr liebevoll waren eingeladen worden. Wir blieben an jedem Ort über Nacht, und kamen den vierten Juni, Vormit- tags um 9 Uhr, in Dresden an. Hier blieben wir diesen Tag, besuchten unsere Freunde, und setzten dann des folgenden Mor- gens unsern Weg fort. In Wurzen und Leipzig wurde ich durch Staar- und Augenpatienten aufgehalten; eben so auch in Erfurt und Kassel; hier erfuhr ich nun zu meiner Verwun- derung, daß der Kurfürst von Baden meinen Schwiegersohn Schwarz zum Professor der Theologie nach Heidelberg berufen, und daß er den Beruf angenommen habe. Dazu hatte ich nun nicht das Geringste beigetragen: denn ich hatte mirs zum unverbrüchlichen Gesetz gemacht, meinen Einfluß, den ich in meinem gegenwärtigen Verhältniß auf den Kurfürsten haben konnte, nie zu irgend einer Empfehlung, und am wenigsten meiner Kinder und Verwandten zu benutzen; indessen war es mir noch unendlich wichtig und anbetungswürdig, daß die gütige Vorse-
ſich daruͤber, und beantwortet ſie hernach. Die Verhandlungen dieſes Tages werden zu Papier gebracht, und dieſe Protokolle theilt man dann den auswaͤrtigen Mitgliedern und Freunden der Bruͤdergemeinde mit.
Das Jubilaͤum machte die gegenwaͤrtige Verſammlung be- ſonders merkwuͤrdig: die beiden Biſchoͤffe Reichel und Riß- ler, die noch viele Jahre mit Zinzendorf gearbeitet, und Aſien, Afrika und Amerika im Dienſt des Herrn bereist hatten, waren gegenwaͤrtig. Der Erſte, als der eigentliche Stifter der Anſtalt, und der Prediger Baumeiſter aus Herrenhut, eroͤffneten die Sitzung mit kurzen und ſalbungs- vollen Reden. Solche Maͤnner muß man gehoͤrt haben, wenn man uͤber religioͤſe Beredtſamkeit ein Urtheil faͤllen will.
Des Mittags wird die ganze Geſellſchaft im Gemeindegaſthaus von der Gemeinde an[ſ]taͤndig, maͤßig, aber bis zur Saͤttigung bewirthet, und des folgenden Morgens reiſen dann die Herren alle wieder ab.
Dieß war nun auch unſer Fall, wir reisten uͤber Kleinwelke, Ponnewitz, Koͤnigsbruͤck und Hermsdorf nach Dres- den, weil wir von gedachten Orten her von den Standesherr- ſchaften ſehr liebevoll waren eingeladen worden. Wir blieben an jedem Ort uͤber Nacht, und kamen den vierten Juni, Vormit- tags um 9 Uhr, in Dresden an. Hier blieben wir dieſen Tag, beſuchten unſere Freunde, und ſetzten dann des folgenden Mor- gens unſern Weg fort. In Wurzen und Leipzig wurde ich durch Staar- und Augenpatienten aufgehalten; eben ſo auch in Erfurt und Kaſſel; hier erfuhr ich nun zu meiner Verwun- derung, daß der Kurfuͤrſt von Baden meinen Schwiegerſohn Schwarz zum Profeſſor der Theologie nach Heidelberg berufen, und daß er den Beruf angenommen habe. Dazu hatte ich nun nicht das Geringſte beigetragen: denn ich hatte mirs zum unverbruͤchlichen Geſetz gemacht, meinen Einfluß, den ich in meinem gegenwaͤrtigen Verhaͤltniß auf den Kurfuͤrſten haben konnte, nie zu irgend einer Empfehlung, und am wenigſten meiner Kinder und Verwandten zu benutzen; indeſſen war es mir noch unendlich wichtig und anbetungswuͤrdig, daß die guͤtige Vorſe-
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ſich daruͤber, und beantwortet ſie hernach. Die Verhandlungen
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theilt man dann den auswaͤrtigen Mitgliedern und Freunden der
Bruͤdergemeinde mit.
Das Jubilaͤum machte die gegenwaͤrtige Verſammlung be-
ſonders merkwuͤrdig: die beiden Biſchoͤffe Reichel und Riß-
ler, die noch viele Jahre mit Zinzendorf gearbeitet, und
Aſien, Afrika und Amerika im Dienſt des Herrn bereist
hatten, waren gegenwaͤrtig. Der Erſte, als der eigentliche
Stifter der Anſtalt, und der Prediger Baumeiſter aus
Herrenhut, eroͤffneten die Sitzung mit kurzen und ſalbungs-
vollen Reden. Solche Maͤnner muß man gehoͤrt haben, wenn
man uͤber religioͤſe Beredtſamkeit ein Urtheil faͤllen will.
Des Mittags wird die ganze Geſellſchaft im Gemeindegaſthaus
von der Gemeinde anſtaͤndig, maͤßig, aber bis zur Saͤttigung
bewirthet, und des folgenden Morgens reiſen dann die Herren
alle wieder ab.
Dieß war nun auch unſer Fall, wir reisten uͤber Kleinwelke,
Ponnewitz, Koͤnigsbruͤck und Hermsdorf nach Dres-
den, weil wir von gedachten Orten her von den Standesherr-
ſchaften ſehr liebevoll waren eingeladen worden. Wir blieben an
jedem Ort uͤber Nacht, und kamen den vierten Juni, Vormit-
tags um 9 Uhr, in Dresden an. Hier blieben wir dieſen Tag,
beſuchten unſere Freunde, und ſetzten dann des folgenden Mor-
gens unſern Weg fort. In Wurzen und Leipzig wurde ich
durch Staar- und Augenpatienten aufgehalten; eben ſo auch in
Erfurt und Kaſſel; hier erfuhr ich nun zu meiner Verwun-
derung, daß der Kurfuͤrſt von Baden meinen Schwiegerſohn
Schwarz zum Profeſſor der Theologie nach Heidelberg
berufen, und daß er den Beruf angenommen habe. Dazu hatte
ich nun nicht das Geringſte beigetragen: denn ich hatte mirs zum
unverbruͤchlichen Geſetz gemacht, meinen Einfluß, den ich in
meinem gegenwaͤrtigen Verhaͤltniß auf den Kurfuͤrſten haben
konnte, nie zu irgend einer Empfehlung, und am wenigſten meiner
Kinder und Verwandten zu benutzen; indeſſen war es mir noch
unendlich wichtig und anbetungswuͤrdig, daß die guͤtige Vorſe-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 625. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/633>, abgerufen am 24.11.2024.
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