beigelegt wurde, Seine Durchlaucht möchte doch der Universität das Censurrescript wieder abnehmen, er allein wolle sich ihm unterwerfen, allein das half nicht, es blieb bei dem einmal gegebenen Gesetz.
Der Kurfürst hatte übrigens von jeher viele Gnade für Stil- ling, er wird Ihm noch in der Ewigkeit dafür danken, und seine ehrfurchtsvolle Liebe gegen diesen in so mancher Absicht großen Fürsten wird nie erlöschen.
In diesen Osterferien kam es wieder zu einer wichtigen und merkwürdigen Reise: In Herrnhut in der Oberlausitz und den dortigen Gegenden waren viele Blinde und Augenkranke, die Stillings Hülfe verlangten, sein treuer und lieber Corre- spondent Erxleben schrieb ihm also: er möchte kommen, für die Erstattung der Reisekosten sey gesorgt. Stilling und Elise rüsteten sich also wiederum zu dieser großen Reise: denn Herrnhut ist von Marburg neun und fünfzig deutsche Meilen entfernt.
Freitags den 25. März reisten sie von Marburg ab; wegen der bösen Wege in Thüringen, beschlossen sie, über Eisenach zu gehen. Hier sahe Stilling seinen vieljährigen Freund, den Kammerdirektor von Göchhausen, zum Erstenmal, dieser edle Mann war krank, indessen es besserte sich bald wieder mit ihm. Unterwegs hielten sie sich nirgends auf: sie fuhren über Gotha, Erfurt, Weimar, Naumburg, Weißenfels, Leipzig, Wurzen -- wo sie mit ihrem christlichen Freund, dem Gerichtsdirector Richter, welcher nebst seiner Tochter Auguste mit Stilling in einem erbaulichen Briefwechsel steht, ein paar Stunden sehr angenehm zubrachten -- und Meis- sen nach Dresden; hier übernachteten sie im goldnen Engel, und fanden auch hier ihren Freund von Cuningham kränk- lich; Stilling machte noch diesen Abend einen Besuch bei dem verehrungswürdigen Minister von Burgsdorf, und wurde wie ein christlicher Freund empfangen.
Freitags den ersten April reisten sie nun in die Lausitz, sie kamen am Nachmittag schon zu Kleinwelke, einem schönen Herrnhutergemeinort, an; sie fanden ihren Freund, den Prediger Nietschke, in tiefer Trauer, er hatte seine treffliche Gattin
beigelegt wurde, Seine Durchlaucht moͤchte doch der Univerſitaͤt das Cenſurreſcript wieder abnehmen, er allein wolle ſich ihm unterwerfen, allein das half nicht, es blieb bei dem einmal gegebenen Geſetz.
Der Kurfuͤrſt hatte uͤbrigens von jeher viele Gnade fuͤr Stil- ling, er wird Ihm noch in der Ewigkeit dafuͤr danken, und ſeine ehrfurchtsvolle Liebe gegen dieſen in ſo mancher Abſicht großen Fuͤrſten wird nie erloͤſchen.
In dieſen Oſterferien kam es wieder zu einer wichtigen und merkwuͤrdigen Reiſe: In Herrnhut in der Oberlauſitz und den dortigen Gegenden waren viele Blinde und Augenkranke, die Stillings Huͤlfe verlangten, ſein treuer und lieber Corre- ſpondent Erxleben ſchrieb ihm alſo: er moͤchte kommen, fuͤr die Erſtattung der Reiſekoſten ſey geſorgt. Stilling und Eliſe ruͤſteten ſich alſo wiederum zu dieſer großen Reiſe: denn Herrnhut iſt von Marburg neun und fuͤnfzig deutſche Meilen entfernt.
Freitags den 25. Maͤrz reisten ſie von Marburg ab; wegen der boͤſen Wege in Thuͤringen, beſchloſſen ſie, uͤber Eiſenach zu gehen. Hier ſahe Stilling ſeinen vieljaͤhrigen Freund, den Kammerdirektor von Goͤchhauſen, zum Erſtenmal, dieſer edle Mann war krank, indeſſen es beſſerte ſich bald wieder mit ihm. Unterwegs hielten ſie ſich nirgends auf: ſie fuhren uͤber Gotha, Erfurt, Weimar, Naumburg, Weißenfels, Leipzig, Wurzen — wo ſie mit ihrem chriſtlichen Freund, dem Gerichtsdirector Richter, welcher nebſt ſeiner Tochter Auguſte mit Stilling in einem erbaulichen Briefwechſel ſteht, ein paar Stunden ſehr angenehm zubrachten — und Meiſ- ſen nach Dresden; hier uͤbernachteten ſie im goldnen Engel, und fanden auch hier ihren Freund von Cuningham kraͤnk- lich; Stilling machte noch dieſen Abend einen Beſuch bei dem verehrungswuͤrdigen Miniſter von Burgsdorf, und wurde wie ein chriſtlicher Freund empfangen.
Freitags den erſten April reisten ſie nun in die Lauſitz, ſie kamen am Nachmittag ſchon zu Kleinwelke, einem ſchoͤnen Herrnhutergemeinort, an; ſie fanden ihren Freund, den Prediger Nietſchke, in tiefer Trauer, er hatte ſeine treffliche Gattin
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beigelegt wurde, Seine Durchlaucht moͤchte doch der Univerſitaͤt
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unterwerfen, allein das half nicht, es blieb bei dem einmal
gegebenen Geſetz.
Der Kurfuͤrſt hatte uͤbrigens von jeher viele Gnade fuͤr Stil-
ling, er wird Ihm noch in der Ewigkeit dafuͤr danken, und
ſeine ehrfurchtsvolle Liebe gegen dieſen in ſo mancher Abſicht
großen Fuͤrſten wird nie erloͤſchen.
In dieſen Oſterferien kam es wieder zu einer wichtigen und
merkwuͤrdigen Reiſe: In Herrnhut in der Oberlauſitz
und den dortigen Gegenden waren viele Blinde und Augenkranke,
die Stillings Huͤlfe verlangten, ſein treuer und lieber Corre-
ſpondent Erxleben ſchrieb ihm alſo: er moͤchte kommen, fuͤr
die Erſtattung der Reiſekoſten ſey geſorgt. Stilling und
Eliſe ruͤſteten ſich alſo wiederum zu dieſer großen Reiſe: denn
Herrnhut iſt von Marburg neun und fuͤnfzig deutſche
Meilen entfernt.
Freitags den 25. Maͤrz reisten ſie von Marburg ab; wegen
der boͤſen Wege in Thuͤringen, beſchloſſen ſie, uͤber Eiſenach
zu gehen. Hier ſahe Stilling ſeinen vieljaͤhrigen Freund, den
Kammerdirektor von Goͤchhauſen, zum Erſtenmal, dieſer
edle Mann war krank, indeſſen es beſſerte ſich bald wieder mit
ihm. Unterwegs hielten ſie ſich nirgends auf: ſie fuhren uͤber
Gotha, Erfurt, Weimar, Naumburg, Weißenfels,
Leipzig, Wurzen — wo ſie mit ihrem chriſtlichen Freund,
dem Gerichtsdirector Richter, welcher nebſt ſeiner Tochter
Auguſte mit Stilling in einem erbaulichen Briefwechſel
ſteht, ein paar Stunden ſehr angenehm zubrachten — und Meiſ-
ſen nach Dresden; hier uͤbernachteten ſie im goldnen Engel,
und fanden auch hier ihren Freund von Cuningham kraͤnk-
lich; Stilling machte noch dieſen Abend einen Beſuch bei
dem verehrungswuͤrdigen Miniſter von Burgsdorf, und wurde
wie ein chriſtlicher Freund empfangen.
Freitags den erſten April reisten ſie nun in die Lauſitz, ſie
kamen am Nachmittag ſchon zu Kleinwelke, einem ſchoͤnen
Herrnhutergemeinort, an; ſie fanden ihren Freund, den Prediger
Nietſchke, in tiefer Trauer, er hatte ſeine treffliche Gattin
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/580>, abgerufen am 22.11.2024.
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