Hanau machen; Elise konnte ihn dießmal nicht begleiten. Stilling operirte wieder verschiedene Blinde an allen drei Orten. In Hanan hatte er seinen drei bis viertägigen Auf- enthalt bei dem Regierungsrath Rieß, einem Bruder des Marburger Freundes: er und seine Gattin gehören unter Stillings und Elisens vertrauteste Freunde.
Eine neue Bekanntschaft, die ihn vorzüglich interessirte, machte er dießmal in der Frankfurter Messe mit dem be- rühmten Kaufmann Wirsching aus Nürnberg; dieser alte, ehrwürdige Greis war jetzt noch einmal gleichsam zum Ver- gnügen mit seinen Kindern zur Messe gereist, und es war ihm eine große Freude, daß er Stilling da fand, dessen Lebensgeschichte und übrige Schriften er mit Beifall und Nutzen gelesen hatte. Wirsching war ein armer Waisenknabe ge- wesen, dem seine Eltern nichts hinterlassen hatten; durch Fleiß, untadelhafte Frömmigkeit, Vertrauen auf Gott, durch sein vor- zügliches Handlungs-Genie und große Reisen hatte er sich ein großes Vermögen erworben, und er zeigte mit Preis und Dank gegen seinen himmlischen Führer, seinem Freunde Stil- ling die zwei großen Waarenlager, die nun jetzt sein Eigen- thum waren, und aus lauter sogenannten Nürnberger-Waaren bestanden. Wirsching machte durch seine Demuth, Beschei- denheit und gründliche Kenntniß im Christenthum tiefen Ein- druck auf Stilling, und Beide schlossen sich brüderlich an einander an. Nach vollendeten Geschäften reiste Stilling wieder nach Marburg.
Lavater war durch den Schuß nicht unmittelbar tödtlich verwundet worden, aber doch auch so, daß die Wunde mit der Zeit tödtlich werden mußte. Sein Leiden setzte alle seine Freunde in innige tiefe Rührung; zärtliches Mitleiden trieb sie zu gemeinschaftlichem Gebet für ihren Freund an, und brachte sie sich untereinander näher. Stilling correspondirte seinetwegen, und über ihn, mit Passavant in Frankfurt, dem reformirten Prediger Achelis in Göttingen, und dann kam noch eine gewisse Julie hinzu. Dieß fromme, christliche und durch viele schwere Leiden geübte Frauenzimmer war be- sonders durch Lavaters Schriften tief und innig gerührt
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Hanau machen; Eliſe konnte ihn dießmal nicht begleiten. Stilling operirte wieder verſchiedene Blinde an allen drei Orten. In Hanan hatte er ſeinen drei bis viertaͤgigen Auf- enthalt bei dem Regierungsrath Rieß, einem Bruder des Marburger Freundes: er und ſeine Gattin gehoͤren unter Stillings und Eliſens vertrauteſte Freunde.
Eine neue Bekanntſchaft, die ihn vorzuͤglich intereſſirte, machte er dießmal in der Frankfurter Meſſe mit dem be- ruͤhmten Kaufmann Wirſching aus Nuͤrnberg; dieſer alte, ehrwuͤrdige Greis war jetzt noch einmal gleichſam zum Ver- gnuͤgen mit ſeinen Kindern zur Meſſe gereist, und es war ihm eine große Freude, daß er Stilling da fand, deſſen Lebensgeſchichte und uͤbrige Schriften er mit Beifall und Nutzen geleſen hatte. Wirſching war ein armer Waiſenknabe ge- weſen, dem ſeine Eltern nichts hinterlaſſen hatten; durch Fleiß, untadelhafte Froͤmmigkeit, Vertrauen auf Gott, durch ſein vor- zuͤgliches Handlungs-Genie und große Reiſen hatte er ſich ein großes Vermoͤgen erworben, und er zeigte mit Preis und Dank gegen ſeinen himmliſchen Fuͤhrer, ſeinem Freunde Stil- ling die zwei großen Waarenlager, die nun jetzt ſein Eigen- thum waren, und aus lauter ſogenannten Nuͤrnberger-Waaren beſtanden. Wirſching machte durch ſeine Demuth, Beſchei- denheit und gruͤndliche Kenntniß im Chriſtenthum tiefen Ein- druck auf Stilling, und Beide ſchloſſen ſich bruͤderlich an einander an. Nach vollendeten Geſchaͤften reiste Stilling wieder nach Marburg.
Lavater war durch den Schuß nicht unmittelbar toͤdtlich verwundet worden, aber doch auch ſo, daß die Wunde mit der Zeit toͤdtlich werden mußte. Sein Leiden ſetzte alle ſeine Freunde in innige tiefe Ruͤhrung; zaͤrtliches Mitleiden trieb ſie zu gemeinſchaftlichem Gebet fuͤr ihren Freund an, und brachte ſie ſich untereinander naͤher. Stilling correſpondirte ſeinetwegen, und uͤber ihn, mit Paſſavant in Frankfurt, dem reformirten Prediger Achelis in Goͤttingen, und dann kam noch eine gewiſſe Julie hinzu. Dieß fromme, chriſtliche und durch viele ſchwere Leiden geuͤbte Frauenzimmer war be- ſonders durch Lavaters Schriften tief und innig geruͤhrt
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Hanau machen; Eliſe konnte ihn dießmal nicht begleiten.
Stilling operirte wieder verſchiedene Blinde an allen drei
Orten. In Hanan hatte er ſeinen drei bis viertaͤgigen Auf-
enthalt bei dem Regierungsrath Rieß, einem Bruder des
Marburger Freundes: er und ſeine Gattin gehoͤren unter
Stillings und Eliſens vertrauteſte Freunde.
Eine neue Bekanntſchaft, die ihn vorzuͤglich intereſſirte,
machte er dießmal in der Frankfurter Meſſe mit dem be-
ruͤhmten Kaufmann Wirſching aus Nuͤrnberg; dieſer alte,
ehrwuͤrdige Greis war jetzt noch einmal gleichſam zum Ver-
gnuͤgen mit ſeinen Kindern zur Meſſe gereist, und es war
ihm eine große Freude, daß er Stilling da fand, deſſen
Lebensgeſchichte und uͤbrige Schriften er mit Beifall und Nutzen
geleſen hatte. Wirſching war ein armer Waiſenknabe ge-
weſen, dem ſeine Eltern nichts hinterlaſſen hatten; durch Fleiß,
untadelhafte Froͤmmigkeit, Vertrauen auf Gott, durch ſein vor-
zuͤgliches Handlungs-Genie und große Reiſen hatte er ſich ein
großes Vermoͤgen erworben, und er zeigte mit Preis und
Dank gegen ſeinen himmliſchen Fuͤhrer, ſeinem Freunde Stil-
ling die zwei großen Waarenlager, die nun jetzt ſein Eigen-
thum waren, und aus lauter ſogenannten Nuͤrnberger-Waaren
beſtanden. Wirſching machte durch ſeine Demuth, Beſchei-
denheit und gruͤndliche Kenntniß im Chriſtenthum tiefen Ein-
druck auf Stilling, und Beide ſchloſſen ſich bruͤderlich an
einander an. Nach vollendeten Geſchaͤften reiste Stilling
wieder nach Marburg.
Lavater war durch den Schuß nicht unmittelbar toͤdtlich
verwundet worden, aber doch auch ſo, daß die Wunde mit
der Zeit toͤdtlich werden mußte. Sein Leiden ſetzte alle ſeine
Freunde in innige tiefe Ruͤhrung; zaͤrtliches Mitleiden trieb
ſie zu gemeinſchaftlichem Gebet fuͤr ihren Freund an, und
brachte ſie ſich untereinander naͤher. Stilling correſpondirte
ſeinetwegen, und uͤber ihn, mit Paſſavant in Frankfurt,
dem reformirten Prediger Achelis in Goͤttingen, und dann
kam noch eine gewiſſe Julie hinzu. Dieß fromme, chriſtliche
und durch viele ſchwere Leiden geuͤbte Frauenzimmer war be-
ſonders durch Lavaters Schriften tief und innig geruͤhrt
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/527>, abgerufen am 25.11.2024.
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