nere Ueberzeugung, daß auch die Staatswirthschft sein wah- rer Beruf nicht sey, brachte eben die Wirkung in seinem Ge- müth hervor, wie ehemals die Entdeckung in Elberfeld, die ausübende Arzneikunde sey seine Bestimmung nicht, ihn drückte eine bis in das Innerste der Seele dringende Wehmuth, eine unaussprechliche Zerschmolzenheit des Herzens und Geisteszer- knirschung; alles Lob und aller Beifall der Fürsten, der größten und berühmtesten Männer, machte ihm zwar einen Augenblick Freude, aber dann empfand er tief, daß ihn ja das Alles nicht anginge, sondern daß alles Lob nur Dem gebühre, der ihm solche Talente anvertraut habe; so ist seine Gemüthsstel- lung noch, und so wird sie auch bleiben.
Es ist merkwürdig, daß gerade in diesem Zeitpunkt drei ganz von einander unabhängige Stimmen Stillings akademi- sches Lehramt nicht mehr für seinen eigentlichen Beruf erklärten.
Die erste war eine innere Ueberzeugung, die während der Zeit, in welcher er am Heimweh schrieb, in ihm entstanden war, und von welcher er keinen Grund anzugeben wußte. Der Grundtrieb, den er von Kind auf so stark empfunden hatte, ein wirksames Werkzeug zum Besten der Religion in der Hand des Herrn zu werden, und der auch immer die wir- kende Ursache von seinen religiösen Nebenbeschäftungen war, stand jetzt in größerer Klarheit vor seinen Augen als jemals, und erfüllte ihn mit Sehnsucht, von allem Irdischen losge- macht zu werden, um dem Herrn und seinem Reich ganz al- lein und aus allen Kräften dienen zu können.
Die zweite Stimme, die das Nämliche sagte, sprach aus allen Briefen, die aus den entferntesten und nächsten Gegen- den einliefen: die größten und kleinsten Männer, die Vor- nehmsten und die Geringsten forderten ihn auf, sich dem Dienst des Herrn und der Religion ausschließlich und ganz zu widmen, und daß er ja nicht aufhören möchte, in diesem Fach zu arbeiten.
Die dritte Stimme endlich war, daß um eben diese Zeit ein akademischer Orden und der Revolutionsgeist in Mar- burg unter den Studirenden herrschend waren, wodurch ihr ganzes Wesen mit solchen Grundsätzen und Gesinnungen an- gefüllt wurde, die den Lehren, welche Stilling vortrug, schnur-
nere Ueberzeugung, daß auch die Staatswirthſchft ſein wah- rer Beruf nicht ſey, brachte eben die Wirkung in ſeinem Ge- muͤth hervor, wie ehemals die Entdeckung in Elberfeld, die ausuͤbende Arzneikunde ſey ſeine Beſtimmung nicht, ihn druͤckte eine bis in das Innerſte der Seele dringende Wehmuth, eine unausſprechliche Zerſchmolzenheit des Herzens und Geiſteszer- knirſchung; alles Lob und aller Beifall der Fuͤrſten, der groͤßten und beruͤhmteſten Maͤnner, machte ihm zwar einen Augenblick Freude, aber dann empfand er tief, daß ihn ja das Alles nicht anginge, ſondern daß alles Lob nur Dem gebuͤhre, der ihm ſolche Talente anvertraut habe; ſo iſt ſeine Gemuͤthsſtel- lung noch, und ſo wird ſie auch bleiben.
Es iſt merkwuͤrdig, daß gerade in dieſem Zeitpunkt drei ganz von einander unabhaͤngige Stimmen Stillings akademi- ſches Lehramt nicht mehr fuͤr ſeinen eigentlichen Beruf erklaͤrten.
Die erſte war eine innere Ueberzeugung, die waͤhrend der Zeit, in welcher er am Heimweh ſchrieb, in ihm entſtanden war, und von welcher er keinen Grund anzugeben wußte. Der Grundtrieb, den er von Kind auf ſo ſtark empfunden hatte, ein wirkſames Werkzeug zum Beſten der Religion in der Hand des Herrn zu werden, und der auch immer die wir- kende Urſache von ſeinen religioͤſen Nebenbeſchaͤftungen war, ſtand jetzt in groͤßerer Klarheit vor ſeinen Augen als jemals, und erfuͤllte ihn mit Sehnſucht, von allem Irdiſchen losge- macht zu werden, um dem Herrn und ſeinem Reich ganz al- lein und aus allen Kraͤften dienen zu koͤnnen.
Die zweite Stimme, die das Naͤmliche ſagte, ſprach aus allen Briefen, die aus den entfernteſten und naͤchſten Gegen- den einliefen: die groͤßten und kleinſten Maͤnner, die Vor- nehmſten und die Geringſten forderten ihn auf, ſich dem Dienſt des Herrn und der Religion ausſchließlich und ganz zu widmen, und daß er ja nicht aufhoͤren moͤchte, in dieſem Fach zu arbeiten.
Die dritte Stimme endlich war, daß um eben dieſe Zeit ein akademiſcher Orden und der Revolutionsgeiſt in Mar- burg unter den Studirenden herrſchend waren, wodurch ihr ganzes Weſen mit ſolchen Grundſaͤtzen und Geſinnungen an- gefuͤllt wurde, die den Lehren, welche Stilling vortrug, ſchnur-
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nere Ueberzeugung, daß auch die Staatswirthſchft ſein wah-
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ausuͤbende Arzneikunde ſey ſeine Beſtimmung nicht, ihn druͤckte
eine bis in das Innerſte der Seele dringende Wehmuth, eine
unausſprechliche Zerſchmolzenheit des Herzens und Geiſteszer-
knirſchung; alles Lob und aller Beifall der Fuͤrſten, der groͤßten
und beruͤhmteſten Maͤnner, machte ihm zwar einen Augenblick
Freude, aber dann empfand er tief, daß ihn ja das Alles
nicht anginge, ſondern daß alles Lob nur Dem gebuͤhre, der
ihm ſolche Talente anvertraut habe; ſo iſt ſeine Gemuͤthsſtel-
lung noch, und ſo wird ſie auch bleiben.
Es iſt merkwuͤrdig, daß gerade in dieſem Zeitpunkt drei
ganz von einander unabhaͤngige Stimmen Stillings akademi-
ſches Lehramt nicht mehr fuͤr ſeinen eigentlichen Beruf erklaͤrten.
Die erſte war eine innere Ueberzeugung, die waͤhrend der
Zeit, in welcher er am Heimweh ſchrieb, in ihm entſtanden
war, und von welcher er keinen Grund anzugeben wußte.
Der Grundtrieb, den er von Kind auf ſo ſtark empfunden
hatte, ein wirkſames Werkzeug zum Beſten der Religion in
der Hand des Herrn zu werden, und der auch immer die wir-
kende Urſache von ſeinen religioͤſen Nebenbeſchaͤftungen war,
ſtand jetzt in groͤßerer Klarheit vor ſeinen Augen als jemals,
und erfuͤllte ihn mit Sehnſucht, von allem Irdiſchen losge-
macht zu werden, um dem Herrn und ſeinem Reich ganz al-
lein und aus allen Kraͤften dienen zu koͤnnen.
Die zweite Stimme, die das Naͤmliche ſagte, ſprach aus
allen Briefen, die aus den entfernteſten und naͤchſten Gegen-
den einliefen: die groͤßten und kleinſten Maͤnner, die Vor-
nehmſten und die Geringſten forderten ihn auf, ſich dem Dienſt
des Herrn und der Religion ausſchließlich und ganz zu widmen,
und daß er ja nicht aufhoͤren moͤchte, in dieſem Fach zu arbeiten.
Die dritte Stimme endlich war, daß um eben dieſe Zeit
ein akademiſcher Orden und der Revolutionsgeiſt in Mar-
burg unter den Studirenden herrſchend waren, wodurch ihr
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gefuͤllt wurde, die den Lehren, welche Stilling vortrug, ſchnur-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/494>, abgerufen am 25.11.2024.
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