terstützt hatte, mit gerichtlicher Einklage bedroht. Stilling mußte also alle Augenblick gegenwärtig seyn, daß sein Wohl- thäter, sein Schwiegervater, um seinetwillen in einen Konkurs gerieth. Dieser Gedanke war Mord und Tod für ihn, und nun in allen diesen schrecklichen Umständen nicht der geringste Wink zur Hülfe, nicht eine Ahnung von ferne.
Schrecklich! schrecklich war diese Lage, und wem konnte er sie klagen? Niemand als Gott -- das that er aber auch unaufhörlich; er kämpfte ohne Unterlaß mit Unglauben und Mißtrauen, und warf sein Vertrauen nie weg. Alle seine Briefe an seinen Schwiegervater waren voll Uebergebung an die Vorsehung und tröstend, allein sie hafteten und halfen nicht mehr. Herr Rath Eisenhart selbst, der Etwas von seiner Lage wußte, machte vergebliche Versuche; Stilling schrieb Romane, den Florentin von Fahlendorn und die Theodore von der Linden, und suchte mit den Ho- norarien den Strom zu dämmen; allein das war wie ein Tropfen im Eimer. Er schrieb an verschiedene große und berühmte Freunde, und entdeckte ihnen seine Lage, allein Ei- nige konnten ihm nicht helfen, Andere faßten einen Widerwil- len gegen ihn, wieder Andere ermahnten ihn zum Ausharren, und noch ein Paar unterstützten ihn mit einem Tropfen Küh- lung auf seine lechzende Zunge.
Alles, alles war also vergebens, und von Schönenthal herauf blitzte und donnerte es unaufhörlich.
Während dieser schrecklichen Zeit rüstete sich der Allmäch- tige zum Gerichte über Stilling, um endlich sein Schick- sal zu entscheiden.
Den 17. August 1781, an einem sehr schwülen gewitter- vollen Tage, hatte Christine der Magd einen sehr schwe- ren Korb auf den Kopf gehoben, sie fühlte dabei einen Knack in der Brust, und bald darauf einen stechenden Schmerz mit Frost und Fieber. So wie Stilling aus den Kollegio kam und in ihr Zimmer trat, schritt sie ihm mit Todesblässe und einer Armen-Sündermiene entgegen, und sagte: "Zürne nicht, lieber Mann; ich habe einen Korb gehoben, und mir in der
terſtuͤtzt hatte, mit gerichtlicher Einklage bedroht. Stilling mußte alſo alle Augenblick gegenwaͤrtig ſeyn, daß ſein Wohl- thaͤter, ſein Schwiegervater, um ſeinetwillen in einen Konkurs gerieth. Dieſer Gedanke war Mord und Tod fuͤr ihn, und nun in allen dieſen ſchrecklichen Umſtaͤnden nicht der geringſte Wink zur Huͤlfe, nicht eine Ahnung von ferne.
Schrecklich! ſchrecklich war dieſe Lage, und wem konnte er ſie klagen? Niemand als Gott — das that er aber auch unaufhoͤrlich; er kaͤmpfte ohne Unterlaß mit Unglauben und Mißtrauen, und warf ſein Vertrauen nie weg. Alle ſeine Briefe an ſeinen Schwiegervater waren voll Uebergebung an die Vorſehung und troͤſtend, allein ſie hafteten und halfen nicht mehr. Herr Rath Eiſenhart ſelbſt, der Etwas von ſeiner Lage wußte, machte vergebliche Verſuche; Stilling ſchrieb Romane, den Florentin von Fahlendorn und die Theodore von der Linden, und ſuchte mit den Ho- norarien den Strom zu daͤmmen; allein das war wie ein Tropfen im Eimer. Er ſchrieb an verſchiedene große und beruͤhmte Freunde, und entdeckte ihnen ſeine Lage, allein Ei- nige konnten ihm nicht helfen, Andere faßten einen Widerwil- len gegen ihn, wieder Andere ermahnten ihn zum Ausharren, und noch ein Paar unterſtuͤtzten ihn mit einem Tropfen Kuͤh- lung auf ſeine lechzende Zunge.
Alles, alles war alſo vergebens, und von Schoͤnenthal herauf blitzte und donnerte es unaufhoͤrlich.
Waͤhrend dieſer ſchrecklichen Zeit ruͤſtete ſich der Allmaͤch- tige zum Gerichte uͤber Stilling, um endlich ſein Schick- ſal zu entſcheiden.
Den 17. Auguſt 1781, an einem ſehr ſchwuͤlen gewitter- vollen Tage, hatte Chriſtine der Magd einen ſehr ſchwe- ren Korb auf den Kopf gehoben, ſie fuͤhlte dabei einen Knack in der Bruſt, und bald darauf einen ſtechenden Schmerz mit Froſt und Fieber. So wie Stilling aus den Kollegio kam und in ihr Zimmer trat, ſchritt ſie ihm mit Todesblaͤſſe und einer Armen-Suͤndermiene entgegen, und ſagte: „Zuͤrne nicht, lieber Mann; ich habe einen Korb gehoben, und mir in der
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terſtuͤtzt hatte, mit gerichtlicher Einklage bedroht. Stilling
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gerieth. Dieſer Gedanke war Mord und Tod fuͤr ihn, und
nun in allen dieſen ſchrecklichen Umſtaͤnden nicht der geringſte
Wink zur Huͤlfe, nicht eine Ahnung von ferne.
Schrecklich! ſchrecklich war dieſe Lage, und wem konnte
er ſie klagen? Niemand als Gott — das that er aber auch
unaufhoͤrlich; er kaͤmpfte ohne Unterlaß mit Unglauben und
Mißtrauen, und warf ſein Vertrauen nie weg. Alle ſeine
Briefe an ſeinen Schwiegervater waren voll Uebergebung an
die Vorſehung und troͤſtend, allein ſie hafteten und halfen
nicht mehr. Herr Rath Eiſenhart ſelbſt, der Etwas von
ſeiner Lage wußte, machte vergebliche Verſuche; Stilling
ſchrieb Romane, den Florentin von Fahlendorn und
die Theodore von der Linden, und ſuchte mit den Ho-
norarien den Strom zu daͤmmen; allein das war wie ein
Tropfen im Eimer. Er ſchrieb an verſchiedene große und
beruͤhmte Freunde, und entdeckte ihnen ſeine Lage, allein Ei-
nige konnten ihm nicht helfen, Andere faßten einen Widerwil-
len gegen ihn, wieder Andere ermahnten ihn zum Ausharren,
und noch ein Paar unterſtuͤtzten ihn mit einem Tropfen Kuͤh-
lung auf ſeine lechzende Zunge.
Alles, alles war alſo vergebens, und von Schoͤnenthal
herauf blitzte und donnerte es unaufhoͤrlich.
Waͤhrend dieſer ſchrecklichen Zeit ruͤſtete ſich der Allmaͤch-
tige zum Gerichte uͤber Stilling, um endlich ſein Schick-
ſal zu entſcheiden.
Den 17. Auguſt 1781, an einem ſehr ſchwuͤlen gewitter-
vollen Tage, hatte Chriſtine der Magd einen ſehr ſchwe-
ren Korb auf den Kopf gehoben, ſie fuͤhlte dabei einen Knack
in der Bruſt, und bald darauf einen ſtechenden Schmerz mit
Froſt und Fieber. So wie Stilling aus den Kollegio kam
und in ihr Zimmer trat, ſchritt ſie ihm mit Todesblaͤſſe und
einer Armen-Suͤndermiene entgegen, und ſagte: „Zuͤrne nicht,
lieber Mann; ich habe einen Korb gehoben, und mir in der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/392>, abgerufen am 23.11.2024.
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