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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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Seiten den Segen von Gott zu diesem wichtigen Vorhaben
zu erbitten.

Stilling setzte nun bei Herrn Spanier seine Bedienung noch
immer fort, deßgleichen seine gewöhnlichen Gänge nach Rasen-
heim
und Schönenthal. Ein Vierteljahr vor Michaelis
kündigte er Herrn Spanier sein Vorhaben höflich und freund-
schaftlich an, und bat ihn, ihm doch diesen Schritt nicht zu ver-
übeln, indem es endlich im dreißigsten Jahr seines Alters einmal
Zeit sey, für sich selber zu sorgen. Herr Spanier antwor-
tete zu allem dem nicht Ein Wort, sondern schwieg ganz still;
aber von dem an war sein Herz von Stilling ganz abgekehrt,
so daß ihm das letzte viertel Jahr noch ziemlich sauer wurde,
nicht daß ihm Jemand etwas in den Weg legte, sondern weil
die Freundschaft und das Zutrauen ganz hin war.

Vier Wochen vor der Frankfurter Herbstmesse nahm also
Stilling von seinem bisherigen lieben Patron und dem ganzen
Hause Abschied. Herr Spanier weinte blutige Thränen, aber
er sagte kein Wort, weder Gutes noch Böses. Stilling
weinte auch; und so verließ er seine letzte Schule oder Infor-
mations-Bedienung, und zog nach Rasenheim zu seinen Freun-
den, nachdem er sieben ganze schöne Jahre an Einem Ort ruhig
verlebt hatte.

Herr Spanier hatte seine wahre Absicht mit Stilling
nie entdeckt. So wie sein Plan war, nur dem Titel nach
Doktor zu werden, ohne hinlängliche Kenntnisse zu haben, das
war Stillingen unmöglich einzugehen; und entdeckte Spa-
nier
den Rest seiner Gedanken nicht ganz, so konnte es ja
Stilling auch nicht wissen, und noch vielweniger sich darauf
verlassen. Ueber das alles führte ihn die Vorsehung gleichsam
mit Macht und Kraft, ohne sein Mitwirken, so daß er fol-
gen mußte, wenn er auch etwas Anders für sich beschlossen
gehabt hätte. Was aber noch das Schlimmste für Stillingen
war: er hatte nie einen bestimmten Jahrlohn mit Herrn Spa-
nier
gemacht; dieser rechtschaffene Mann gab ihm reichlich,
was er bedurfte. Nun hatte er sich aber schon Bücher und andere
Nothwendigkeiten angeschafft, so daß er, wenn er alles rech-
nete, ein Ziemliches jährlich empfangen hatte, deßwegen gab

Seiten den Segen von Gott zu dieſem wichtigen Vorhaben
zu erbitten.

Stilling ſetzte nun bei Herrn Spanier ſeine Bedienung noch
immer fort, deßgleichen ſeine gewoͤhnlichen Gaͤnge nach Raſen-
heim
und Schoͤnenthal. Ein Vierteljahr vor Michaelis
kuͤndigte er Herrn Spanier ſein Vorhaben hoͤflich und freund-
ſchaftlich an, und bat ihn, ihm doch dieſen Schritt nicht zu ver-
uͤbeln, indem es endlich im dreißigſten Jahr ſeines Alters einmal
Zeit ſey, fuͤr ſich ſelber zu ſorgen. Herr Spanier antwor-
tete zu allem dem nicht Ein Wort, ſondern ſchwieg ganz ſtill;
aber von dem an war ſein Herz von Stilling ganz abgekehrt,
ſo daß ihm das letzte viertel Jahr noch ziemlich ſauer wurde,
nicht daß ihm Jemand etwas in den Weg legte, ſondern weil
die Freundſchaft und das Zutrauen ganz hin war.

Vier Wochen vor der Frankfurter Herbſtmeſſe nahm alſo
Stilling von ſeinem bisherigen lieben Patron und dem ganzen
Hauſe Abſchied. Herr Spanier weinte blutige Thraͤnen, aber
er ſagte kein Wort, weder Gutes noch Boͤſes. Stilling
weinte auch; und ſo verließ er ſeine letzte Schule oder Infor-
mations-Bedienung, und zog nach Raſenheim zu ſeinen Freun-
den, nachdem er ſieben ganze ſchoͤne Jahre an Einem Ort ruhig
verlebt hatte.

Herr Spanier hatte ſeine wahre Abſicht mit Stilling
nie entdeckt. So wie ſein Plan war, nur dem Titel nach
Doktor zu werden, ohne hinlaͤngliche Kenntniſſe zu haben, das
war Stillingen unmoͤglich einzugehen; und entdeckte Spa-
nier
den Reſt ſeiner Gedanken nicht ganz, ſo konnte es ja
Stilling auch nicht wiſſen, und noch vielweniger ſich darauf
verlaſſen. Ueber das alles fuͤhrte ihn die Vorſehung gleichſam
mit Macht und Kraft, ohne ſein Mitwirken, ſo daß er fol-
gen mußte, wenn er auch etwas Anders fuͤr ſich beſchloſſen
gehabt haͤtte. Was aber noch das Schlimmſte fuͤr Stillingen
war: er hatte nie einen beſtimmten Jahrlohn mit Herrn Spa-
nier
gemacht; dieſer rechtſchaffene Mann gab ihm reichlich,
was er bedurfte. Nun hatte er ſich aber ſchon Buͤcher und andere
Nothwendigkeiten angeſchafft, ſo daß er, wenn er alles rech-
nete, ein Ziemliches jaͤhrlich empfangen hatte, deßwegen gab

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[263/0271] Seiten den Segen von Gott zu dieſem wichtigen Vorhaben zu erbitten. Stilling ſetzte nun bei Herrn Spanier ſeine Bedienung noch immer fort, deßgleichen ſeine gewoͤhnlichen Gaͤnge nach Raſen- heim und Schoͤnenthal. Ein Vierteljahr vor Michaelis kuͤndigte er Herrn Spanier ſein Vorhaben hoͤflich und freund- ſchaftlich an, und bat ihn, ihm doch dieſen Schritt nicht zu ver- uͤbeln, indem es endlich im dreißigſten Jahr ſeines Alters einmal Zeit ſey, fuͤr ſich ſelber zu ſorgen. Herr Spanier antwor- tete zu allem dem nicht Ein Wort, ſondern ſchwieg ganz ſtill; aber von dem an war ſein Herz von Stilling ganz abgekehrt, ſo daß ihm das letzte viertel Jahr noch ziemlich ſauer wurde, nicht daß ihm Jemand etwas in den Weg legte, ſondern weil die Freundſchaft und das Zutrauen ganz hin war. Vier Wochen vor der Frankfurter Herbſtmeſſe nahm alſo Stilling von ſeinem bisherigen lieben Patron und dem ganzen Hauſe Abſchied. Herr Spanier weinte blutige Thraͤnen, aber er ſagte kein Wort, weder Gutes noch Boͤſes. Stilling weinte auch; und ſo verließ er ſeine letzte Schule oder Infor- mations-Bedienung, und zog nach Raſenheim zu ſeinen Freun- den, nachdem er ſieben ganze ſchoͤne Jahre an Einem Ort ruhig verlebt hatte. Herr Spanier hatte ſeine wahre Abſicht mit Stilling nie entdeckt. So wie ſein Plan war, nur dem Titel nach Doktor zu werden, ohne hinlaͤngliche Kenntniſſe zu haben, das war Stillingen unmoͤglich einzugehen; und entdeckte Spa- nier den Reſt ſeiner Gedanken nicht ganz, ſo konnte es ja Stilling auch nicht wiſſen, und noch vielweniger ſich darauf verlaſſen. Ueber das alles fuͤhrte ihn die Vorſehung gleichſam mit Macht und Kraft, ohne ſein Mitwirken, ſo daß er fol- gen mußte, wenn er auch etwas Anders fuͤr ſich beſchloſſen gehabt haͤtte. Was aber noch das Schlimmſte fuͤr Stillingen war: er hatte nie einen beſtimmten Jahrlohn mit Herrn Spa- nier gemacht; dieſer rechtſchaffene Mann gab ihm reichlich, was er bedurfte. Nun hatte er ſich aber ſchon Buͤcher und andere Nothwendigkeiten angeſchafft, ſo daß er, wenn er alles rech- nete, ein Ziemliches jaͤhrlich empfangen hatte, deßwegen gab

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/271>, abgerufen am 25.11.2024.