hinaus, und sagte nichts mehr. Alsbald rief mir meine Mut- ter: Komm Christine! lege Dich ein wenig zu mir, Du bist gewiß des Sitzens müde. Ich ging zu ihr, und legte mich neben sie. Hör'! fing sie an: Hat Gevatter Stilling Neigung zu Dir? Ich sagte rund aus: Ja! das hat er. Sie fuhr fort: Ihr seyd doch noch nicht versprochen? Ja, Mut- ter! antwortete ich: Wir sind auch versprochen; und nun mußte ich weinen. Gott im Himmel! sagte meine Mutter: Wie ist das zugegangen? ihr seyd ja nicht zusammen gewesen! Nun erzählte ich ihr umständlich Alles, wie es ergangen ist, und sagte ihr die klare Wahrheit. Sie erstaunte darüber, und sagte: Du thust einen harten Angang. Stilling muß noch erst studiren, eh ihr beisammen leben könnt, wie willst Du das aushalten? Du bist ohnehin schwächlichen Gemüths und Leibes. Ich ant- wortete: ich will mich schicken, so gut ich kann! der Herr wird mir bestehen! ich muß diesen heirathen; und wenn ihr Eltern mir es verbietet, so will ich euch darin gehorchen, aber einen Andern werde ich nie nehmen. Das wird keine Noth haben, versetzte meine Mutter. Sobald nun meine Eltern wieder allein in der Kammer waren, und ich in der Stube, so erzählte sie meinem Vater Alles, eben so, wie ich's ihr erzählt hatte. Er schwieg lange; endlich fing er an: Das ist mir eine unbeschreib- liche Sache: ich kann nichts dazu sagen. So steht die Sache noch, mein Vater hat mir kein Wort gesagt, weder Gutes noch Böses. Nun ist es aber unsere Pflicht, daß wir noch diesen Abend unsere Eltern fragen, und ihre völlige Einwilligung er- halten. So eben, wie Du die Treppe herauf gingst, sagte mein Vater zu mir: Geh mit Stilling in die andere Stube allein, du sollst wohl mit ihm zu reden haben.
Stillingen hüpfte das Herz vor Freuden. Er fühlte nun gar wohl, daß seine Sachen einen erwünschten Ausschlag neh- men würden. Er unterredete sich noch ein Stündchen mit seiner Geliebten; sie verbanden sich noch einmal, mit ineinander ge- schlossenen Armen, zu einer ewigen Treue, und zu einem recht- schaffenen Wandel vor Gott und Menschen.
Des Abends nach dem Essen, als alles im Hause schlief, saßen nur noch Herr und Frau Friedenberg nebst Chri-
hinaus, und ſagte nichts mehr. Alsbald rief mir meine Mut- ter: Komm Chriſtine! lege Dich ein wenig zu mir, Du biſt gewiß des Sitzens muͤde. Ich ging zu ihr, und legte mich neben ſie. Hoͤr’! fing ſie an: Hat Gevatter Stilling Neigung zu Dir? Ich ſagte rund aus: Ja! das hat er. Sie fuhr fort: Ihr ſeyd doch noch nicht verſprochen? Ja, Mut- ter! antwortete ich: Wir ſind auch verſprochen; und nun mußte ich weinen. Gott im Himmel! ſagte meine Mutter: Wie iſt das zugegangen? ihr ſeyd ja nicht zuſammen geweſen! Nun erzaͤhlte ich ihr umſtaͤndlich Alles, wie es ergangen iſt, und ſagte ihr die klare Wahrheit. Sie erſtaunte daruͤber, und ſagte: Du thuſt einen harten Angang. Stilling muß noch erſt ſtudiren, eh ihr beiſammen leben koͤnnt, wie willſt Du das aushalten? Du biſt ohnehin ſchwaͤchlichen Gemuͤths und Leibes. Ich ant- wortete: ich will mich ſchicken, ſo gut ich kann! der Herr wird mir beſtehen! ich muß dieſen heirathen; und wenn ihr Eltern mir es verbietet, ſo will ich euch darin gehorchen, aber einen Andern werde ich nie nehmen. Das wird keine Noth haben, verſetzte meine Mutter. Sobald nun meine Eltern wieder allein in der Kammer waren, und ich in der Stube, ſo erzaͤhlte ſie meinem Vater Alles, eben ſo, wie ich’s ihr erzaͤhlt hatte. Er ſchwieg lange; endlich fing er an: Das iſt mir eine unbeſchreib- liche Sache: ich kann nichts dazu ſagen. So ſteht die Sache noch, mein Vater hat mir kein Wort geſagt, weder Gutes noch Boͤſes. Nun iſt es aber unſere Pflicht, daß wir noch dieſen Abend unſere Eltern fragen, und ihre voͤllige Einwilligung er- halten. So eben, wie Du die Treppe herauf gingſt, ſagte mein Vater zu mir: Geh mit Stilling in die andere Stube allein, du ſollſt wohl mit ihm zu reden haben.
Stillingen huͤpfte das Herz vor Freuden. Er fuͤhlte nun gar wohl, daß ſeine Sachen einen erwuͤnſchten Ausſchlag neh- men wuͤrden. Er unterredete ſich noch ein Stuͤndchen mit ſeiner Geliebten; ſie verbanden ſich noch einmal, mit ineinander ge- ſchloſſenen Armen, zu einer ewigen Treue, und zu einem recht- ſchaffenen Wandel vor Gott und Menſchen.
Des Abends nach dem Eſſen, als alles im Hauſe ſchlief, ſaßen nur noch Herr und Frau Friedenberg nebſt Chri-
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hinaus, und ſagte nichts mehr. Alsbald rief mir meine Mut-
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biſt gewiß des Sitzens muͤde. Ich ging zu ihr, und legte
mich neben ſie. Hoͤr’! fing ſie an: Hat Gevatter Stilling
Neigung zu Dir? Ich ſagte rund aus: Ja! das hat er. Sie
fuhr fort: Ihr ſeyd doch noch nicht verſprochen? Ja, Mut-
ter! antwortete ich: Wir ſind auch verſprochen; und nun mußte
ich weinen. Gott im Himmel! ſagte meine Mutter: Wie iſt
das zugegangen? ihr ſeyd ja nicht zuſammen geweſen! Nun
erzaͤhlte ich ihr umſtaͤndlich Alles, wie es ergangen iſt, und ſagte
ihr die klare Wahrheit. Sie erſtaunte daruͤber, und ſagte: Du
thuſt einen harten Angang. Stilling muß noch erſt ſtudiren,
eh ihr beiſammen leben koͤnnt, wie willſt Du das aushalten?
Du biſt ohnehin ſchwaͤchlichen Gemuͤths und Leibes. Ich ant-
wortete: ich will mich ſchicken, ſo gut ich kann! der Herr wird
mir beſtehen! ich muß dieſen heirathen; und wenn ihr Eltern
mir es verbietet, ſo will ich euch darin gehorchen, aber einen
Andern werde ich nie nehmen. Das wird keine Noth haben,
verſetzte meine Mutter. Sobald nun meine Eltern wieder allein
in der Kammer waren, und ich in der Stube, ſo erzaͤhlte ſie
meinem Vater Alles, eben ſo, wie ich’s ihr erzaͤhlt hatte. Er
ſchwieg lange; endlich fing er an: Das iſt mir eine unbeſchreib-
liche Sache: ich kann nichts dazu ſagen. So ſteht die Sache
noch, mein Vater hat mir kein Wort geſagt, weder Gutes noch
Boͤſes. Nun iſt es aber unſere Pflicht, daß wir noch dieſen
Abend unſere Eltern fragen, und ihre voͤllige Einwilligung er-
halten. So eben, wie Du die Treppe herauf gingſt, ſagte mein
Vater zu mir: Geh mit Stilling in die andere Stube allein,
du ſollſt wohl mit ihm zu reden haben.
Stillingen huͤpfte das Herz vor Freuden. Er fuͤhlte nun
gar wohl, daß ſeine Sachen einen erwuͤnſchten Ausſchlag neh-
men wuͤrden. Er unterredete ſich noch ein Stuͤndchen mit ſeiner
Geliebten; ſie verbanden ſich noch einmal, mit ineinander ge-
ſchloſſenen Armen, zu einer ewigen Treue, und zu einem recht-
ſchaffenen Wandel vor Gott und Menſchen.
Des Abends nach dem Eſſen, als alles im Hauſe ſchlief,
ſaßen nur noch Herr und Frau Friedenberg nebſt Chri-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/269>, abgerufen am 22.11.2024.
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