Stilling war also wiederum in seine betrübten Umstände versetzt, er nahm sehr traurig Abschied von seinen lieben Klee- feldern, ging aber nicht nach Haus, sondern zum Herrn Pastor Goldmann und klagte ihm seine Umstände. Dieser bedauerte ihn von Herzen und behielt ihn über Nacht bei sich. Des Abends hielten sie Rath zusammen, was Stilling nun wohl am füglichsten vorzunehmen hätte. Herr Gold- mann erkannte sehr wohl, daß er bei seinem Vater wenig Freude haben würde, und doch wußte er ihm auch kein an- deres Mittel an die Hand zu geben; endlich fiel ihm etwas ein, das sowohl dem Pastor, als auch Stilling angenehm und vortheilhaft vorkam.
Zehn Stunden von Salen liegt ein Städtchen, welches Rothhagen heißt, in demselben war der junge Herr Gold- mann, ein Sohn des Predigers, Richter. Noch zwei Stun- den weiter, zu Lahnburg, war Herr Schneeberg Hofpre- diger bei zwei hohen Prinzessinnen, und dieser war ein Vet- ter des Herrn Goldmann. Nun glaubte der ehrliche Mann, wenn er Stillingen mit Empfehlungsschreiben an beide Männer abschicken würde, so könnte es nicht fehlen, sie wür- den ihm unterhelfen. Stilling hoffte selbsten ganz gewiß, es würde alles nach Wunsch ausschlagen. Die Sache wurde also beschlossen, die Empfehlungsschreiben fertig gemacht, und Stilling reiste des andern Morgens getrost und freudig fort.
Das Wetter war diesen Tag sehr rauh und kalt, dabei war es wegen der kothigen Wege sehr übel zu reisen. Doch ging Stilling viel vergnügter seine Straße fort, als wenn er im schönsten Frühlingswetter nach Leindorf zu seinem Vater hätte gehen sollen. Er fühlte eine so tiefe Ruhe in seinem Gemüth und ein Wohlgefallen des Vaters der Menschen, daß er fröhlich fortwanderte, beständig Dank und feurige Seufzer zu Gott schickte, ob er gleich bis auf die Haut vom Regen durchnäßt war. Schwerlich würd's ihm so wohl gewesen seyn, wenn Meinhold Recht gehabt hätte.
Des Abends um sieben Uhr kam er müd und naß zu Rothhagen an. Er fragte nach dem Haus des Herrn Rich- ters Goldmann, und dies wurde ihm gewiesen, er ging hin-
Stilling war alſo wiederum in ſeine betruͤbten Umſtaͤnde verſetzt, er nahm ſehr traurig Abſchied von ſeinen lieben Klee- feldern, ging aber nicht nach Haus, ſondern zum Herrn Paſtor Goldmann und klagte ihm ſeine Umſtaͤnde. Dieſer bedauerte ihn von Herzen und behielt ihn uͤber Nacht bei ſich. Des Abends hielten ſie Rath zuſammen, was Stilling nun wohl am fuͤglichſten vorzunehmen haͤtte. Herr Gold- mann erkannte ſehr wohl, daß er bei ſeinem Vater wenig Freude haben wuͤrde, und doch wußte er ihm auch kein an- deres Mittel an die Hand zu geben; endlich fiel ihm etwas ein, das ſowohl dem Paſtor, als auch Stilling angenehm und vortheilhaft vorkam.
Zehn Stunden von Salen liegt ein Staͤdtchen, welches Rothhagen heißt, in demſelben war der junge Herr Gold- mann, ein Sohn des Predigers, Richter. Noch zwei Stun- den weiter, zu Lahnburg, war Herr Schneeberg Hofpre- diger bei zwei hohen Prinzeſſinnen, und dieſer war ein Vet- ter des Herrn Goldmann. Nun glaubte der ehrliche Mann, wenn er Stillingen mit Empfehlungsſchreiben an beide Maͤnner abſchicken wuͤrde, ſo koͤnnte es nicht fehlen, ſie wuͤr- den ihm unterhelfen. Stilling hoffte ſelbſten ganz gewiß, es wuͤrde alles nach Wunſch ausſchlagen. Die Sache wurde alſo beſchloſſen, die Empfehlungsſchreiben fertig gemacht, und Stilling reiste des andern Morgens getroſt und freudig fort.
Das Wetter war dieſen Tag ſehr rauh und kalt, dabei war es wegen der kothigen Wege ſehr uͤbel zu reiſen. Doch ging Stilling viel vergnuͤgter ſeine Straße fort, als wenn er im ſchoͤnſten Fruͤhlingswetter nach Leindorf zu ſeinem Vater haͤtte gehen ſollen. Er fuͤhlte eine ſo tiefe Ruhe in ſeinem Gemuͤth und ein Wohlgefallen des Vaters der Menſchen, daß er froͤhlich fortwanderte, beſtaͤndig Dank und feurige Seufzer zu Gott ſchickte, ob er gleich bis auf die Haut vom Regen durchnaͤßt war. Schwerlich wuͤrd’s ihm ſo wohl geweſen ſeyn, wenn Meinhold Recht gehabt haͤtte.
Des Abends um ſieben Uhr kam er muͤd und naß zu Rothhagen an. Er fragte nach dem Haus des Herrn Rich- ters Goldmann, und dies wurde ihm gewieſen, er ging hin-
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Stilling war alſo wiederum in ſeine betruͤbten Umſtaͤnde
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Paſtor Goldmann und klagte ihm ſeine Umſtaͤnde. Dieſer
bedauerte ihn von Herzen und behielt ihn uͤber Nacht bei ſich.
Des Abends hielten ſie Rath zuſammen, was Stilling
nun wohl am fuͤglichſten vorzunehmen haͤtte. Herr Gold-
mann erkannte ſehr wohl, daß er bei ſeinem Vater wenig
Freude haben wuͤrde, und doch wußte er ihm auch kein an-
deres Mittel an die Hand zu geben; endlich fiel ihm etwas
ein, das ſowohl dem Paſtor, als auch Stilling angenehm
und vortheilhaft vorkam.
Zehn Stunden von Salen liegt ein Staͤdtchen, welches
Rothhagen heißt, in demſelben war der junge Herr Gold-
mann, ein Sohn des Predigers, Richter. Noch zwei Stun-
den weiter, zu Lahnburg, war Herr Schneeberg Hofpre-
diger bei zwei hohen Prinzeſſinnen, und dieſer war ein Vet-
ter des Herrn Goldmann. Nun glaubte der ehrliche Mann,
wenn er Stillingen mit Empfehlungsſchreiben an beide
Maͤnner abſchicken wuͤrde, ſo koͤnnte es nicht fehlen, ſie wuͤr-
den ihm unterhelfen. Stilling hoffte ſelbſten ganz gewiß,
es wuͤrde alles nach Wunſch ausſchlagen. Die Sache wurde
alſo beſchloſſen, die Empfehlungsſchreiben fertig gemacht, und
Stilling reiste des andern Morgens getroſt und freudig fort.
Das Wetter war dieſen Tag ſehr rauh und kalt, dabei war
es wegen der kothigen Wege ſehr uͤbel zu reiſen. Doch ging
Stilling viel vergnuͤgter ſeine Straße fort, als wenn er im
ſchoͤnſten Fruͤhlingswetter nach Leindorf zu ſeinem Vater
haͤtte gehen ſollen. Er fuͤhlte eine ſo tiefe Ruhe in ſeinem
Gemuͤth und ein Wohlgefallen des Vaters der Menſchen, daß
er froͤhlich fortwanderte, beſtaͤndig Dank und feurige Seufzer
zu Gott ſchickte, ob er gleich bis auf die Haut vom Regen
durchnaͤßt war. Schwerlich wuͤrd’s ihm ſo wohl geweſen ſeyn,
wenn Meinhold Recht gehabt haͤtte.
Des Abends um ſieben Uhr kam er muͤd und naß zu
Rothhagen an. Er fragte nach dem Haus des Herrn Rich-
ters Goldmann, und dies wurde ihm gewieſen, er ging hin-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/175>, abgerufen am 24.11.2024.
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