ist, Gott aber sieht das Herz an. Ich kann nicht sagen, ob ich gelacht habe; ich weiß aber wohl, was profanatio sa- crorum ist, und hab's lang gewußt.
Nun befahl der Präsident, daß seine Gegner hereintreten sollten; sie kamen, und der Sekretär mußte ihnen das eben abgefaßte Protokoll vorlesen. Sie sahen sich an und schäm- ten sich.
Habt ihr noch was einzuwenden, fragte der Präsident. Sie sagten: Nein!
Nun dann, fuhr der ehrliche Mann fort, so hab' ich noch was einzuwenden: Dem Herrn Inspektor kommt's zu, einen Schulmeister zu bestätigen, wenn ihr einen erwählt habt. Meine Pflicht aber ist's, Acht zu haben, daß Ruhe und Ordnung erhalten werde; deßwegen befehl ich euch bei hundert Gulden Strafe, den vorigen Schulmeister nicht zu wählen, sondern einen ganz unparteyischen, damit die Gemeinde wieder ru- hig werde.
Der Inspektor erschrack, sah den Präsidenten an und sagte: "Auf die Wais werden die Lait nimmer zu Ruh kommä."
Herr Inspektor! erwiederte Jener, das gehört ins forum politicum und geht Sie nichts an.
Indessen ließ sich Rehkopf melden. Er wurde hereinge- lassen. Dieser begehrte das Protokoll zu sehen im Namen seiner Principalen. Der Sekretär mußte ihm das heutige vorlesen. Rehkopf sah Stilling an und fragte ihn, ob das recht wäre? Stilling antwortete: Man kann nicht immer thun, was recht ist, sondern man muß auch wohl zu- weilen die Augen zuthun und ergreifen, was man kann und nicht was man will; indessen dank' ich Euch tausendmal, rechtschaffener Freund! Gott wird's Euch vergelten! Rehkopf schwieg eine Weile, endlich fing er an und sagte: So protestir' ich im Namen meiner Principalen gegen die Wahl des vorigen Schulmeisters, und begehre, daß diese Protestation zu Proto- koll getragen werde. Gut! sagte der Präsident, das soll ge- schehen, ich hab' dasselbige auch schon vorhin bei hundert Gul- den Strafe verboten. Nun wurden sie alle zusammen nach Haus geschickt und die Sache geschlossen.
iſt, Gott aber ſieht das Herz an. Ich kann nicht ſagen, ob ich gelacht habe; ich weiß aber wohl, was profanatio sa- crorum iſt, und hab’s lang gewußt.
Nun befahl der Praͤſident, daß ſeine Gegner hereintreten ſollten; ſie kamen, und der Sekretaͤr mußte ihnen das eben abgefaßte Protokoll vorleſen. Sie ſahen ſich an und ſchaͤm- ten ſich.
Habt ihr noch was einzuwenden, fragte der Praͤſident. Sie ſagten: Nein!
Nun dann, fuhr der ehrliche Mann fort, ſo hab’ ich noch was einzuwenden: Dem Herrn Inſpektor kommt’s zu, einen Schulmeiſter zu beſtaͤtigen, wenn ihr einen erwaͤhlt habt. Meine Pflicht aber iſt’s, Acht zu haben, daß Ruhe und Ordnung erhalten werde; deßwegen befehl ich euch bei hundert Gulden Strafe, den vorigen Schulmeiſter nicht zu waͤhlen, ſondern einen ganz unparteyiſchen, damit die Gemeinde wieder ru- hig werde.
Der Inſpektor erſchrack, ſah den Praͤſidenten an und ſagte: „Auf die Wais werden die Lait nimmer zu Ruh kommaͤ.“
Herr Inſpektor! erwiederte Jener, das gehoͤrt ins forum politicum und geht Sie nichts an.
Indeſſen ließ ſich Rehkopf melden. Er wurde hereinge- laſſen. Dieſer begehrte das Protokoll zu ſehen im Namen ſeiner Principalen. Der Sekretaͤr mußte ihm das heutige vorleſen. Rehkopf ſah Stilling an und fragte ihn, ob das recht waͤre? Stilling antwortete: Man kann nicht immer thun, was recht iſt, ſondern man muß auch wohl zu- weilen die Augen zuthun und ergreifen, was man kann und nicht was man will; indeſſen dank’ ich Euch tauſendmal, rechtſchaffener Freund! Gott wird’s Euch vergelten! Rehkopf ſchwieg eine Weile, endlich fing er an und ſagte: So proteſtir’ ich im Namen meiner Principalen gegen die Wahl des vorigen Schulmeiſters, und begehre, daß dieſe Proteſtation zu Proto- koll getragen werde. Gut! ſagte der Praͤſident, das ſoll ge- ſchehen, ich hab’ daſſelbige auch ſchon vorhin bei hundert Gul- den Strafe verboten. Nun wurden ſie alle zuſammen nach Haus geſchickt und die Sache geſchloſſen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0174"n="166"/>
iſt, Gott aber ſieht das Herz an. Ich kann nicht ſagen, ob<lb/>
ich gelacht habe; ich weiß aber wohl, was <hirendition="#aq">profanatio sa-<lb/>
crorum</hi> iſt, und hab’s lang gewußt.</p><lb/><p>Nun befahl der Praͤſident, daß ſeine Gegner hereintreten<lb/>ſollten; ſie kamen, und der Sekretaͤr mußte ihnen das eben<lb/>
abgefaßte Protokoll vorleſen. Sie ſahen ſich an und ſchaͤm-<lb/>
ten ſich.</p><lb/><p>Habt ihr noch was einzuwenden, fragte der Praͤſident. Sie<lb/>ſagten: Nein!</p><lb/><p>Nun dann, fuhr der ehrliche Mann fort, ſo hab’ ich noch<lb/>
was einzuwenden: Dem Herrn Inſpektor kommt’s zu, einen<lb/>
Schulmeiſter zu beſtaͤtigen, wenn ihr einen erwaͤhlt habt. Meine<lb/>
Pflicht aber iſt’s, Acht zu haben, daß Ruhe und Ordnung<lb/>
erhalten werde; deßwegen befehl ich euch bei hundert Gulden<lb/>
Strafe, den vorigen Schulmeiſter nicht zu waͤhlen, ſondern<lb/>
einen ganz unparteyiſchen, damit die Gemeinde wieder ru-<lb/>
hig werde.</p><lb/><p>Der Inſpektor erſchrack, ſah den Praͤſidenten an und ſagte:<lb/>„Auf die Wais werden die Lait nimmer zu Ruh kommaͤ.“</p><lb/><p>Herr Inſpektor! erwiederte Jener, das gehoͤrt ins <hirendition="#aq">forum<lb/>
politicum</hi> und geht Sie nichts an.</p><lb/><p>Indeſſen ließ ſich <hirendition="#g">Rehkopf</hi> melden. Er wurde hereinge-<lb/>
laſſen. Dieſer begehrte das Protokoll zu ſehen im Namen<lb/>ſeiner Principalen. Der Sekretaͤr mußte ihm das heutige<lb/>
vorleſen. <hirendition="#g">Rehkopf</hi>ſah <hirendition="#g">Stilling</hi> an und fragte ihn, ob<lb/>
das recht waͤre? <hirendition="#g">Stilling</hi> antwortete: Man kann nicht<lb/>
immer thun, was recht iſt, ſondern man muß auch wohl zu-<lb/>
weilen die Augen zuthun und ergreifen, was man kann und<lb/>
nicht was man will; indeſſen dank’ ich Euch tauſendmal,<lb/>
rechtſchaffener Freund! Gott wird’s Euch vergelten! <hirendition="#g">Rehkopf</hi><lb/>ſchwieg eine Weile, endlich fing er an und ſagte: So proteſtir’<lb/>
ich im Namen meiner Principalen gegen die Wahl des vorigen<lb/>
Schulmeiſters, und begehre, daß dieſe Proteſtation zu Proto-<lb/>
koll getragen werde. Gut! ſagte der Praͤſident, das ſoll ge-<lb/>ſchehen, ich hab’ daſſelbige auch ſchon vorhin bei hundert Gul-<lb/>
den Strafe verboten. Nun wurden ſie alle zuſammen nach<lb/>
Haus geſchickt und die Sache geſchloſſen.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[166/0174]
iſt, Gott aber ſieht das Herz an. Ich kann nicht ſagen, ob
ich gelacht habe; ich weiß aber wohl, was profanatio sa-
crorum iſt, und hab’s lang gewußt.
Nun befahl der Praͤſident, daß ſeine Gegner hereintreten
ſollten; ſie kamen, und der Sekretaͤr mußte ihnen das eben
abgefaßte Protokoll vorleſen. Sie ſahen ſich an und ſchaͤm-
ten ſich.
Habt ihr noch was einzuwenden, fragte der Praͤſident. Sie
ſagten: Nein!
Nun dann, fuhr der ehrliche Mann fort, ſo hab’ ich noch
was einzuwenden: Dem Herrn Inſpektor kommt’s zu, einen
Schulmeiſter zu beſtaͤtigen, wenn ihr einen erwaͤhlt habt. Meine
Pflicht aber iſt’s, Acht zu haben, daß Ruhe und Ordnung
erhalten werde; deßwegen befehl ich euch bei hundert Gulden
Strafe, den vorigen Schulmeiſter nicht zu waͤhlen, ſondern
einen ganz unparteyiſchen, damit die Gemeinde wieder ru-
hig werde.
Der Inſpektor erſchrack, ſah den Praͤſidenten an und ſagte:
„Auf die Wais werden die Lait nimmer zu Ruh kommaͤ.“
Herr Inſpektor! erwiederte Jener, das gehoͤrt ins forum
politicum und geht Sie nichts an.
Indeſſen ließ ſich Rehkopf melden. Er wurde hereinge-
laſſen. Dieſer begehrte das Protokoll zu ſehen im Namen
ſeiner Principalen. Der Sekretaͤr mußte ihm das heutige
vorleſen. Rehkopf ſah Stilling an und fragte ihn, ob
das recht waͤre? Stilling antwortete: Man kann nicht
immer thun, was recht iſt, ſondern man muß auch wohl zu-
weilen die Augen zuthun und ergreifen, was man kann und
nicht was man will; indeſſen dank’ ich Euch tauſendmal,
rechtſchaffener Freund! Gott wird’s Euch vergelten! Rehkopf
ſchwieg eine Weile, endlich fing er an und ſagte: So proteſtir’
ich im Namen meiner Principalen gegen die Wahl des vorigen
Schulmeiſters, und begehre, daß dieſe Proteſtation zu Proto-
koll getragen werde. Gut! ſagte der Praͤſident, das ſoll ge-
ſchehen, ich hab’ daſſelbige auch ſchon vorhin bei hundert Gul-
den Strafe verboten. Nun wurden ſie alle zuſammen nach
Haus geſchickt und die Sache geſchloſſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/174>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.