gen stiegen in seinem Gemüth auf. Endlich schritt er ein Paar- mal vor sich hin und sagte zu sich selbst: Meine Mutter ist im Himmel, mag diese einstweilen in diesem Jammerthal bei mir und meinem Vater ihre Stelle vertreten. Dereinsten werde ich doch diese verlassen und jene suchen. Mein Vater thut wohl! -- Ich will sie doch recht lieb haben und ihr allen Willen thun, so gut ich kann, so wird sie mich wieder lieben, und ich werde Freude haben.
Nun machte er Steifmann die Sache bekannt, forderte etwas Geld und reiste nach Tiefenbach zurück. Er wurde daselbst von Allen mit tausend Freuden empfangen, besonders von Wilhelm, dieser hatte ein wenig gezweifelt, ob sein Sohn auch murren würde; da er ihn aber so heiter kommen sah, floßen ihm die Thränen aus den Augen, er sprang auf ihn zu und sagte:
Willkommen, Heinrich!
"Willkommen, Vater! ich wünsche Euch von Herzen Glück zu Eurem Vorhaben, und ich freue mich sehr, daß Ihr nun in Eurem Alter Trost haben könnt, wenn's Gott gefällt."
Wilhelm sank auf einen Stuhl, hielt beide Hände vor's Gesicht und weinte. Heinrich weinte auch. Endlich fing Wilhelm an: Du weißt, ich hab' mir in meinem Wittwer- stand fünfhundert Reichsthaler erspart; ich bin nun vierzig Jahre alt, und ich hätte vielleicht noch Vieles ersparen können, dieses alles entgeht dir nun; du wärst doch der einzige Erbe davon gewesen!
"Vater, ich kann sterben, ihr könnt sterben, wir Beide kön- nen noch lange leben, ihr könnt kränklich werden und mit Eu- rem Gelde nicht einmal auskommen. Aber, Vater! ist meine neue Mutter meiner seligen Mutter ähnlich?"
Wilhelm hielt wiederum die Hände vor die Augen. Nein! sagte er, aber sie ist eine brave Frau.
Auch gut, sagte Heinrich und stand an's Fenster, um noch einmal seine alten romantischen Gegenden zu schauen. Es lag kein Schnee. Die Aussicht in den nahen Wald kam
gen ſtiegen in ſeinem Gemuͤth auf. Endlich ſchritt er ein Paar- mal vor ſich hin und ſagte zu ſich ſelbſt: Meine Mutter iſt im Himmel, mag dieſe einſtweilen in dieſem Jammerthal bei mir und meinem Vater ihre Stelle vertreten. Dereinſten werde ich doch dieſe verlaſſen und jene ſuchen. Mein Vater thut wohl! — Ich will ſie doch recht lieb haben und ihr allen Willen thun, ſo gut ich kann, ſo wird ſie mich wieder lieben, und ich werde Freude haben.
Nun machte er Steifmann die Sache bekannt, forderte etwas Geld und reiste nach Tiefenbach zuruͤck. Er wurde daſelbſt von Allen mit tauſend Freuden empfangen, beſonders von Wilhelm, dieſer hatte ein wenig gezweifelt, ob ſein Sohn auch murren wuͤrde; da er ihn aber ſo heiter kommen ſah, floßen ihm die Thraͤnen aus den Augen, er ſprang auf ihn zu und ſagte:
Willkommen, Heinrich!
„Willkommen, Vater! ich wuͤnſche Euch von Herzen Gluͤck zu Eurem Vorhaben, und ich freue mich ſehr, daß Ihr nun in Eurem Alter Troſt haben koͤnnt, wenn’s Gott gefaͤllt.“
Wilhelm ſank auf einen Stuhl, hielt beide Haͤnde vor’s Geſicht und weinte. Heinrich weinte auch. Endlich fing Wilhelm an: Du weißt, ich hab’ mir in meinem Wittwer- ſtand fuͤnfhundert Reichsthaler erſpart; ich bin nun vierzig Jahre alt, und ich haͤtte vielleicht noch Vieles erſparen koͤnnen, dieſes alles entgeht dir nun; du waͤrſt doch der einzige Erbe davon geweſen!
„Vater, ich kann ſterben, ihr koͤnnt ſterben, wir Beide koͤn- nen noch lange leben, ihr koͤnnt kraͤnklich werden und mit Eu- rem Gelde nicht einmal auskommen. Aber, Vater! iſt meine neue Mutter meiner ſeligen Mutter aͤhnlich?“
Wilhelm hielt wiederum die Haͤnde vor die Augen. Nein! ſagte er, aber ſie iſt eine brave Frau.
Auch gut, ſagte Heinrich und ſtand an’s Fenſter, um noch einmal ſeine alten romantiſchen Gegenden zu ſchauen. Es lag kein Schnee. Die Ausſicht in den nahen Wald kam
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gen ſtiegen in ſeinem Gemuͤth auf. Endlich ſchritt er ein Paar-
mal vor ſich hin und ſagte zu ſich ſelbſt: Meine Mutter
iſt im Himmel, mag dieſe einſtweilen in dieſem
Jammerthal bei mir und meinem Vater ihre
Stelle vertreten. Dereinſten werde ich doch
dieſe verlaſſen und jene ſuchen. Mein Vater thut
wohl! — Ich will ſie doch recht lieb haben und
ihr allen Willen thun, ſo gut ich kann, ſo wird
ſie mich wieder lieben, und ich werde Freude
haben.
Nun machte er Steifmann die Sache bekannt, forderte
etwas Geld und reiste nach Tiefenbach zuruͤck. Er wurde
daſelbſt von Allen mit tauſend Freuden empfangen, beſonders
von Wilhelm, dieſer hatte ein wenig gezweifelt, ob ſein
Sohn auch murren wuͤrde; da er ihn aber ſo heiter kommen
ſah, floßen ihm die Thraͤnen aus den Augen, er ſprang auf
ihn zu und ſagte:
Willkommen, Heinrich!
„Willkommen, Vater! ich wuͤnſche Euch von Herzen Gluͤck
zu Eurem Vorhaben, und ich freue mich ſehr, daß Ihr nun
in Eurem Alter Troſt haben koͤnnt, wenn’s Gott gefaͤllt.“
Wilhelm ſank auf einen Stuhl, hielt beide Haͤnde vor’s
Geſicht und weinte. Heinrich weinte auch. Endlich fing
Wilhelm an: Du weißt, ich hab’ mir in meinem Wittwer-
ſtand fuͤnfhundert Reichsthaler erſpart; ich bin nun vierzig
Jahre alt, und ich haͤtte vielleicht noch Vieles erſparen koͤnnen,
dieſes alles entgeht dir nun; du waͤrſt doch der einzige Erbe
davon geweſen!
„Vater, ich kann ſterben, ihr koͤnnt ſterben, wir Beide koͤn-
nen noch lange leben, ihr koͤnnt kraͤnklich werden und mit Eu-
rem Gelde nicht einmal auskommen. Aber, Vater! iſt meine
neue Mutter meiner ſeligen Mutter aͤhnlich?“
Wilhelm hielt wiederum die Haͤnde vor die Augen. Nein!
ſagte er, aber ſie iſt eine brave Frau.
Auch gut, ſagte Heinrich und ſtand an’s Fenſter, um
noch einmal ſeine alten romantiſchen Gegenden zu ſchauen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/135>, abgerufen am 24.11.2024.
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