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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
von, 54) eben weil ihm gegenüber dieser Einwand unter den Ge-
sichtspunkt einer Negation des Klagfundaments fällt. 55)

Wir betrachten jetzt einen Conflictsfall von eigenthümlichem
Interesse: den der Obligation mit der Obligation.

Die beiden Formen, in denen derselbe im neuern Recht mög-
lich ist, sind bekanntlich die der Compensation und Reten-
tion
, beide regelmäßig in Gestalt einer exceptio. In dieser
Form war ein solcher Conflict natürlich im ältern Proceß un-
möglich, er hätte ja zu dem Zwecke den Grundsatz der einen
Frage verläugnen müssen. Aber in anderer Form sind beide
der Sache nach bereits dem ältern Proceß bekannt, und eine
der Formen, in denen er sie ermöglicht, soll jetzt mitgetheilt wer-
den; die zweite wird später folgen.

Es schien den alten Juristen billig, daß der Ehemann, wenn
er nach Auflösung der Ehe die Dos herauszugeben habe, wegen
der von ihm aufgewandten nothwendigen Auslagen einen
Abzug machen dürfe. Aber wie diesen Anspruch in der Klagfor-
mel ausdrücken? Als selbständiger Anspruch durfte er aus dem
angegebenen Grunde nicht auftreten. Wie also? Es ward der
Sache die Wendung gegeben, daß die Forderung der Frau um
den Betrag der Gegenforderung sich vermindert habe.

Bei dieser Einkleidung kam letztere positiv als solche im

54) S. außer der L. 45 in Note 49 die L. 4 §. 3 L. 6 §. 4 de precar.
43. 26).
55) Dagegen ist auch beim interd. de precario die Berufung auf die
Obligation (das Versprechen des Klägers, dem Beklagten den Besitz eine
Zeitlang zu lassen) ausgeschlossen L. 12 pr. de prec. (43. 26), schwerlich je-
doch aus dem Grunde, den Celsus hier angibt, denn warum sollte abgesehen
von dem in dem Besitz proceß gelegenen Hinderniß ein solcher Vertrag nicht
gültig sein? Im Fall der L. 15 §. 3 ibid., wo die Rückforderungsklage auf
das Versprechen des Beklagten gegründet, d. h. eine actio in per-
sonam
war, wäre schwerlich von irgend einem Juristen die entgegengesetzte
Berufung des Betheiligten auf das Versprechen des Klägers zurückgewiesen
worden. Beim interd. de precario, wo der Anspruch des Klägers nicht auf eine
Obligation, sondern auf den Besitz gestützt wird, würde ein Einwand
obligatorischer Art den Charakter des Besitzprocesses alterirt haben.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
von, 54) eben weil ihm gegenüber dieſer Einwand unter den Ge-
ſichtspunkt einer Negation des Klagfundaments fällt. 55)

Wir betrachten jetzt einen Conflictsfall von eigenthümlichem
Intereſſe: den der Obligation mit der Obligation.

Die beiden Formen, in denen derſelbe im neuern Recht mög-
lich iſt, ſind bekanntlich die der Compenſation und Reten-
tion
, beide regelmäßig in Geſtalt einer exceptio. In dieſer
Form war ein ſolcher Conflict natürlich im ältern Proceß un-
möglich, er hätte ja zu dem Zwecke den Grundſatz der einen
Frage verläugnen müſſen. Aber in anderer Form ſind beide
der Sache nach bereits dem ältern Proceß bekannt, und eine
der Formen, in denen er ſie ermöglicht, ſoll jetzt mitgetheilt wer-
den; die zweite wird ſpäter folgen.

Es ſchien den alten Juriſten billig, daß der Ehemann, wenn
er nach Auflöſung der Ehe die Dos herauszugeben habe, wegen
der von ihm aufgewandten nothwendigen Auslagen einen
Abzug machen dürfe. Aber wie dieſen Anſpruch in der Klagfor-
mel ausdrücken? Als ſelbſtändiger Anſpruch durfte er aus dem
angegebenen Grunde nicht auftreten. Wie alſo? Es ward der
Sache die Wendung gegeben, daß die Forderung der Frau um
den Betrag der Gegenforderung ſich vermindert habe.

Bei dieſer Einkleidung kam letztere poſitiv als ſolche im

54) S. außer der L. 45 in Note 49 die L. 4 §. 3 L. 6 §. 4 de precar.
43. 26).
55) Dagegen iſt auch beim interd. de precario die Berufung auf die
Obligation (das Verſprechen des Klägers, dem Beklagten den Beſitz eine
Zeitlang zu laſſen) ausgeſchloſſen L. 12 pr. de prec. (43. 26), ſchwerlich je-
doch aus dem Grunde, den Celſus hier angibt, denn warum ſollte abgeſehen
von dem in dem Beſitz proceß gelegenen Hinderniß ein ſolcher Vertrag nicht
gültig ſein? Im Fall der L. 15 §. 3 ibid., wo die Rückforderungsklage auf
das Verſprechen des Beklagten gegründet, d. h. eine actio in per-
sonam
war, wäre ſchwerlich von irgend einem Juriſten die entgegengeſetzte
Berufung des Betheiligten auf das Verſprechen des Klägers zurückgewieſen
worden. Beim interd. de precario, wo der Anſpruch des Klägers nicht auf eine
Obligation, ſondern auf den Beſitz geſtützt wird, würde ein Einwand
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[68/0084] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. von, 54) eben weil ihm gegenüber dieſer Einwand unter den Ge- ſichtspunkt einer Negation des Klagfundaments fällt. 55) Wir betrachten jetzt einen Conflictsfall von eigenthümlichem Intereſſe: den der Obligation mit der Obligation. Die beiden Formen, in denen derſelbe im neuern Recht mög- lich iſt, ſind bekanntlich die der Compenſation und Reten- tion, beide regelmäßig in Geſtalt einer exceptio. In dieſer Form war ein ſolcher Conflict natürlich im ältern Proceß un- möglich, er hätte ja zu dem Zwecke den Grundſatz der einen Frage verläugnen müſſen. Aber in anderer Form ſind beide der Sache nach bereits dem ältern Proceß bekannt, und eine der Formen, in denen er ſie ermöglicht, ſoll jetzt mitgetheilt wer- den; die zweite wird ſpäter folgen. Es ſchien den alten Juriſten billig, daß der Ehemann, wenn er nach Auflöſung der Ehe die Dos herauszugeben habe, wegen der von ihm aufgewandten nothwendigen Auslagen einen Abzug machen dürfe. Aber wie dieſen Anſpruch in der Klagfor- mel ausdrücken? Als ſelbſtändiger Anſpruch durfte er aus dem angegebenen Grunde nicht auftreten. Wie alſo? Es ward der Sache die Wendung gegeben, daß die Forderung der Frau um den Betrag der Gegenforderung ſich vermindert habe. Bei dieſer Einkleidung kam letztere poſitiv als ſolche im 54) S. außer der L. 45 in Note 49 die L. 4 §. 3 L. 6 §. 4 de precar. 43. 26). 55) Dagegen iſt auch beim interd. de precario die Berufung auf die Obligation (das Verſprechen des Klägers, dem Beklagten den Beſitz eine Zeitlang zu laſſen) ausgeſchloſſen L. 12 pr. de prec. (43. 26), ſchwerlich je- doch aus dem Grunde, den Celſus hier angibt, denn warum ſollte abgeſehen von dem in dem Beſitz proceß gelegenen Hinderniß ein ſolcher Vertrag nicht gültig ſein? Im Fall der L. 15 §. 3 ibid., wo die Rückforderungsklage auf das Verſprechen des Beklagten gegründet, d. h. eine actio in per- sonam war, wäre ſchwerlich von irgend einem Juriſten die entgegengeſetzte Berufung des Betheiligten auf das Verſprechen des Klägers zurückgewieſen worden. Beim interd. de precario, wo der Anſpruch des Klägers nicht auf eine Obligation, ſondern auf den Beſitz geſtützt wird, würde ein Einwand obligatoriſcher Art den Charakter des Beſitzproceſſes alterirt haben.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/84>, abgerufen am 24.11.2024.