Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.II. Formales Moment des Rechts. Die b. f. possessio. §. 61. digkeit des Schutzes und Rechts erhobene Situation desEigenthums. Von der b. f. possessio gilt ganz dasselbe: sie ist eine zur Selbständigkeit des Rechts erhobene Form des offensiven Schutzes des Eigenthums. Daß ihr der Charak- ter eines Rechts an der Sache zukommt, würde in einem Recht, das den Schutz und die Idee des Eigenthums lediglich in dieser minderen Form anerkannt hätte, Niemand bezweifeln, und nur dem Umstand, daß das römische Recht neben dieser schwächeren Form noch die stärkere der reivindicatio ausgebildet hat, ist es zuzu- schreiben, daß man jenes Rechtsverhältniß bisher nicht als eine Eigenthumsform anerkannt, dasselbe vielmehr im System in derselben Weise unter der actio Publiciana verschwinden läßt, wie das Rechtsverhältniß an den res publicae und religiosae unter der Lehre von den Sachen. Diese systematische Stellung und die darin sich kundgebende Auffassung würde richtig sein, wenn die Publiciana lediglich dem Eigenthümer zugedacht, also an den Beweis des Eigenthums geknüpft wäre. Da sie aber gerade dafür bestimmt ist, diesen Beweis durch einen leichteren zu ersetzen, den auch der Nichteigenthümer erbringen kann, so gestaltet sie sich ebendamit zum Schutzmittel eines selbständigen sachenrechtlichen Verhältnisses außer und neben dem Eigenthum. Möge dasselbe im Zusammenstoß mit dem Eigenthum immerhin erliegen, wie der Besitz im Zusammenstoß mit einem von ihnen beiden -- so lange dieser Zusammenstoß nicht erfolgt ist, bewegen sie sich innerhalb der ihnen zugewiesenen Bahnen ganz mit der Kraft und Autorität eines Rechts. Die Voraussichtlichkeit des Unterganges beim Eintritt eines gewissen Umstandes schließt die vorherige Existenz des Rechts nicht aus. Für die praktische Jurisprudenz hat das eben Entwickelte II. Formales Moment des Rechts. Die b. f. possessio. §. 61. digkeit des Schutzes und Rechts erhobene Situation desEigenthums. Von der b. f. possessio gilt ganz daſſelbe: ſie iſt eine zur Selbſtändigkeit des Rechts erhobene Form des offenſiven Schutzes des Eigenthums. Daß ihr der Charak- ter eines Rechts an der Sache zukommt, würde in einem Recht, das den Schutz und die Idee des Eigenthums lediglich in dieſer minderen Form anerkannt hätte, Niemand bezweifeln, und nur dem Umſtand, daß das römiſche Recht neben dieſer ſchwächeren Form noch die ſtärkere der reivindicatio ausgebildet hat, iſt es zuzu- ſchreiben, daß man jenes Rechtsverhältniß bisher nicht als eine Eigenthumsform anerkannt, daſſelbe vielmehr im Syſtem in derſelben Weiſe unter der actio Publiciana verſchwinden läßt, wie das Rechtsverhältniß an den res publicae und religiosae unter der Lehre von den Sachen. Dieſe ſyſtematiſche Stellung und die darin ſich kundgebende Auffaſſung würde richtig ſein, wenn die Publiciana lediglich dem Eigenthümer zugedacht, alſo an den Beweis des Eigenthums geknüpft wäre. Da ſie aber gerade dafür beſtimmt iſt, dieſen Beweis durch einen leichteren zu erſetzen, den auch der Nichteigenthümer erbringen kann, ſo geſtaltet ſie ſich ebendamit zum Schutzmittel eines ſelbſtändigen ſachenrechtlichen Verhältniſſes außer und neben dem Eigenthum. Möge daſſelbe im Zuſammenſtoß mit dem Eigenthum immerhin erliegen, wie der Beſitz im Zuſammenſtoß mit einem von ihnen beiden — ſo lange dieſer Zuſammenſtoß nicht erfolgt iſt, bewegen ſie ſich innerhalb der ihnen zugewieſenen Bahnen ganz mit der Kraft und Autorität eines Rechts. Die Vorausſichtlichkeit des Unterganges beim Eintritt eines gewiſſen Umſtandes ſchließt die vorherige Exiſtenz des Rechts nicht aus. Für die praktiſche Jurisprudenz hat das eben Entwickelte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0357" n="341"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Formales Moment des Rechts. 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II. Formales Moment des Rechts. Die b. f. possessio. §. 61.
digkeit des Schutzes und Rechts erhobene Situation des
Eigenthums. Von der b. f. possessio gilt ganz daſſelbe:
ſie iſt eine zur Selbſtändigkeit des Rechts erhobene Form des
offenſiven Schutzes des Eigenthums. Daß ihr der Charak-
ter eines Rechts an der Sache zukommt, würde in einem Recht,
das den Schutz und die Idee des Eigenthums lediglich in dieſer
minderen Form anerkannt hätte, Niemand bezweifeln, und nur dem
Umſtand, daß das römiſche Recht neben dieſer ſchwächeren Form
noch die ſtärkere der reivindicatio ausgebildet hat, iſt es zuzu-
ſchreiben, daß man jenes Rechtsverhältniß bisher nicht als eine
Eigenthumsform anerkannt, daſſelbe vielmehr im Syſtem in
derſelben Weiſe unter der actio Publiciana verſchwinden läßt,
wie das Rechtsverhältniß an den res publicae und religiosae
unter der Lehre von den Sachen. Dieſe ſyſtematiſche Stellung
und die darin ſich kundgebende Auffaſſung würde richtig ſein,
wenn die Publiciana lediglich dem Eigenthümer zugedacht, alſo
an den Beweis des Eigenthums geknüpft wäre. Da ſie aber
gerade dafür beſtimmt iſt, dieſen Beweis durch einen leichteren
zu erſetzen, den auch der Nichteigenthümer erbringen kann, ſo
geſtaltet ſie ſich ebendamit zum Schutzmittel eines ſelbſtändigen
ſachenrechtlichen Verhältniſſes außer und neben dem Eigenthum.
Möge daſſelbe im Zuſammenſtoß mit dem Eigenthum immerhin
erliegen, wie der Beſitz im Zuſammenſtoß mit einem von ihnen
beiden — ſo lange dieſer Zuſammenſtoß nicht erfolgt iſt, bewegen
ſie ſich innerhalb der ihnen zugewieſenen Bahnen ganz mit der
Kraft und Autorität eines Rechts. Die Vorausſichtlichkeit des
Unterganges beim Eintritt eines gewiſſen Umſtandes ſchließt die
vorherige Exiſtenz des Rechts nicht aus.
Für die praktiſche Jurisprudenz hat das eben Entwickelte
nicht den geringſten Werth, und ſchwerlich würden ſich die römi-
ſchen Juriſten die Mühe genommen haben, die berührten Fragen
eingehender zu behandeln. Ihr Standpunkt war der unmittel-
bar praktiſche: der der Klage (B. 2 S. 672 fl.). Wie das der
Klage zu Grunde liegende Recht ſyſtematiſch zu charakteriſiren
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