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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Zweiter Abschnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie.

Auch in dem Verhältniß der juristischen Personen, sowohl
der Corporationen als milden Stiftungen handelt es sich um
solche sich mehr oder weniger ins Unbestimmte und Allgemeine
verlierende Interessen, und der Versuch, dieselben unter die ge-
wöhnliche Form der Klage zu bringen, würde hier auf unüber-
steigliche Hindernisse stoßen. In welcher Weise das römische
Recht diese Aufgabe gelöst hat, ist bereits früher (S. 209--213)
entwickelt worden, und es bleibt uns hier nur übrig, uns über
die eigenthümliche Verschiebung, welche hier zwischen dem sub-
stantiellen und formalen Element des Rechts eintritt, Rechen-
schaft zu geben. Beschränken wir uns zunächst auf die Corpo-
ration
, bei der das natürliche Sachverhältniß durch die juristische
Form verhältnißmäßig am wenigsten verdeckt wird. Niemand
wird darüber im Zweifel sein, daß die einzelnen Mitglieder es
sind (die gegenwärtigen und zukünftigen), denen die Rechte, mit
denen die juristische Person ausgestattet ist, zu gute kommen,
und daß diese Wirkung nicht eine zufällige (Reflexwirkung),
sondern daß sie der Zweck des ganzen Verhältnisses ist, daß also
die einzelnen Mitglieder die Destinatäre der hier in Frage
kommenden Vortheile sind. Wenn nun die Rücksicht auf die
Praktikabilität der Klage den a. a. O. beschriebenen Mechanis-
mus ins Leben gerufen hat, daß nach außen hin nicht die
einzelnen Mitglieder, sondern nur die zur künstlichen persönlichen
Einheit erhobene Gesammtheit derselben die gemeinsamen Inter-
essen verfolgen darf, so liegt darin zwar eine Abweichung von
der gewöhnlichen Gestalt eines Privatrechts, bei der dem Quo-
ten recht auch eine Quotenklage entspricht, allein es gehört
die gänzliche Befangenheit im juristischen Formalismus dazu,
um über dieser juristischen Form den realen Sinn und Zweck des
ganzen Verhältnisses zu verkennen und den einzelnen Mitglie-

klagen inzwischen durch Bruns (Zeitschr. f. Rechtsgeschichte III. S. 341 fl.)
zu erfreuen gehabt haben, überhebt mich der Nothwendigkeit eines weiteren
Eingehens auf dieselben.
Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie.

Auch in dem Verhältniß der juriſtiſchen Perſonen, ſowohl
der Corporationen als milden Stiftungen handelt es ſich um
ſolche ſich mehr oder weniger ins Unbeſtimmte und Allgemeine
verlierende Intereſſen, und der Verſuch, dieſelben unter die ge-
wöhnliche Form der Klage zu bringen, würde hier auf unüber-
ſteigliche Hinderniſſe ſtoßen. In welcher Weiſe das römiſche
Recht dieſe Aufgabe gelöſt hat, iſt bereits früher (S. 209—213)
entwickelt worden, und es bleibt uns hier nur übrig, uns über
die eigenthümliche Verſchiebung, welche hier zwiſchen dem ſub-
ſtantiellen und formalen Element des Rechts eintritt, Rechen-
ſchaft zu geben. Beſchränken wir uns zunächſt auf die Corpo-
ration
, bei der das natürliche Sachverhältniß durch die juriſtiſche
Form verhältnißmäßig am wenigſten verdeckt wird. Niemand
wird darüber im Zweifel ſein, daß die einzelnen Mitglieder es
ſind (die gegenwärtigen und zukünftigen), denen die Rechte, mit
denen die juriſtiſche Perſon ausgeſtattet iſt, zu gute kommen,
und daß dieſe Wirkung nicht eine zufällige (Reflexwirkung),
ſondern daß ſie der Zweck des ganzen Verhältniſſes iſt, daß alſo
die einzelnen Mitglieder die Deſtinatäre der hier in Frage
kommenden Vortheile ſind. Wenn nun die Rückſicht auf die
Praktikabilität der Klage den a. a. O. beſchriebenen Mechanis-
mus ins Leben gerufen hat, daß nach außen hin nicht die
einzelnen Mitglieder, ſondern nur die zur künſtlichen perſönlichen
Einheit erhobene Geſammtheit derſelben die gemeinſamen Inter-
eſſen verfolgen darf, ſo liegt darin zwar eine Abweichung von
der gewöhnlichen Geſtalt eines Privatrechts, bei der dem Quo-
ten recht auch eine Quotenklage entſpricht, allein es gehört
die gänzliche Befangenheit im juriſtiſchen Formalismus dazu,
um über dieſer juriſtiſchen Form den realen Sinn und Zweck des
ganzen Verhältniſſes zu verkennen und den einzelnen Mitglie-

klagen inzwiſchen durch Bruns (Zeitſchr. f. Rechtsgeſchichte III. S. 341 fl.)
zu erfreuen gehabt haben, überhebt mich der Nothwendigkeit eines weiteren
Eingehens auf dieſelben.
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[330/0346] Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie. Auch in dem Verhältniß der juriſtiſchen Perſonen, ſowohl der Corporationen als milden Stiftungen handelt es ſich um ſolche ſich mehr oder weniger ins Unbeſtimmte und Allgemeine verlierende Intereſſen, und der Verſuch, dieſelben unter die ge- wöhnliche Form der Klage zu bringen, würde hier auf unüber- ſteigliche Hinderniſſe ſtoßen. In welcher Weiſe das römiſche Recht dieſe Aufgabe gelöſt hat, iſt bereits früher (S. 209—213) entwickelt worden, und es bleibt uns hier nur übrig, uns über die eigenthümliche Verſchiebung, welche hier zwiſchen dem ſub- ſtantiellen und formalen Element des Rechts eintritt, Rechen- ſchaft zu geben. Beſchränken wir uns zunächſt auf die Corpo- ration, bei der das natürliche Sachverhältniß durch die juriſtiſche Form verhältnißmäßig am wenigſten verdeckt wird. Niemand wird darüber im Zweifel ſein, daß die einzelnen Mitglieder es ſind (die gegenwärtigen und zukünftigen), denen die Rechte, mit denen die juriſtiſche Perſon ausgeſtattet iſt, zu gute kommen, und daß dieſe Wirkung nicht eine zufällige (Reflexwirkung), ſondern daß ſie der Zweck des ganzen Verhältniſſes iſt, daß alſo die einzelnen Mitglieder die Deſtinatäre der hier in Frage kommenden Vortheile ſind. Wenn nun die Rückſicht auf die Praktikabilität der Klage den a. a. O. beſchriebenen Mechanis- mus ins Leben gerufen hat, daß nach außen hin nicht die einzelnen Mitglieder, ſondern nur die zur künſtlichen perſönlichen Einheit erhobene Geſammtheit derſelben die gemeinſamen Inter- eſſen verfolgen darf, ſo liegt darin zwar eine Abweichung von der gewöhnlichen Geſtalt eines Privatrechts, bei der dem Quo- ten recht auch eine Quotenklage entſpricht, allein es gehört die gänzliche Befangenheit im juriſtiſchen Formalismus dazu, um über dieſer juriſtiſchen Form den realen Sinn und Zweck des ganzen Verhältniſſes zu verkennen und den einzelnen Mitglie- 465) 465) klagen inzwiſchen durch Bruns (Zeitſchr. f. Rechtsgeſchichte III. S. 341 fl.) zu erfreuen gehabt haben, überhebt mich der Nothwendigkeit eines weiteren Eingehens auf dieſelben.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/346>, abgerufen am 22.11.2024.