Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik. überflüssig sein zu zeigen, daß das bisher geschilderte politischeSystem nur eine Anwendung dieses Gedankens enthält. Der- selbe Mechanismus, den das Privatrecht bei der mancipatio, in jure cessio und den abstracten Obligationen zur Anwendung bringt, wiederholt sich beim Gesetz, bei der Wahl der Magi- strate und allen Amtsverrichtungen der politischen und geistlichen Gewalten: der Gesammtbestand des Verhältnisses spaltet sich in zwei Theile, ein Theil bleibt zurück als absolut wesentlich, als Thatbestand -- er beschränkt sich bei jenen politischen Akten, so zu sagen, auf die abstracte That, auf das nackte Wort, die einfache Verkündigung -- der andere aber scheidet aus und nimmt die Form der Verpflichtung an, im Privatrecht die der Obligation, im Staatsrecht die einer durch Gesetz, Ge- wohnheitsrecht und religiöse Satzung normirten Amtspflicht und wird damit des nachtheiligen Einflusses auf das Verhält- niß selber beraubt. Was die mangelhafte oder fehlende causa bei dem Eigenthum und der abstracten Obligation, das ist das Vitium bei den öffentlich rechtlichen Verhältnissen. Die Con- dictionen wegen mangelhafter causa repräsentiren für das Pri- vatrecht dieselbe Erscheinung, wie die Rescission der Gesetze, Wahlen und Handlungen der Magistrate durch den Senat für das öffentliche Recht; indem das Gesetz die Befugniß zur An- fechtung auf eine bestimmte Person beschränkt, schützt es das Verhältniß gegen die Gefahr, bei jedem Versuch seiner Lebens- äußerung von Jedermann in Frage gestellt und gelähmt zu wer- den -- kurz das Verhältniß verdankt seine Gesundheit und Kraft der Ausscheidung des Krankheitsstoffes: des Causalmoments und des Vitiums. Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. überflüſſig ſein zu zeigen, daß das bisher geſchilderte politiſcheSyſtem nur eine Anwendung dieſes Gedankens enthält. Der- ſelbe Mechanismus, den das Privatrecht bei der mancipatio, in jure cessio und den abſtracten Obligationen zur Anwendung bringt, wiederholt ſich beim Geſetz, bei der Wahl der Magi- ſtrate und allen Amtsverrichtungen der politiſchen und geiſtlichen Gewalten: der Geſammtbeſtand des Verhältniſſes ſpaltet ſich in zwei Theile, ein Theil bleibt zurück als abſolut weſentlich, als Thatbeſtand — er beſchränkt ſich bei jenen politiſchen Akten, ſo zu ſagen, auf die abſtracte That, auf das nackte Wort, die einfache Verkündigung — der andere aber ſcheidet aus und nimmt die Form der Verpflichtung an, im Privatrecht die der Obligation, im Staatsrecht die einer durch Geſetz, Ge- wohnheitsrecht und religiöſe Satzung normirten Amtspflicht und wird damit des nachtheiligen Einfluſſes auf das Verhält- niß ſelber beraubt. Was die mangelhafte oder fehlende causa bei dem Eigenthum und der abſtracten Obligation, das iſt das Vitium bei den öffentlich rechtlichen Verhältniſſen. Die Con- dictionen wegen mangelhafter causa repräſentiren für das Pri- vatrecht dieſelbe Erſcheinung, wie die Reſciſſion der Geſetze, Wahlen und Handlungen der Magiſtrate durch den Senat für das öffentliche Recht; indem das Geſetz die Befugniß zur An- fechtung auf eine beſtimmte Perſon beſchränkt, ſchützt es das Verhältniß gegen die Gefahr, bei jedem Verſuch ſeiner Lebens- äußerung von Jedermann in Frage geſtellt und gelähmt zu wer- den — kurz das Verhältniß verdankt ſeine Geſundheit und Kraft der Ausſcheidung des Krankheitsſtoffes: des Cauſalmoments und des Vitiums. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0244" n="228"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die Technik. <hi rendition="#aq">A.</hi> Die Analytik.</fw><lb/> überflüſſig ſein zu zeigen, daß das bisher geſchilderte politiſche<lb/> Syſtem nur eine Anwendung dieſes Gedankens enthält. Der-<lb/> ſelbe Mechanismus, den das Privatrecht bei der <hi rendition="#aq">mancipatio,<lb/> in jure cessio</hi> und den abſtracten Obligationen zur Anwendung<lb/> bringt, wiederholt ſich beim Geſetz, bei der Wahl der Magi-<lb/> ſtrate und allen Amtsverrichtungen der politiſchen und geiſtlichen<lb/> Gewalten: der Geſammtbeſtand des Verhältniſſes ſpaltet ſich<lb/> in zwei Theile, <hi rendition="#g">ein</hi> Theil bleibt zurück als abſolut weſentlich,<lb/> als <hi rendition="#g">Thatbeſtand</hi> — er beſchränkt ſich bei jenen politiſchen<lb/> Akten, ſo zu ſagen, auf die abſtracte That, auf das nackte Wort,<lb/> die einfache Verkündigung — der andere aber ſcheidet aus und<lb/> nimmt die Form der <hi rendition="#g">Verpflichtung</hi> an, im Privatrecht die<lb/> der <hi rendition="#g">Obligation</hi>, im Staatsrecht die einer durch Geſetz, Ge-<lb/> wohnheitsrecht und religiöſe Satzung normirten <hi rendition="#g">Amtspflicht</hi><lb/> und wird damit des nachtheiligen Einfluſſes auf das Verhält-<lb/> niß ſelber beraubt. Was die mangelhafte oder fehlende <hi rendition="#aq">causa</hi><lb/> bei dem Eigenthum und der abſtracten Obligation, das iſt das<lb/> Vitium bei den öffentlich rechtlichen Verhältniſſen. Die Con-<lb/> dictionen wegen mangelhafter <hi rendition="#aq">causa</hi> repräſentiren für das Pri-<lb/> vatrecht dieſelbe Erſcheinung, wie die Reſciſſion der Geſetze,<lb/> Wahlen und Handlungen der Magiſtrate durch den Senat für<lb/> das öffentliche Recht; indem das Geſetz die Befugniß zur An-<lb/> fechtung auf eine <hi rendition="#g">beſtimmte</hi> Perſon beſchränkt, ſchützt es das<lb/> Verhältniß gegen die Gefahr, bei jedem Verſuch ſeiner Lebens-<lb/> äußerung von Jedermann in Frage geſtellt und gelähmt zu wer-<lb/> den — kurz das Verhältniß verdankt ſeine Geſundheit und<lb/> Kraft der <hi rendition="#g">Ausſcheidung des Krankheitsſtoffes</hi>: des<lb/> Cauſalmoments und des Vitiums.</p> </div> </div> </div><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [228/0244]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
überflüſſig ſein zu zeigen, daß das bisher geſchilderte politiſche
Syſtem nur eine Anwendung dieſes Gedankens enthält. Der-
ſelbe Mechanismus, den das Privatrecht bei der mancipatio,
in jure cessio und den abſtracten Obligationen zur Anwendung
bringt, wiederholt ſich beim Geſetz, bei der Wahl der Magi-
ſtrate und allen Amtsverrichtungen der politiſchen und geiſtlichen
Gewalten: der Geſammtbeſtand des Verhältniſſes ſpaltet ſich
in zwei Theile, ein Theil bleibt zurück als abſolut weſentlich,
als Thatbeſtand — er beſchränkt ſich bei jenen politiſchen
Akten, ſo zu ſagen, auf die abſtracte That, auf das nackte Wort,
die einfache Verkündigung — der andere aber ſcheidet aus und
nimmt die Form der Verpflichtung an, im Privatrecht die
der Obligation, im Staatsrecht die einer durch Geſetz, Ge-
wohnheitsrecht und religiöſe Satzung normirten Amtspflicht
und wird damit des nachtheiligen Einfluſſes auf das Verhält-
niß ſelber beraubt. Was die mangelhafte oder fehlende causa
bei dem Eigenthum und der abſtracten Obligation, das iſt das
Vitium bei den öffentlich rechtlichen Verhältniſſen. Die Con-
dictionen wegen mangelhafter causa repräſentiren für das Pri-
vatrecht dieſelbe Erſcheinung, wie die Reſciſſion der Geſetze,
Wahlen und Handlungen der Magiſtrate durch den Senat für
das öffentliche Recht; indem das Geſetz die Befugniß zur An-
fechtung auf eine beſtimmte Perſon beſchränkt, ſchützt es das
Verhältniß gegen die Gefahr, bei jedem Verſuch ſeiner Lebens-
äußerung von Jedermann in Frage geſtellt und gelähmt zu wer-
den — kurz das Verhältniß verdankt ſeine Geſundheit und
Kraft der Ausſcheidung des Krankheitsſtoffes: des
Cauſalmoments und des Vitiums.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |