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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts.
formel aufstellt, wie z. B. die lex Rubria (Proceßordnung für
das cisalpinische Gallien) es thut, allein für die ältere Zeit ist
dies weder bezeugt, noch irgendwie wahrscheinlich. Mittel-
bar
wurden freilich die ältern Gesetze eine wichtige Quelle
der Formeln, indem sie, wie unten gezeigt werden soll, für
eine gewisse Art derselben die Legisactionen das Material her-
gaben.

Sind sie Producte des Lebens? Die Frage ist zu unbe-
stimmt, man kann sie bejahen und verneinen, je nachdem man
sie versteht. Verneinen -- insofern mit diesem Ausdruck
jene ursprüngliche Bildung gemeint ist, wie wir sie S. 603 bei
den formellen Handlungen angenommen haben, bejahen,
insofern das Leben vielfach Formulare in Formeln verwandelt
(S. 313). Abgesehen von den bloßen Schlagworten, denen
man eine solche Entstehungsweise immerhin zuschreiben möge,
tragen die eigentlichen Formeln so sehr das Gepräge des Ge-
machten, des Absichtlichen, es herrscht in dem ganzen System
eine solche Uebereinstimmung, Consequenz, Berechnung, Kunst,
daß man blind sein müßte, um den juristischen Ursprung
derselben zu verkennen. Und rücksichtlich der einen Hälfte: der
auf den Proceß sich beziehenden, wird uns diese Entstehungsart
ausdrücklich bezeugt. Nach Erlaß der XII Tafeln und im An-
schluß an sie, heißt es, hätten die Pontifices die Klagformeln
componirt, und bei ihrem Collegium hätte sich das Depot be-
funden. 814) Appius Claudius habe den ganzen Vorrath in eine
Sammlung gebracht, zu der, nachdem sie von dessen Schreiber
Flavius veröffentlicht worden sei (jus Flavianum), späterhin
ein anderer Jurist, Aelius, noch Nachträge veröffentlicht habe
(jus Aelianum). 815) Wenn Pomponius dieser letztern That-
sache den Ausdruck gibt: Aelius habe diese ganze Sammlung

814) L. 2 §. 6 de O. J. (1. 2) S. 418 ff., Note 540.
815) L. 2 §. 7 de O. J. (1. 2).

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
formel aufſtellt, wie z. B. die lex Rubria (Proceßordnung für
das cisalpiniſche Gallien) es thut, allein für die ältere Zeit iſt
dies weder bezeugt, noch irgendwie wahrſcheinlich. Mittel-
bar
wurden freilich die ältern Geſetze eine wichtige Quelle
der Formeln, indem ſie, wie unten gezeigt werden ſoll, für
eine gewiſſe Art derſelben die Legisactionen das Material her-
gaben.

Sind ſie Producte des Lebens? Die Frage iſt zu unbe-
ſtimmt, man kann ſie bejahen und verneinen, je nachdem man
ſie verſteht. Verneinen — inſofern mit dieſem Ausdruck
jene urſprüngliche Bildung gemeint iſt, wie wir ſie S. 603 bei
den formellen Handlungen angenommen haben, bejahen,
inſofern das Leben vielfach Formulare in Formeln verwandelt
(S. 313). Abgeſehen von den bloßen Schlagworten, denen
man eine ſolche Entſtehungsweiſe immerhin zuſchreiben möge,
tragen die eigentlichen Formeln ſo ſehr das Gepräge des Ge-
machten, des Abſichtlichen, es herrſcht in dem ganzen Syſtem
eine ſolche Uebereinſtimmung, Conſequenz, Berechnung, Kunſt,
daß man blind ſein müßte, um den juriſtiſchen Urſprung
derſelben zu verkennen. Und rückſichtlich der einen Hälfte: der
auf den Proceß ſich beziehenden, wird uns dieſe Entſtehungsart
ausdrücklich bezeugt. Nach Erlaß der XII Tafeln und im An-
ſchluß an ſie, heißt es, hätten die Pontifices die Klagformeln
componirt, und bei ihrem Collegium hätte ſich das Depot be-
funden. 814) Appius Claudius habe den ganzen Vorrath in eine
Sammlung gebracht, zu der, nachdem ſie von deſſen Schreiber
Flavius veröffentlicht worden ſei (jus Flavianum), ſpäterhin
ein anderer Juriſt, Aelius, noch Nachträge veröffentlicht habe
(jus Aelianum). 815) Wenn Pomponius dieſer letztern That-
ſache den Ausdruck gibt: Aelius habe dieſe ganze Sammlung

814) L. 2 §. 6 de O. J. (1. 2) S. 418 ff., Note 540.
815) L. 2 §. 7 de O. J. (1. 2).
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[622/0328] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. formel aufſtellt, wie z. B. die lex Rubria (Proceßordnung für das cisalpiniſche Gallien) es thut, allein für die ältere Zeit iſt dies weder bezeugt, noch irgendwie wahrſcheinlich. Mittel- bar wurden freilich die ältern Geſetze eine wichtige Quelle der Formeln, indem ſie, wie unten gezeigt werden ſoll, für eine gewiſſe Art derſelben die Legisactionen das Material her- gaben. Sind ſie Producte des Lebens? Die Frage iſt zu unbe- ſtimmt, man kann ſie bejahen und verneinen, je nachdem man ſie verſteht. Verneinen — inſofern mit dieſem Ausdruck jene urſprüngliche Bildung gemeint iſt, wie wir ſie S. 603 bei den formellen Handlungen angenommen haben, bejahen, inſofern das Leben vielfach Formulare in Formeln verwandelt (S. 313). Abgeſehen von den bloßen Schlagworten, denen man eine ſolche Entſtehungsweiſe immerhin zuſchreiben möge, tragen die eigentlichen Formeln ſo ſehr das Gepräge des Ge- machten, des Abſichtlichen, es herrſcht in dem ganzen Syſtem eine ſolche Uebereinſtimmung, Conſequenz, Berechnung, Kunſt, daß man blind ſein müßte, um den juriſtiſchen Urſprung derſelben zu verkennen. Und rückſichtlich der einen Hälfte: der auf den Proceß ſich beziehenden, wird uns dieſe Entſtehungsart ausdrücklich bezeugt. Nach Erlaß der XII Tafeln und im An- ſchluß an ſie, heißt es, hätten die Pontifices die Klagformeln componirt, und bei ihrem Collegium hätte ſich das Depot be- funden. 814) Appius Claudius habe den ganzen Vorrath in eine Sammlung gebracht, zu der, nachdem ſie von deſſen Schreiber Flavius veröffentlicht worden ſei (jus Flavianum), ſpäterhin ein anderer Juriſt, Aelius, noch Nachträge veröffentlicht habe (jus Aelianum). 815) Wenn Pomponius dieſer letztern That- ſache den Ausdruck gibt: Aelius habe dieſe ganze Sammlung 814) L. 2 §. 6 de O. J. (1. 2) S. 418 ff., Note 540. 815) L. 2 §. 7 de O. J. (1. 2).

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 622. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/328>, abgerufen am 22.11.2024.