Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts. cipatio, in jure cessio und stipulatio ein. Denn während dieübrigen sich auf einzelne bestimmte Geschäfte beschränken, so sind sie gewissermaßen abstracte, der mannigfachsten Anwendung fähige Grundformen, und gerade auf der ihnen gegebenen aus- gedehnten Brauchbarkeit beruht es, daß das ältere Recht mit verhältnißmäßig so wenig Formen ausreichte -- ein Vorzug, auf den ich nach meinen früheren Ausführungen (S. 507) nicht wieder zurückzukommen brauche. Wir wollen diese drei Ge- schäfte jetzt einer nähern Betrachtung unterziehen, aber auch hier weniger in der Absicht, Allbekanntes zu wiederholen, als mit der Hoffnung, ihnen hie und da eine neue Seite abzu- gewinnen. Bei allen dreien spielt ein Begriff eine große Rolle, den "Zum Scheine handeln" (dicis causa) bildet den Gegensatz 684) Gaj. I, 119. Ulp. XX, 1.
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. cipatio, in jure cessio und stipulatio ein. Denn während dieübrigen ſich auf einzelne beſtimmte Geſchäfte beſchränken, ſo ſind ſie gewiſſermaßen abſtracte, der mannigfachſten Anwendung fähige Grundformen, und gerade auf der ihnen gegebenen aus- gedehnten Brauchbarkeit beruht es, daß das ältere Recht mit verhältnißmäßig ſo wenig Formen ausreichte — ein Vorzug, auf den ich nach meinen früheren Ausführungen (S. 507) nicht wieder zurückzukommen brauche. Wir wollen dieſe drei Ge- ſchäfte jetzt einer nähern Betrachtung unterziehen, aber auch hier weniger in der Abſicht, Allbekanntes zu wiederholen, als mit der Hoffnung, ihnen hie und da eine neue Seite abzu- gewinnen. Bei allen dreien ſpielt ein Begriff eine große Rolle, den „Zum Scheine handeln“ (dicis causa) bildet den Gegenſatz 684) Gaj. I, 119. Ulp. XX, 1.
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Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
cipatio, in jure cessio und stipulatio ein. Denn während die
übrigen ſich auf einzelne beſtimmte Geſchäfte beſchränken, ſo
ſind ſie gewiſſermaßen abſtracte, der mannigfachſten Anwendung
fähige Grundformen, und gerade auf der ihnen gegebenen aus-
gedehnten Brauchbarkeit beruht es, daß das ältere Recht mit
verhältnißmäßig ſo wenig Formen ausreichte — ein Vorzug,
auf den ich nach meinen früheren Ausführungen (S. 507) nicht
wieder zurückzukommen brauche. Wir wollen dieſe drei Ge-
ſchäfte jetzt einer nähern Betrachtung unterziehen, aber auch
hier weniger in der Abſicht, Allbekanntes zu wiederholen, als
mit der Hoffnung, ihnen hie und da eine neue Seite abzu-
gewinnen.
Bei allen dreien ſpielt ein Begriff eine große Rolle, den
wir bisher noch keine Gelegenheit gefunden haben genauer zu
erörtern, der des Scheingeſchäfts. Zwei derſelben, die
mancipatio und in jure cessio ſind ſchon an ſich nichts weiter
als Scheingeſchäfte. Bei der erſteren wird das Scheingeſchäft
in dem testam. per aes et libram ſo zu ſagen zur zweiten Po-
tenz erhoben, letzteres war eine „imaginaria mancipatio“, die
mancipatio ſelbſt aber eine „imaginaria venditio“. 684) Auch
die Stipulation geſtaltet ſich in der sponsio praejudicialis des
römiſchen Proceſſes zu einem Scheingeſchäft, und ſo wird es
ſich rechtfertigen, wenn wir uns über einen Begriff, dem wir
hier bei jedem Schritt und Tritt begegnen, vorher verſtän-
digen.
„Zum Scheine handeln“ (dicis causa) bildet den Gegenſatz
zum „ernſtlichen Handeln“, es iſt ein äußeres Handeln, Re-
den, dem die innere Abſicht nicht entſpricht. Bei dem
Rechts geſchäft beſteht der Mangel dieſer innern Abſicht in
der intendirten Ausſchließung der an daſſelbe geknüpften Wir-
kungen, ein Erfolg, der nur durch Einverſtändniß mit der Ge-
genparthei möglich iſt. Hierauf beruht der Begriff des ſimu-
684) Gaj. I, 119. Ulp. XX, 1.
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