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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 46.
ratio), 5 (nexum, mancipatio, coemptio, testamentum
per aes et libram).
Ueber die Zuziehung derselben zu pro-
cessualischen Handlungen ist nicht viel bekannt, es gehören
hierher der Zeuge bei der in jus vocatio, die Zeugen bei der
Litis contestatio und bei dem Scheingang auf das vindi-
cirte Grundstück (ex jure manum consertum vocare), hier
superstites genannt.
5. Geschäfte ohne Mitwirkung anderer Personen, als der
Partheien. Das hauptsächlichste Anwendungsgebiet dieser
Form ist das Obligationenrecht (Verbal- und Literalcon-
tract). Die tutoris autoritas schließt sich jeder andern Form
an, läßt sich also nicht als selbständige Form betrachten, und
die öffentliche Bekanntmachung (palam praedicere) wie sie
z. B. bei Annahme von Bürgen 683) vorgeschrieben war, so-
wie die öffentliche Vorführung des verurtheilten Schuldners
gehört ebenso wenig hierher. Dagegen ist eine Classe von
Geschäften hier absichtlich übergangen, es sind dies die,
welche der Staat mit den Privaten abschließt; das Eigen-
thümliche derselben kann erst an einer andern Stelle ins
rechte Licht gesetzt werden.

Aus jener Zusammenstellung ergibt sich, daß die Zahl der
selbständigen Formen des ältern Rechts nicht gerade groß war.
Die weitaus bedeutendste Stelle unter ihnen nehmen die man-

konnte. Der "intestabilis" war nicht bloß unfähig, bei einem solchen Ge-
schäft als Zeuge zu fungiren, sondern auch es in eigner Person vorzu-
nehmen, und da auch im Proceß Zeugen aufgerufen werden mußten, war er
wahrscheinlich insoweit auch unfähig, processualische Handlungen mit Erfolg
vorzunehmen. Liegt in Plautus Curc. V, 2. 24 eine Andeutung darauf? Es
wird hier Jemand aufgerufen, als Zeuge bei einer in jus vocatio zu dienen,
und da er sich weigert, stößt der Andere den Fluch gegen ihn aus: Jupiter
te male disperdat, intestatus vivito
d. h. doch wohl nur: möge es
Dir ebenso gehen und Dir Niemand (unter andern auch zu einer in jus vo-
catio
) Zeugniß gewähren. Im neuern Recht hat der Begriff der Intestabilität
aber jedenfalls eine engere Bedeutung erhalten.
683) Gaj. III, 123.
Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 46.
ratio), 5 (nexum, mancipatio, coemptio, testamentum
per aes et libram).
Ueber die Zuziehung derſelben zu pro-
ceſſualiſchen Handlungen iſt nicht viel bekannt, es gehören
hierher der Zeuge bei der in jus vocatio, die Zeugen bei der
Litis contestatio und bei dem Scheingang auf das vindi-
cirte Grundſtück (ex jure manum consertum vocare), hier
superstites genannt.
5. Geſchäfte ohne Mitwirkung anderer Perſonen, als der
Partheien. Das hauptſächlichſte Anwendungsgebiet dieſer
Form iſt das Obligationenrecht (Verbal- und Literalcon-
tract). Die tutoris autoritas ſchließt ſich jeder andern Form
an, läßt ſich alſo nicht als ſelbſtändige Form betrachten, und
die öffentliche Bekanntmachung (palam praedicere) wie ſie
z. B. bei Annahme von Bürgen 683) vorgeſchrieben war, ſo-
wie die öffentliche Vorführung des verurtheilten Schuldners
gehört ebenſo wenig hierher. Dagegen iſt eine Claſſe von
Geſchäften hier abſichtlich übergangen, es ſind dies die,
welche der Staat mit den Privaten abſchließt; das Eigen-
thümliche derſelben kann erſt an einer andern Stelle ins
rechte Licht geſetzt werden.

Aus jener Zuſammenſtellung ergibt ſich, daß die Zahl der
ſelbſtändigen Formen des ältern Rechts nicht gerade groß war.
Die weitaus bedeutendſte Stelle unter ihnen nehmen die man-

konnte. Der „intestabilis“ war nicht bloß unfähig, bei einem ſolchen Ge-
ſchäft als Zeuge zu fungiren, ſondern auch es in eigner Perſon vorzu-
nehmen, und da auch im Proceß Zeugen aufgerufen werden mußten, war er
wahrſcheinlich inſoweit auch unfähig, proceſſualiſche Handlungen mit Erfolg
vorzunehmen. Liegt in Plautus Curc. V, 2. 24 eine Andeutung darauf? Es
wird hier Jemand aufgerufen, als Zeuge bei einer in jus vocatio zu dienen,
und da er ſich weigert, ſtößt der Andere den Fluch gegen ihn aus: Jupiter
te male disperdat, intestatus vivito
d. h. doch wohl nur: möge es
Dir ebenſo gehen und Dir Niemand (unter andern auch zu einer in jus vo-
catio
) Zeugniß gewähren. Im neuern Recht hat der Begriff der Inteſtabilität
aber jedenfalls eine engere Bedeutung erhalten.
683) Gaj. III, 123.
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[553/0259] Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 46. ratio), 5 (nexum, mancipatio, coemptio, testamentum per aes et libram). Ueber die Zuziehung derſelben zu pro- ceſſualiſchen Handlungen iſt nicht viel bekannt, es gehören hierher der Zeuge bei der in jus vocatio, die Zeugen bei der Litis contestatio und bei dem Scheingang auf das vindi- cirte Grundſtück (ex jure manum consertum vocare), hier superstites genannt. 5. Geſchäfte ohne Mitwirkung anderer Perſonen, als der Partheien. Das hauptſächlichſte Anwendungsgebiet dieſer Form iſt das Obligationenrecht (Verbal- und Literalcon- tract). Die tutoris autoritas ſchließt ſich jeder andern Form an, läßt ſich alſo nicht als ſelbſtändige Form betrachten, und die öffentliche Bekanntmachung (palam praedicere) wie ſie z. B. bei Annahme von Bürgen 683) vorgeſchrieben war, ſo- wie die öffentliche Vorführung des verurtheilten Schuldners gehört ebenſo wenig hierher. Dagegen iſt eine Claſſe von Geſchäften hier abſichtlich übergangen, es ſind dies die, welche der Staat mit den Privaten abſchließt; das Eigen- thümliche derſelben kann erſt an einer andern Stelle ins rechte Licht geſetzt werden. Aus jener Zuſammenſtellung ergibt ſich, daß die Zahl der ſelbſtändigen Formen des ältern Rechts nicht gerade groß war. Die weitaus bedeutendſte Stelle unter ihnen nehmen die man- 682) 683) Gaj. III, 123. 682) konnte. Der „intestabilis“ war nicht bloß unfähig, bei einem ſolchen Ge- ſchäft als Zeuge zu fungiren, ſondern auch es in eigner Perſon vorzu- nehmen, und da auch im Proceß Zeugen aufgerufen werden mußten, war er wahrſcheinlich inſoweit auch unfähig, proceſſualiſche Handlungen mit Erfolg vorzunehmen. Liegt in Plautus Curc. V, 2. 24 eine Andeutung darauf? Es wird hier Jemand aufgerufen, als Zeuge bei einer in jus vocatio zu dienen, und da er ſich weigert, ſtößt der Andere den Fluch gegen ihn aus: Jupiter te male disperdat, intestatus vivito d. h. doch wohl nur: möge es Dir ebenſo gehen und Dir Niemand (unter andern auch zu einer in jus vo- catio) Zeugniß gewähren. Im neuern Recht hat der Begriff der Inteſtabilität aber jedenfalls eine engere Bedeutung erhalten.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/259>, abgerufen am 16.07.2024.