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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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A. Stellung d. Ind. Die Wohlfahrtsfrage. Privatunterstützung. §. 34.
des Einzelnen war hier die stillschweigende Voraussetzung
einer erfolgreichen Führung des Postens, mittelst dieses Amts
also als wesentliches Element in den Organismus der Staats-
verwaltung aufgenommen. Ein Aedil, der sich der mühsam-
sten persönlichen Mühwaltung unterzogen, aber es sich nichts
hätte kosten lassen wollen, das munus patrimonii als ein per-
sonale
behandelt hätte, würde nicht bloß die Gunst der getäusch-
ten untern Stände, sondern die Achtung des gesammten Volks
verloren und auf immer seine Aussichten auf Einfluß und aber-
malige Wahl verscherzt haben. Der Fall, in dem jene Verpflich-
tung der Aedilen sich zuerst und am natürlichsten ausbilden
konnte, mag die Besorgung der öffentlichen Spiele gewesen sein.
Der Staat schoß eine Summe dazu her (für die ludi magni
500,000 As), es verstand sich aber von selbst, daß wenn die
Aedilen mit derselben nicht reichten, sie den Ausfall zu decken
hatten, da es ihre Sache gewesen wäre, die Spiele von vorn-
herein billiger einzurichten. Ebenso hat auch für die übrigen
Ausgaben, die das ädilitische Amt mit sich brachte z. B. Liefe-
rung von Getraide, Oel ans Volk unter dem Einkaufspreis,
Bewirthung desselben, Anlegung von Häfen, Wasserleitungen,
Straßen, Theatern das öffentliche Geld ursprünglich den Stamm
abgegeben, zu dem sich die eignen Auslagen des Aedilen nur
als Zuschüsse verhielten. Jene öffentlichen Fonds bestanden
theils aus Geldern, die für irgend einen bestimmten einzelnen
Zweck aus dem Aerar bewilligt waren, theils -- und hier mit
freierer Dispositionsbefugniß für die Aedilen -- aus Strafgel-
dern, die dieselben selbst erkannt und beigetrieben hatten.389)
Es begreift sich leicht, daß die Beisteuer der Aedilen selbst im
Lauf der Zeit eine immer größere ward; ein ehrgeiziger, eitler,
verschwenderischer Vorgänger zwang durch sein Beispiel den
Nachfolger, wenigstens nicht gar zu weit hinter ihm zurückzu-

389) Decreta in eam rem pecunia und pecunia multatitia s. z. B.
Livius X, 23, 47. XXXI, 50. XXXIII, 42. XXXVIII, 35. XXXIX, 44.
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A. Stellung d. Ind. Die Wohlfahrtsfrage. Privatunterſtützung. §. 34.
des Einzelnen war hier die ſtillſchweigende Vorausſetzung
einer erfolgreichen Führung des Poſtens, mittelſt dieſes Amts
alſo als weſentliches Element in den Organismus der Staats-
verwaltung aufgenommen. Ein Aedil, der ſich der mühſam-
ſten perſönlichen Mühwaltung unterzogen, aber es ſich nichts
hätte koſten laſſen wollen, das munus patrimonii als ein per-
sonale
behandelt hätte, würde nicht bloß die Gunſt der getäuſch-
ten untern Stände, ſondern die Achtung des geſammten Volks
verloren und auf immer ſeine Ausſichten auf Einfluß und aber-
malige Wahl verſcherzt haben. Der Fall, in dem jene Verpflich-
tung der Aedilen ſich zuerſt und am natürlichſten ausbilden
konnte, mag die Beſorgung der öffentlichen Spiele geweſen ſein.
Der Staat ſchoß eine Summe dazu her (für die ludi magni
500,000 As), es verſtand ſich aber von ſelbſt, daß wenn die
Aedilen mit derſelben nicht reichten, ſie den Ausfall zu decken
hatten, da es ihre Sache geweſen wäre, die Spiele von vorn-
herein billiger einzurichten. Ebenſo hat auch für die übrigen
Ausgaben, die das ädilitiſche Amt mit ſich brachte z. B. Liefe-
rung von Getraide, Oel ans Volk unter dem Einkaufspreis,
Bewirthung deſſelben, Anlegung von Häfen, Waſſerleitungen,
Straßen, Theatern das öffentliche Geld urſprünglich den Stamm
abgegeben, zu dem ſich die eignen Auslagen des Aedilen nur
als Zuſchüſſe verhielten. Jene öffentlichen Fonds beſtanden
theils aus Geldern, die für irgend einen beſtimmten einzelnen
Zweck aus dem Aerar bewilligt waren, theils — und hier mit
freierer Dispoſitionsbefugniß für die Aedilen — aus Strafgel-
dern, die dieſelben ſelbſt erkannt und beigetrieben hatten.389)
Es begreift ſich leicht, daß die Beiſteuer der Aedilen ſelbſt im
Lauf der Zeit eine immer größere ward; ein ehrgeiziger, eitler,
verſchwenderiſcher Vorgänger zwang durch ſein Beiſpiel den
Nachfolger, wenigſtens nicht gar zu weit hinter ihm zurückzu-

389) Decreta in eam rem pecunia und pecunia multatitia ſ. z. B.
Livius X, 23, 47. XXXI, 50. XXXIII, 42. XXXVIII, 35. XXXIX, 44.
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[259/0273] A. Stellung d. Ind. Die Wohlfahrtsfrage. Privatunterſtützung. §. 34. des Einzelnen war hier die ſtillſchweigende Vorausſetzung einer erfolgreichen Führung des Poſtens, mittelſt dieſes Amts alſo als weſentliches Element in den Organismus der Staats- verwaltung aufgenommen. Ein Aedil, der ſich der mühſam- ſten perſönlichen Mühwaltung unterzogen, aber es ſich nichts hätte koſten laſſen wollen, das munus patrimonii als ein per- sonale behandelt hätte, würde nicht bloß die Gunſt der getäuſch- ten untern Stände, ſondern die Achtung des geſammten Volks verloren und auf immer ſeine Ausſichten auf Einfluß und aber- malige Wahl verſcherzt haben. Der Fall, in dem jene Verpflich- tung der Aedilen ſich zuerſt und am natürlichſten ausbilden konnte, mag die Beſorgung der öffentlichen Spiele geweſen ſein. Der Staat ſchoß eine Summe dazu her (für die ludi magni 500,000 As), es verſtand ſich aber von ſelbſt, daß wenn die Aedilen mit derſelben nicht reichten, ſie den Ausfall zu decken hatten, da es ihre Sache geweſen wäre, die Spiele von vorn- herein billiger einzurichten. Ebenſo hat auch für die übrigen Ausgaben, die das ädilitiſche Amt mit ſich brachte z. B. Liefe- rung von Getraide, Oel ans Volk unter dem Einkaufspreis, Bewirthung deſſelben, Anlegung von Häfen, Waſſerleitungen, Straßen, Theatern das öffentliche Geld urſprünglich den Stamm abgegeben, zu dem ſich die eignen Auslagen des Aedilen nur als Zuſchüſſe verhielten. Jene öffentlichen Fonds beſtanden theils aus Geldern, die für irgend einen beſtimmten einzelnen Zweck aus dem Aerar bewilligt waren, theils — und hier mit freierer Dispoſitionsbefugniß für die Aedilen — aus Strafgel- dern, die dieſelben ſelbſt erkannt und beigetrieben hatten. 389) Es begreift ſich leicht, daß die Beiſteuer der Aedilen ſelbſt im Lauf der Zeit eine immer größere ward; ein ehrgeiziger, eitler, verſchwenderiſcher Vorgänger zwang durch ſein Beiſpiel den Nachfolger, wenigſtens nicht gar zu weit hinter ihm zurückzu- 389) Decreta in eam rem pecunia und pecunia multatitia ſ. z. B. Livius X, 23, 47. XXXI, 50. XXXIII, 42. XXXVIII, 35. XXXIX, 44. 17*

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/273>, abgerufen am 25.11.2024.