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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Das Familienleben. §. 32.
schen Matronen. Die Zulassung der Plebejer zum Consulat,
eins der wichtigsten Ereignisse der Republik, ward ihrem letzten
persönlichen Motiv nach nicht sowohl auf Licinius Stolo selbst,
als auf seine ehrgeizige Frau zurückgeführt. 312) Ein anderes
höchst erbauliches Beispiel lieferte der Einfluß, den das schöne
Geschlecht bei Gelegenheit der Aufhebung des oppischen Ge-
setzes (über den Luxus der Frauen) ausübte, und dem gegen-
über selbst die Autorität eines Cato sich machtlos erwies. 313)

Bei einem Volke nun, bei dem das weibliche Geschlecht als
solches schon eine so hervorragende Stellung einnahm, kann

der Frauen und insbesondere von dem großen Ansehn und dem bedeutenden
Einfluß der Mütter in der Familie einen Ausdruck gegeben hat. Wie hätte
Coriolan einen stärkern Beweis seiner kindlichen Liebe zu der Mutter geben
können, als dadurch, daß er ihr mehr Gewalt über sich einräumte, als selbst
der Vaterlandsliebe."
312) Liv. VI. 34. Etwas ähnliches erzählt die Sage von der Tanaquil,
der Frau des Tarquinius Priscus Liv. I. 34. Ebenso bei Tarquinius Super-
bus Liv. I. c. 46: sed initium turbandi omnia a femina ortum est.
313) Man sehe die ergötzliche Schilderung der weiblichen Agitation bei
Livius XXXIV. c. 1. Matronae nulla nec auctoritate, nec verecun-
dia, nec imperio virorum contineri limine poterant, omnes vias
urbis aditusque in forum obsidebant .... etiam ex oppidis conciliabu-
lisque conveniebant. Jam et consules praetoresque et alios magistratus
adire et rogare audebant. c. 8... aliquanto major frequentia mulierum
postero die sese in publicum effudit unoque agmine omnes tribunorum
januas obsederunt, qui collegarum rogationi intercedebant, nec ante ab-
stiterunt quam remissa intercessio ab tribunis esset!
Ich möchte den
Bericht, den Livius hierüber gibt, allen denen, die sich über den vermeintli-
chen Druck, unter dem die Frauen in Rom lebten, beunruhigen sollten, zur
Lektüre anempfehlen; man wird daraus die trostreiche Ueberzeugung entneh-
men können, daß auch den Römern hinsichtlich ihrer eheherrlichen Gewalt die-
selben Erfahrungen nicht erspart blieben, die wir bei uns hinsichtlich des bi-
blischen Satzes: "und Er soll Dein Herr sein" machen müssen. Livius läßt
dort z. B. Cato sagen c. 3: recensete muliebria jura, quibus omnibus
constrictas vix tamen continere potestis. c. 4: Simul lex modum sumti-
bus uxoris tuae facere desierit, tu numquam facies!
Man sehe ferner die
Zugeständnisse der Ehemänner und ihre Klagen über das Auftreten der
Frauen bei Plautus Asin. I. 1, 73. Aulul. III, 5, 14--62.
14*

A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Das Familienleben. §. 32.
ſchen Matronen. Die Zulaſſung der Plebejer zum Conſulat,
eins der wichtigſten Ereigniſſe der Republik, ward ihrem letzten
perſönlichen Motiv nach nicht ſowohl auf Licinius Stolo ſelbſt,
als auf ſeine ehrgeizige Frau zurückgeführt. 312) Ein anderes
höchſt erbauliches Beiſpiel lieferte der Einfluß, den das ſchöne
Geſchlecht bei Gelegenheit der Aufhebung des oppiſchen Ge-
ſetzes (über den Luxus der Frauen) ausübte, und dem gegen-
über ſelbſt die Autorität eines Cato ſich machtlos erwies. 313)

Bei einem Volke nun, bei dem das weibliche Geſchlecht als
ſolches ſchon eine ſo hervorragende Stellung einnahm, kann

der Frauen und insbeſondere von dem großen Anſehn und dem bedeutenden
Einfluß der Mütter in der Familie einen Ausdruck gegeben hat. Wie hätte
Coriolan einen ſtärkern Beweis ſeiner kindlichen Liebe zu der Mutter geben
können, als dadurch, daß er ihr mehr Gewalt über ſich einräumte, als ſelbſt
der Vaterlandsliebe.“
312) Liv. VI. 34. Etwas ähnliches erzählt die Sage von der Tanaquil,
der Frau des Tarquinius Priscus Liv. I. 34. Ebenſo bei Tarquinius Super-
bus Liv. I. c. 46: sed initium turbandi omnia a femina ortum est.
313) Man ſehe die ergötzliche Schilderung der weiblichen Agitation bei
Livius XXXIV. c. 1. Matronae nulla nec auctoritate, nec verecun-
dia, nec imperio virorum contineri limine poterant, omnes vias
urbis aditusque in forum obsidebant .... etiam ex oppidis conciliabu-
lisque conveniebant. Jam et consules praetoresque et alios magistratus
adire et rogare audebant. c. 8… aliquanto major frequentia mulierum
postero die sese in publicum effudit unoque agmine omnes tribunorum
januas obsederunt, qui collegarum rogationi intercedebant, nec ante ab-
stiterunt quam remissa intercessio ab tribunis esset!
Ich möchte den
Bericht, den Livius hierüber gibt, allen denen, die ſich über den vermeintli-
chen Druck, unter dem die Frauen in Rom lebten, beunruhigen ſollten, zur
Lektüre anempfehlen; man wird daraus die troſtreiche Ueberzeugung entneh-
men können, daß auch den Römern hinſichtlich ihrer eheherrlichen Gewalt die-
ſelben Erfahrungen nicht erſpart blieben, die wir bei uns hinſichtlich des bi-
bliſchen Satzes: „und Er ſoll Dein Herr ſein“ machen müſſen. Livius läßt
dort z. B. Cato ſagen c. 3: recensete muliebria jura, quibus omnibus
constrictas vix tamen continere potestis. c. 4: Simul lex modum sumti-
bus uxoris tuae facere desierit, tu numquam facies!
Man ſehe ferner die
Zugeſtändniſſe der Ehemänner und ihre Klagen über das Auftreten der
Frauen bei Plautus Asin. I. 1, 73. Aulul. III, 5, 14—62.
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[211/0225] A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Das Familienleben. §. 32. ſchen Matronen. Die Zulaſſung der Plebejer zum Conſulat, eins der wichtigſten Ereigniſſe der Republik, ward ihrem letzten perſönlichen Motiv nach nicht ſowohl auf Licinius Stolo ſelbſt, als auf ſeine ehrgeizige Frau zurückgeführt. 312) Ein anderes höchſt erbauliches Beiſpiel lieferte der Einfluß, den das ſchöne Geſchlecht bei Gelegenheit der Aufhebung des oppiſchen Ge- ſetzes (über den Luxus der Frauen) ausübte, und dem gegen- über ſelbſt die Autorität eines Cato ſich machtlos erwies. 313) Bei einem Volke nun, bei dem das weibliche Geſchlecht als ſolches ſchon eine ſo hervorragende Stellung einnahm, kann 311) 312) Liv. VI. 34. Etwas ähnliches erzählt die Sage von der Tanaquil, der Frau des Tarquinius Priscus Liv. I. 34. Ebenſo bei Tarquinius Super- bus Liv. I. c. 46: sed initium turbandi omnia a femina ortum est. 313) Man ſehe die ergötzliche Schilderung der weiblichen Agitation bei Livius XXXIV. c. 1. Matronae nulla nec auctoritate, nec verecun- dia, nec imperio virorum contineri limine poterant, omnes vias urbis aditusque in forum obsidebant .... etiam ex oppidis conciliabu- lisque conveniebant. Jam et consules praetoresque et alios magistratus adire et rogare audebant. c. 8… aliquanto major frequentia mulierum postero die sese in publicum effudit unoque agmine omnes tribunorum januas obsederunt, qui collegarum rogationi intercedebant, nec ante ab- stiterunt quam remissa intercessio ab tribunis esset! Ich möchte den Bericht, den Livius hierüber gibt, allen denen, die ſich über den vermeintli- chen Druck, unter dem die Frauen in Rom lebten, beunruhigen ſollten, zur Lektüre anempfehlen; man wird daraus die troſtreiche Ueberzeugung entneh- men können, daß auch den Römern hinſichtlich ihrer eheherrlichen Gewalt die- ſelben Erfahrungen nicht erſpart blieben, die wir bei uns hinſichtlich des bi- bliſchen Satzes: „und Er ſoll Dein Herr ſein“ machen müſſen. Livius läßt dort z. B. Cato ſagen c. 3: recensete muliebria jura, quibus omnibus constrictas vix tamen continere potestis. c. 4: Simul lex modum sumti- bus uxoris tuae facere desierit, tu numquam facies! Man ſehe ferner die Zugeſtändniſſe der Ehemänner und ihre Klagen über das Auftreten der Frauen bei Plautus Asin. I. 1, 73. Aulul. III, 5, 14—62. 311) der Frauen und insbeſondere von dem großen Anſehn und dem bedeutenden Einfluß der Mütter in der Familie einen Ausdruck gegeben hat. Wie hätte Coriolan einen ſtärkern Beweis ſeiner kindlichen Liebe zu der Mutter geben können, als dadurch, daß er ihr mehr Gewalt über ſich einräumte, als ſelbſt der Vaterlandsliebe.“ 14*

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/225>, abgerufen am 06.05.2024.