Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. man von ihnen verlangte, der Einfluß, den man ihnen zuge-stand, der Grundsatz der Monogamie, der den Römern von al- tersher eigen war, kurz diese und andere Züge weisen deutlich auf eine idealere Erfassung von dem Beruf und der Würde der Frau hin. In besonders anschaulicher Weise tritt uns dies an der Rolle entgegen, die die Frauen in der römischen Geschichte spielen. Dankbar verherrlichte die römische Erinnerung das An- denken von Frauen, die glänzende Beispiele der Treue, Keuschheit und anderer weiblichen Tugenden geliefert hatten, und die rö- mische Sage und Geschichte, trotzdem daß sie wie keine andere Gelegenheit hatte, spezifisch männliche Tugenden zu preisen, suchte doch mit ganz entschiedener Vorliebe die wichtigsten Ereig- nisse mit Frauen in Beziehung, ja in Causalnexus zu setzen. 310) Roms erster Krieg entbrennt um sie; er droht Rom im Keim zu ersticken, aber die geraubten Frauen, durch Liebe zu ihren Männern getrieben, retten Rom und lehnen es ab zu den Ihri- gen zurückzukehren. Nach der Sage bestand ihr Lohn darin, daß die Kurien die Namen der Frauen erhielten; wahr oder falsch, jedenfalls ein höchst charakteristischer Zug. Die Vertreibung der Könige knüpft an die Lukretia, der Sturz des Decemvirats an die Virginia an -- das Maß der Entrüstung lief erst über, und der Unwille brach in Empörung aus, als die Willkühr sich gegen ein Weib wandte. Die Abwehr des Corio- lan, von der das Heil Roms abhing, erfolgte nach fruchtloser Erschöpfung aller Mittel durch seine Mutter 311) und die römi- manche Väter nach ihm ihre Töchter, welche sich vergangen hatten, z. B. Val. Max. VI. 1. 3 u. 6. 310) Dessen waren die Römer sich selbst sehr wohl bewußt. Cato der Aeltere, dem man eben keine enthusiastische Verehrung des weiblichen Ge- schlechts vorwerfen kann, hatte in seinen origines darauf aufmerksam ge- macht (Liv. XXXIV. 5) und den Satz durch eine Reihe von Beispielen er- läutert. Bei den Verhandlungen über die Aufhebung des oppischen Gesetzes (Liv. ib. 2--7) mußte er es erleben, daß seine Gegner jener Schrift die Waffen zu seiner eignen Bekämpfung entlehnten. 311) Peter Gesch. Roms B. 1, S. 148 verweist hierauf mit Recht als
auf eine Sage, in der sich "die hohe Vorstellung der Römer von der Würde Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. man von ihnen verlangte, der Einfluß, den man ihnen zuge-ſtand, der Grundſatz der Monogamie, der den Römern von al- tersher eigen war, kurz dieſe und andere Züge weiſen deutlich auf eine idealere Erfaſſung von dem Beruf und der Würde der Frau hin. In beſonders anſchaulicher Weiſe tritt uns dies an der Rolle entgegen, die die Frauen in der römiſchen Geſchichte ſpielen. Dankbar verherrlichte die römiſche Erinnerung das An- denken von Frauen, die glänzende Beiſpiele der Treue, Keuſchheit und anderer weiblichen Tugenden geliefert hatten, und die rö- miſche Sage und Geſchichte, trotzdem daß ſie wie keine andere Gelegenheit hatte, ſpezifiſch männliche Tugenden zu preiſen, ſuchte doch mit ganz entſchiedener Vorliebe die wichtigſten Ereig- niſſe mit Frauen in Beziehung, ja in Cauſalnexus zu ſetzen. 310) Roms erſter Krieg entbrennt um ſie; er droht Rom im Keim zu erſticken, aber die geraubten Frauen, durch Liebe zu ihren Männern getrieben, retten Rom und lehnen es ab zu den Ihri- gen zurückzukehren. Nach der Sage beſtand ihr Lohn darin, daß die Kurien die Namen der Frauen erhielten; wahr oder falſch, jedenfalls ein höchſt charakteriſtiſcher Zug. Die Vertreibung der Könige knüpft an die Lukretia, der Sturz des Decemvirats an die Virginia an — das Maß der Entrüſtung lief erſt über, und der Unwille brach in Empörung aus, als die Willkühr ſich gegen ein Weib wandte. Die Abwehr des Corio- lan, von der das Heil Roms abhing, erfolgte nach fruchtloſer Erſchöpfung aller Mittel durch ſeine Mutter 311) und die römi- manche Väter nach ihm ihre Töchter, welche ſich vergangen hatten, z. B. Val. Max. VI. 1. 3 u. 6. 310) Deſſen waren die Römer ſich ſelbſt ſehr wohl bewußt. Cato der Aeltere, dem man eben keine enthuſiaſtiſche Verehrung des weiblichen Ge- ſchlechts vorwerfen kann, hatte in ſeinen origines darauf aufmerkſam ge- macht (Liv. XXXIV. 5) und den Satz durch eine Reihe von Beiſpielen er- läutert. Bei den Verhandlungen über die Aufhebung des oppiſchen Geſetzes (Liv. ib. 2—7) mußte er es erleben, daß ſeine Gegner jener Schrift die Waffen zu ſeiner eignen Bekämpfung entlehnten. 311) Peter Geſch. Roms B. 1, S. 148 verweiſt hierauf mit Recht als
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Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
man von ihnen verlangte, der Einfluß, den man ihnen zuge-
ſtand, der Grundſatz der Monogamie, der den Römern von al-
tersher eigen war, kurz dieſe und andere Züge weiſen deutlich
auf eine idealere Erfaſſung von dem Beruf und der Würde der
Frau hin. In beſonders anſchaulicher Weiſe tritt uns dies an
der Rolle entgegen, die die Frauen in der römiſchen Geſchichte
ſpielen. Dankbar verherrlichte die römiſche Erinnerung das An-
denken von Frauen, die glänzende Beiſpiele der Treue, Keuſchheit
und anderer weiblichen Tugenden geliefert hatten, und die rö-
miſche Sage und Geſchichte, trotzdem daß ſie wie keine andere
Gelegenheit hatte, ſpezifiſch männliche Tugenden zu preiſen,
ſuchte doch mit ganz entſchiedener Vorliebe die wichtigſten Ereig-
niſſe mit Frauen in Beziehung, ja in Cauſalnexus zu ſetzen. 310)
Roms erſter Krieg entbrennt um ſie; er droht Rom im Keim
zu erſticken, aber die geraubten Frauen, durch Liebe zu ihren
Männern getrieben, retten Rom und lehnen es ab zu den Ihri-
gen zurückzukehren. Nach der Sage beſtand ihr Lohn darin,
daß die Kurien die Namen der Frauen erhielten; wahr
oder falſch, jedenfalls ein höchſt charakteriſtiſcher Zug. Die
Vertreibung der Könige knüpft an die Lukretia, der Sturz des
Decemvirats an die Virginia an — das Maß der Entrüſtung
lief erſt über, und der Unwille brach in Empörung aus, als die
Willkühr ſich gegen ein Weib wandte. Die Abwehr des Corio-
lan, von der das Heil Roms abhing, erfolgte nach fruchtloſer
Erſchöpfung aller Mittel durch ſeine Mutter 311) und die römi-
309)
310) Deſſen waren die Römer ſich ſelbſt ſehr wohl bewußt. Cato der
Aeltere, dem man eben keine enthuſiaſtiſche Verehrung des weiblichen Ge-
ſchlechts vorwerfen kann, hatte in ſeinen origines darauf aufmerkſam ge-
macht (Liv. XXXIV. 5) und den Satz durch eine Reihe von Beiſpielen er-
läutert. Bei den Verhandlungen über die Aufhebung des oppiſchen Geſetzes
(Liv. ib. 2—7) mußte er es erleben, daß ſeine Gegner jener Schrift die
Waffen zu ſeiner eignen Bekämpfung entlehnten.
311) Peter Geſch. Roms B. 1, S. 148 verweiſt hierauf mit Recht als
auf eine Sage, in der ſich „die hohe Vorſtellung der Römer von der Würde
309) manche Väter nach ihm ihre Töchter, welche ſich vergangen hatten, z. B. Val.
Max. VI. 1. 3 u. 6.
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