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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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Zweites Buch. Erster Abschnitt. II. Die Grundtriebe.
steht oder fehlt -- der einzige Ort im römischen Recht, wo
das Heergeräthe 111) eine, wenn auch bescheidenere Rolle,
als im deutschen Recht spielt. Der Unterschied der beweg-
lichen
und unbeweglichen Sachen hat aber im ältern
römischen Recht bei weitem nicht den Einfluß ausgeübt, den
man von vornherein erwarten könnte. Wenn sich gleich ein-
zelnes findet wie z. B. die Verschiedenheit der Usucapions-
zeit (1 u. 2 Jahr), und der Klagen, die die Abwehr oder den
Ersatz einer Beschädigung zum Zweck haben (interd. quod vi
aut clam, cautio damni infecti, oper. novi nunciatio
auf der
einen, die act. legis Aquiliae auf der andern Seite), so ver-
schwindet dies doch gegenüber der sonstigen Einflußlosigkeit jenes
Unterschiedes. Der Besitz, 112) das Eigenthum, Pfandrecht,
Erbrecht, die obligatio sind gegen denselben im wesentlichen
völlig indifferent, sowohl hinsichtlich der Formen, in denen sie
sich bewegen, als hinsichtlich ihrer materiellen Wirksamkeit.
Um dies zu würdigen, erinnere man sich der ungeheuern Rolle,
die das Grundeigenthum im ältern deutschen Recht spielt, und
die so weit geht, daß man von einem verschiedenen Sachenrecht
an Immobilien wie Mobilien sprechen kann; 113) ja selbst ein
Vergleich des spätern römischen Rechts ist hier nicht ohne Nu-
tzen. 114) Es bewährt sich an diesem Beispiel wieder so recht die

111) Diesen glücklichen Gesichtspunkt, unter den sich alle jene Sachen
mit Ausnahme des Grundstücks, das ja zum Heergeräthe nicht gezählt werden
kann, ungezwungen unterordnen, hat zuerst, soviel ich weiß, Hase das Jus
postliminii
S. 47 aufgestellt.
112) Ob die possessorischen Interdikte, hinsichtlich deren jener Unterschied
allerdings wichtig wird, bereits dem ältern Recht angehören, ist mir mehr als
fraglich; es ist hier nicht der Ort darauf einzugehn, wir werden bei einer an-
dern Gelegenheit auf diese Frage zurückkommen.
113) S. z. B. Gerber deutsches Privatrecht §. 74. Das römische Ei-
genthum dagegen, die Usucapio, das Pfandrecht u. s. w. ist ganz derselbe
Begriff für bewegliche wie unbewegliche Sachen.
114) S. das dritte System. Einzelnes will ich hervorheben. 1. Heim-
liche Apprehension verschaffte früher den Besitz sowohl bei beweglichen wie

Zweites Buch. Erſter Abſchnitt. II. Die Grundtriebe.
ſteht oder fehlt — der einzige Ort im römiſchen Recht, wo
das Heergeräthe 111) eine, wenn auch beſcheidenere Rolle,
als im deutſchen Recht ſpielt. Der Unterſchied der beweg-
lichen
und unbeweglichen Sachen hat aber im ältern
römiſchen Recht bei weitem nicht den Einfluß ausgeübt, den
man von vornherein erwarten könnte. Wenn ſich gleich ein-
zelnes findet wie z. B. die Verſchiedenheit der Uſucapions-
zeit (1 u. 2 Jahr), und der Klagen, die die Abwehr oder den
Erſatz einer Beſchädigung zum Zweck haben (interd. quod vi
aut clam, cautio damni infecti, oper. novi nunciatio
auf der
einen, die act. legis Aquiliae auf der andern Seite), ſo ver-
ſchwindet dies doch gegenüber der ſonſtigen Einflußloſigkeit jenes
Unterſchiedes. Der Beſitz, 112) das Eigenthum, Pfandrecht,
Erbrecht, die obligatio ſind gegen denſelben im weſentlichen
völlig indifferent, ſowohl hinſichtlich der Formen, in denen ſie
ſich bewegen, als hinſichtlich ihrer materiellen Wirkſamkeit.
Um dies zu würdigen, erinnere man ſich der ungeheuern Rolle,
die das Grundeigenthum im ältern deutſchen Recht ſpielt, und
die ſo weit geht, daß man von einem verſchiedenen Sachenrecht
an Immobilien wie Mobilien ſprechen kann; 113) ja ſelbſt ein
Vergleich des ſpätern römiſchen Rechts iſt hier nicht ohne Nu-
tzen. 114) Es bewährt ſich an dieſem Beiſpiel wieder ſo recht die

111) Dieſen glücklichen Geſichtspunkt, unter den ſich alle jene Sachen
mit Ausnahme des Grundſtücks, das ja zum Heergeräthe nicht gezählt werden
kann, ungezwungen unterordnen, hat zuerſt, ſoviel ich weiß, Haſe das Jus
postliminii
S. 47 aufgeſtellt.
112) Ob die poſſeſſoriſchen Interdikte, hinſichtlich deren jener Unterſchied
allerdings wichtig wird, bereits dem ältern Recht angehören, iſt mir mehr als
fraglich; es iſt hier nicht der Ort darauf einzugehn, wir werden bei einer an-
dern Gelegenheit auf dieſe Frage zurückkommen.
113) S. z. B. Gerber deutſches Privatrecht §. 74. Das römiſche Ei-
genthum dagegen, die Uſucapio, das Pfandrecht u. ſ. w. iſt ganz derſelbe
Begriff für bewegliche wie unbewegliche Sachen.
114) S. das dritte Syſtem. Einzelnes will ich hervorheben. 1. Heim-
liche Apprehenſion verſchaffte früher den Beſitz ſowohl bei beweglichen wie
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[106/0120] Zweites Buch. Erſter Abſchnitt. II. Die Grundtriebe. ſteht oder fehlt — der einzige Ort im römiſchen Recht, wo das Heergeräthe 111) eine, wenn auch beſcheidenere Rolle, als im deutſchen Recht ſpielt. Der Unterſchied der beweg- lichen und unbeweglichen Sachen hat aber im ältern römiſchen Recht bei weitem nicht den Einfluß ausgeübt, den man von vornherein erwarten könnte. Wenn ſich gleich ein- zelnes findet wie z. B. die Verſchiedenheit der Uſucapions- zeit (1 u. 2 Jahr), und der Klagen, die die Abwehr oder den Erſatz einer Beſchädigung zum Zweck haben (interd. quod vi aut clam, cautio damni infecti, oper. novi nunciatio auf der einen, die act. legis Aquiliae auf der andern Seite), ſo ver- ſchwindet dies doch gegenüber der ſonſtigen Einflußloſigkeit jenes Unterſchiedes. Der Beſitz, 112) das Eigenthum, Pfandrecht, Erbrecht, die obligatio ſind gegen denſelben im weſentlichen völlig indifferent, ſowohl hinſichtlich der Formen, in denen ſie ſich bewegen, als hinſichtlich ihrer materiellen Wirkſamkeit. Um dies zu würdigen, erinnere man ſich der ungeheuern Rolle, die das Grundeigenthum im ältern deutſchen Recht ſpielt, und die ſo weit geht, daß man von einem verſchiedenen Sachenrecht an Immobilien wie Mobilien ſprechen kann; 113) ja ſelbſt ein Vergleich des ſpätern römiſchen Rechts iſt hier nicht ohne Nu- tzen. 114) Es bewährt ſich an dieſem Beiſpiel wieder ſo recht die 111) Dieſen glücklichen Geſichtspunkt, unter den ſich alle jene Sachen mit Ausnahme des Grundſtücks, das ja zum Heergeräthe nicht gezählt werden kann, ungezwungen unterordnen, hat zuerſt, ſoviel ich weiß, Haſe das Jus postliminii S. 47 aufgeſtellt. 112) Ob die poſſeſſoriſchen Interdikte, hinſichtlich deren jener Unterſchied allerdings wichtig wird, bereits dem ältern Recht angehören, iſt mir mehr als fraglich; es iſt hier nicht der Ort darauf einzugehn, wir werden bei einer an- dern Gelegenheit auf dieſe Frage zurückkommen. 113) S. z. B. Gerber deutſches Privatrecht §. 74. Das römiſche Ei- genthum dagegen, die Uſucapio, das Pfandrecht u. ſ. w. iſt ganz derſelbe Begriff für bewegliche wie unbewegliche Sachen. 114) S. das dritte Syſtem. Einzelnes will ich hervorheben. 1. Heim- liche Apprehenſion verſchaffte früher den Beſitz ſowohl bei beweglichen wie

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/120>, abgerufen am 25.11.2024.