Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.II. Der Gleichheitstrieb. -- Rechtl. Verschiedenheit d. Sachen. §. 29. Grundsätze des Civilrechts, namentlich also -- was für diesesVerhältniß gerade besonders drückend war -- die Grundsätze über die Unzulässigkeit der Stellvertretung. Der Pupill mußte selbst handeln, der Tutor ertheilte nur die auctoritas; war jener dazu noch nicht fähig, so konnte dieser ihn nicht vertreten, die Handlung mußte mithin unterbleiben. 110) Selbst durch das besonders dringende Bedürfniß dieses Verhältnisses ließ sich also das ältere Recht nicht zu einer Ausnahme bestimmen. Ein Vorzug des Alters im Erbrecht, ein Recht der Erstgeburt ist dem römischen Recht jeder Zeit fremd geblieben. Die Verschiedenheit der Sachen hat natürlich auch im äl- 110) Die entgegengesetzte Ansicht hat weder Quellenzeugnisse noch den
Geist des ältern Rechts für sich, und man kann daher mit v. Scheuerl Bei- träge, B. 2 S. 11, allerdings seine "Verwunderung" darüber äußern, daß eine Autorität wie Keller sich noch neuerdings in seinem Civilproceß S. 233 Anm. 641 dafür erklären konnte. II. Der Gleichheitstrieb. — Rechtl. Verſchiedenheit d. Sachen. §. 29. Grundſätze des Civilrechts, namentlich alſo — was für dieſesVerhältniß gerade beſonders drückend war — die Grundſätze über die Unzuläſſigkeit der Stellvertretung. Der Pupill mußte ſelbſt handeln, der Tutor ertheilte nur die auctoritas; war jener dazu noch nicht fähig, ſo konnte dieſer ihn nicht vertreten, die Handlung mußte mithin unterbleiben. 110) Selbſt durch das beſonders dringende Bedürfniß dieſes Verhältniſſes ließ ſich alſo das ältere Recht nicht zu einer Ausnahme beſtimmen. Ein Vorzug des Alters im Erbrecht, ein Recht der Erſtgeburt iſt dem römiſchen Recht jeder Zeit fremd geblieben. Die Verſchiedenheit der Sachen hat natürlich auch im äl- 110) Die entgegengeſetzte Anſicht hat weder Quellenzeugniſſe noch den
Geiſt des ältern Rechts für ſich, und man kann daher mit v. Scheuerl Bei- träge, B. 2 S. 11, allerdings ſeine „Verwunderung“ darüber äußern, daß eine Autorität wie Keller ſich noch neuerdings in ſeinem Civilproceß S. 233 Anm. 641 dafür erklären konnte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0119" n="105"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Der Gleichheitstrieb. — Rechtl. Verſchiedenheit d. Sachen. §. 29.</fw><lb/> Grundſätze des Civilrechts, namentlich alſo — was für dieſes<lb/> Verhältniß gerade beſonders drückend war — die Grundſätze<lb/> über die Unzuläſſigkeit der Stellvertretung. Der Pupill mußte<lb/> ſelbſt handeln, der Tutor ertheilte nur die <hi rendition="#aq">auctoritas;</hi> war jener<lb/> dazu noch nicht fähig, ſo konnte dieſer ihn nicht vertreten, die<lb/> Handlung mußte mithin unterbleiben. <note place="foot" n="110)">Die entgegengeſetzte Anſicht hat weder Quellenzeugniſſe noch den<lb/> Geiſt des ältern Rechts für ſich, und man kann daher mit v. Scheuerl Bei-<lb/> träge, B. 2 S. 11, allerdings ſeine „Verwunderung“ darüber äußern, daß<lb/> eine Autorität wie Keller ſich noch neuerdings in ſeinem Civilproceß S. 233<lb/> Anm. 641 dafür erklären konnte.</note> Selbſt durch das<lb/> beſonders dringende Bedürfniß dieſes Verhältniſſes ließ ſich<lb/> alſo das ältere Recht nicht zu einer Ausnahme beſtimmen. Ein<lb/> Vorzug des Alters im Erbrecht, ein Recht der Erſtgeburt iſt<lb/> dem römiſchen Recht jeder Zeit fremd geblieben.</p><lb/> <p>Die Verſchiedenheit der <hi rendition="#g">Sachen</hi> hat natürlich auch im äl-<lb/> tern römiſchen Recht nicht ohne rechtlichen Einfluß bleiben kön-<lb/> nen, allein derſelbe iſt hier doch mit dem, den er anderwärts,<lb/> z. B. im ältern deutſchen Recht ausübt, gar nicht zu vergleichen.<lb/> Von denjenigen rechtlichen Verſchiedenheiten, die eine <hi rendition="#g">noth-<lb/> wendige</hi> Folge der natürlichen Verſchiedenheit des Gegen-<lb/> ſtandes ſind, z. B. daß Prädialſervituten nur an unbeweglichen<lb/> Sachen, Noxalklagen nur bei Thieren und Menſchen möglich<lb/> ſind, ein <hi rendition="#aq">mutuum</hi> nur an Fungibilien, ein <hi rendition="#aq">usus fructus</hi> <hi rendition="#g">nicht</hi><lb/> an Conſumtibilien denkbar iſt, kann überall nicht die Rede ſein.<lb/> Dagegen hat ſich allerdings die wirthſchaftlich verſchiedene Be-<lb/> ſtimmung eines <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">praedium urbanum</hi></hi> und <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">rusticum</hi></hi> frucht-<lb/> bar erwieſen, in der dritten Periode freilich noch mehr, als<lb/> in der gegenwärtigen, für die ſich dies mit Sicherheit nur<lb/> hinſichtlich der Prädialſervituten und der <hi rendition="#aq">actio aquae pluviae<lb/> arcendae</hi> nachweiſen läßt. Ebenſo der Gegenſatz der <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">res<lb/> mancipi</hi></hi> und <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">res nec mancipi,</hi></hi> jenes hiſtoriſche Räthſel,<lb/> von dem ſchon früher (B. 1 S. 109) die Rede war. Ferner<lb/> der Unterſchied der Sachen, an denen das <hi rendition="#aq">jus postliminii</hi> zu-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0119]
II. Der Gleichheitstrieb. — Rechtl. Verſchiedenheit d. Sachen. §. 29.
Grundſätze des Civilrechts, namentlich alſo — was für dieſes
Verhältniß gerade beſonders drückend war — die Grundſätze
über die Unzuläſſigkeit der Stellvertretung. Der Pupill mußte
ſelbſt handeln, der Tutor ertheilte nur die auctoritas; war jener
dazu noch nicht fähig, ſo konnte dieſer ihn nicht vertreten, die
Handlung mußte mithin unterbleiben. 110) Selbſt durch das
beſonders dringende Bedürfniß dieſes Verhältniſſes ließ ſich
alſo das ältere Recht nicht zu einer Ausnahme beſtimmen. Ein
Vorzug des Alters im Erbrecht, ein Recht der Erſtgeburt iſt
dem römiſchen Recht jeder Zeit fremd geblieben.
Die Verſchiedenheit der Sachen hat natürlich auch im äl-
tern römiſchen Recht nicht ohne rechtlichen Einfluß bleiben kön-
nen, allein derſelbe iſt hier doch mit dem, den er anderwärts,
z. B. im ältern deutſchen Recht ausübt, gar nicht zu vergleichen.
Von denjenigen rechtlichen Verſchiedenheiten, die eine noth-
wendige Folge der natürlichen Verſchiedenheit des Gegen-
ſtandes ſind, z. B. daß Prädialſervituten nur an unbeweglichen
Sachen, Noxalklagen nur bei Thieren und Menſchen möglich
ſind, ein mutuum nur an Fungibilien, ein usus fructus nicht
an Conſumtibilien denkbar iſt, kann überall nicht die Rede ſein.
Dagegen hat ſich allerdings die wirthſchaftlich verſchiedene Be-
ſtimmung eines praedium urbanum und rusticum frucht-
bar erwieſen, in der dritten Periode freilich noch mehr, als
in der gegenwärtigen, für die ſich dies mit Sicherheit nur
hinſichtlich der Prädialſervituten und der actio aquae pluviae
arcendae nachweiſen läßt. Ebenſo der Gegenſatz der res
mancipi und res nec mancipi, jenes hiſtoriſche Räthſel,
von dem ſchon früher (B. 1 S. 109) die Rede war. Ferner
der Unterſchied der Sachen, an denen das jus postliminii zu-
110) Die entgegengeſetzte Anſicht hat weder Quellenzeugniſſe noch den
Geiſt des ältern Rechts für ſich, und man kann daher mit v. Scheuerl Bei-
träge, B. 2 S. 11, allerdings ſeine „Verwunderung“ darüber äußern, daß
eine Autorität wie Keller ſich noch neuerdings in ſeinem Civilproceß S. 233
Anm. 641 dafür erklären konnte.
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