Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Psychische Organisation des Rechts. §. 3. ben nennen, die Institute des Rechts, den gesammten Complexseiner praktischen Organe den Körper desselben. Was da treibt, läßt sich nicht unmittelbar erkennen, und es ist ein Nothbehelf, wenn wir zur Erklärung von Wirkungen, die wir sehen, treibende Kräfte, die wir nicht wahrnehmen, supponiren; sie sind Ab- stractionen, zu denen die Gebrechlichkeit unserer Erkenntniß uns zwingt. In diesem Sinne machen wir denn auch im Recht von den Wirkungen den Schluß auf treibende Kräfte; letztere sind eine Abstraction, mittelst deren wir uns im Grunde nur die Wirkungen ins Bewußtsein bringen, die Ursache selbst bleibt eine Hypothese. Diese Abstractionen werden nicht selten eine gewisse Weite Um so viel höher nun diese psychische Organisation des 3*
Pſychiſche Organiſation des Rechts. §. 3. ben nennen, die Inſtitute des Rechts, den geſammten Complexſeiner praktiſchen Organe den Körper deſſelben. Was da treibt, läßt ſich nicht unmittelbar erkennen, und es iſt ein Nothbehelf, wenn wir zur Erklärung von Wirkungen, die wir ſehen, treibende Kräfte, die wir nicht wahrnehmen, ſupponiren; ſie ſind Ab- ſtractionen, zu denen die Gebrechlichkeit unſerer Erkenntniß uns zwingt. In dieſem Sinne machen wir denn auch im Recht von den Wirkungen den Schluß auf treibende Kräfte; letztere ſind eine Abſtraction, mittelſt deren wir uns im Grunde nur die Wirkungen ins Bewußtſein bringen, die Urſache ſelbſt bleibt eine Hypotheſe. Dieſe Abſtractionen werden nicht ſelten eine gewiſſe Weite Um ſo viel höher nun dieſe pſychiſche Organiſation des 3*
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Pſychiſche Organiſation des Rechts. §. 3.
ben nennen, die Inſtitute des Rechts, den geſammten Complex
ſeiner praktiſchen Organe den Körper deſſelben. Was da treibt,
läßt ſich nicht unmittelbar erkennen, und es iſt ein Nothbehelf,
wenn wir zur Erklärung von Wirkungen, die wir ſehen, treibende
Kräfte, die wir nicht wahrnehmen, ſupponiren; ſie ſind Ab-
ſtractionen, zu denen die Gebrechlichkeit unſerer Erkenntniß uns
zwingt. In dieſem Sinne machen wir denn auch im Recht
von den Wirkungen den Schluß auf treibende Kräfte; letztere
ſind eine Abſtraction, mittelſt deren wir uns im Grunde nur
die Wirkungen ins Bewußtſein bringen, die Urſache ſelbſt bleibt
eine Hypotheſe.
Dieſe Abſtractionen werden nicht ſelten eine gewiſſe Weite
haben müſſen, um ſämmtliche einzelne Erſcheinungen in ſich zu
ſchließen; ich möchte ſagen, die Verwandſchaft mancher Bildungen
des Rechts wird nicht die der erſten Generation ſein, ſondern wir
werden, um ſie zu entdecken, im Stammbaum weit zurückgreifen
müſſen. Die nächſten Gedanken, von denen die einzelnen Inſtitute
abſtammen, und die man beim erſten Blick in ihnen erkennt, wer-
den unter ſich vielleicht wenig Aehnlichkeit haben, aber die Ab-
ſtraction wird dann einige Generationen zurückgehen und dort
in einem allgemeineren Gedanken den gemeinſamen Ausgangs-
punkt entdecken. Für unſere Zwecke wollen wir darauf verzichten,
dieſe genealogiſchen Unterſuchungen bis zu dem Punkte fortzu-
führen, wo ſie uns auf ganz allgemeine logiſche Kategorieen
führen, auf Ahnen, die dem gemeinen Bewußtſein zweifelhaft
oder unbekannt ſind und in die graue an fingirten Ahnen nicht
arme Vorzeit der Spekulation fallen. Unſere letzten und höch-
ſten Begriffe ſollen nicht entlegener ſein, als daß ſie nicht auch
dem Nichtphiloſophen bekannt wären.
Um ſo viel höher nun dieſe pſychiſche Organiſation des
Rechts über dem leiblichen Organismus deſſelben erhaben iſt,
um eben ſo viel ſteigen auch die Schwierigkeiten der Erfor-
ſchung. Während die Rechtsſätze ſichtbar auf der Oberfläche
liegen, während die Rechtsinſtitute und Rechtsbegriffe durch
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