Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Systematische Gliederung der Rechtssätze. §. 3. Wir gehen jetzt in der Betrachtung der Structur des Rechts- Die Rechtssätze sind abstrahirt aus einer Betrachtung der 12) So spricht man z. B. von dem Rechtsinstitut des Eigenthums,
Erbrechts, Prozesses, der Vormundschaft u. s. w. Syſtematiſche Gliederung der Rechtsſätze. §. 3. Wir gehen jetzt in der Betrachtung der Structur des Rechts- Die Rechtsſätze ſind abſtrahirt aus einer Betrachtung der 12) So ſpricht man z. B. von dem Rechtsinſtitut des Eigenthums,
Erbrechts, Prozeſſes, der Vormundſchaft u. ſ. w. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0043" n="25"/> <fw place="top" type="header">Syſtematiſche Gliederung der Rechtsſätze. §. 3.</fw><lb/> <p>Wir gehen jetzt in der Betrachtung der Structur des Rechts-<lb/> organismus einen Schritt weiter. Die Rechtsſätze, welche wir<lb/> bisher behandelt haben, wurden oben von uns die praktiſchen<lb/> Spitzen des Rechts genannt; ſie bilden gewiſſermaßen die<lb/> äußere ſichtbare Oberfläche des Rechts und bezeichnen, wo ſie<lb/> in irgend einem Recht ausſchließlich und in ihrer urſprünglichen<lb/> imperativiſchen Form gefunden werden, eine niedere Entwick-<lb/> lungsſtufe deſſelben. Wie ſich nun ſowohl neben ihnen als aus<lb/> ihnen höhere Bildungen des Rechts erheben, ſoll jetzt gezeigt<lb/> werden.</p><lb/> <p>Die Rechtsſätze ſind abſtrahirt aus einer Betrachtung der<lb/> Lebensverhältniſſe und beſtimmt, die denſelben innewohnende<lb/> Natur auszuſprechen und ſie ihnen zu ſichern. Zur Bildung der<lb/> rechtlichen Form eines einzigen Lebensverhältniſſes können aber<lb/> mehre Rechtsſätze zuſammenwirken; ſie finden alſo in dieſem<lb/> ihrem gemeinſamen Gegenſtande ihren Vereinigungspunkt und<lb/> lagern ſich um ihn wie die Muskeln um den Knochen. Das in<lb/> dieſer Weiſe rechtlich geformte Lebensverhältniß kann ſeinerſeits<lb/> wiederum in abhängiger Beziehung zu einem andern ſtehen, ſich<lb/> zu demſelben verhalten z. B. als Phaſe, als ein tranſitoriſches<lb/> Moment deſſelben, wie der Erwerb und Verluſt der Rechte zu<lb/> den Rechten ſelbſt; oder als Folge, wie die Succeſſion des Erben<lb/> in die Schulden des Erblaſſers zu der Antretung der Erbſchaft;<lb/> oder als Spezies zu der Gattung, wie der Kaufcontrakt zu den<lb/> Contrakten, und dieſe zu den Obligationen. Auf dieſe Weiſe<lb/> ſchießen denn die vielen mannigfaltigen Rechtsverhältniſſe zu<lb/> einigen weiten Grundformen zuſammen, die ihrem Begriff,<lb/> Zweck und ihrer Structur nach von einander geſchieden ſind;<lb/> man nennt ſie Rechtsinſtitute. <note place="foot" n="12)">So ſpricht man z. B. von dem Rechtsinſtitut des Eigenthums,<lb/> Erbrechts, Prozeſſes, der Vormundſchaft u. ſ. w.</note> Sie bilden gewiſſermaßen das<lb/> feſte Knochengerippe des Rechts, um das die ganze Subſtanz<lb/> deſſelben ſich lagert.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [25/0043]
Syſtematiſche Gliederung der Rechtsſätze. §. 3.
Wir gehen jetzt in der Betrachtung der Structur des Rechts-
organismus einen Schritt weiter. Die Rechtsſätze, welche wir
bisher behandelt haben, wurden oben von uns die praktiſchen
Spitzen des Rechts genannt; ſie bilden gewiſſermaßen die
äußere ſichtbare Oberfläche des Rechts und bezeichnen, wo ſie
in irgend einem Recht ausſchließlich und in ihrer urſprünglichen
imperativiſchen Form gefunden werden, eine niedere Entwick-
lungsſtufe deſſelben. Wie ſich nun ſowohl neben ihnen als aus
ihnen höhere Bildungen des Rechts erheben, ſoll jetzt gezeigt
werden.
Die Rechtsſätze ſind abſtrahirt aus einer Betrachtung der
Lebensverhältniſſe und beſtimmt, die denſelben innewohnende
Natur auszuſprechen und ſie ihnen zu ſichern. Zur Bildung der
rechtlichen Form eines einzigen Lebensverhältniſſes können aber
mehre Rechtsſätze zuſammenwirken; ſie finden alſo in dieſem
ihrem gemeinſamen Gegenſtande ihren Vereinigungspunkt und
lagern ſich um ihn wie die Muskeln um den Knochen. Das in
dieſer Weiſe rechtlich geformte Lebensverhältniß kann ſeinerſeits
wiederum in abhängiger Beziehung zu einem andern ſtehen, ſich
zu demſelben verhalten z. B. als Phaſe, als ein tranſitoriſches
Moment deſſelben, wie der Erwerb und Verluſt der Rechte zu
den Rechten ſelbſt; oder als Folge, wie die Succeſſion des Erben
in die Schulden des Erblaſſers zu der Antretung der Erbſchaft;
oder als Spezies zu der Gattung, wie der Kaufcontrakt zu den
Contrakten, und dieſe zu den Obligationen. Auf dieſe Weiſe
ſchießen denn die vielen mannigfaltigen Rechtsverhältniſſe zu
einigen weiten Grundformen zuſammen, die ihrem Begriff,
Zweck und ihrer Structur nach von einander geſchieden ſind;
man nennt ſie Rechtsinſtitute. 12) Sie bilden gewiſſermaßen das
feſte Knochengerippe des Rechts, um das die ganze Subſtanz
deſſelben ſich lagert.
12) So ſpricht man z. B. von dem Rechtsinſtitut des Eigenthums,
Erbrechts, Prozeſſes, der Vormundſchaft u. ſ. w.
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