Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Einleitung -- die Methode. Es ist nun die Aufgabe der Wissenschaft, diese Gliederung Diese Bedeutung besteht nicht darin, daß das Rechtohne Einleitung — die Methode. Es iſt nun die Aufgabe der Wiſſenſchaft, dieſe Gliederung Dieſe Bedeutung beſteht nicht darin, daß das Rechtohne <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0044" n="26"/> <fw place="top" type="header">Einleitung — die Methode.</fw><lb/> <p>Es iſt nun die Aufgabe der Wiſſenſchaft, dieſe Gliederung<lb/> des Rechts zu erforſchen, für das Kleinſte wie das Größte die<lb/> richtige Stelle aufzuſuchen. Dieſe ſyſtematiſche Seite der Juris-<lb/> prudenz iſt für die Erkenntniß des Rechts von ungleich höherer<lb/> Bedeutung, als es auf den erſten Blick ſcheint, und wir wollen<lb/> ſie daher einer genaueren Betrachtung unterziehen.</p><lb/> <p>Dieſe Bedeutung beſteht nicht darin, daß das Rechtohne<lb/> ſeinen ſyſtematiſchen Zuſammenhang nicht verſtanden werden<lb/> kann, denn das iſt bei jedem Gegenſtande der Erkenntniß der<lb/> Fall. Auch bedarf <hi rendition="#g">das</hi> heutzutage wohl keiner Bemerkung, daß<lb/> das Syſtem ebenſowenig beim Recht wie bei jedem andern Ge-<lb/> genſtande eine Ordnung ſein ſoll, die man in die Sache <hi rendition="#g">hin-<lb/> ein</hi> bringt, ſondern eine ſolche, die man <hi rendition="#g">heraus</hi>holt. <hi rendition="#g">Jene</hi><lb/> iſt die der Sache ſelbſt fremde Logik eines Schematismus, in<lb/> den ſie gewaltſam hineingepreßt wird; es iſt ein <hi rendition="#g">Netz</hi>, das man<lb/> ebenſogut über dies als über jenes Recht werfen könnte, und<lb/> das die Auffaſſung der Structur des individuellen Gegenſtandes<lb/> mehr erſchwert, als erleichtert. Syſtem iſt gleichbedeutend mit<lb/> innerer Ordnung der Sache ſelbſt und iſt daher immer ganz<lb/> individuell; dieſem Rechte iſt ein anderes Syſtem eigenthümlich,<lb/> als jenem. Bei dem Rechte beſteht nun das Unterſcheidende der<lb/> ſyſtematiſchen Thätigkeit darin, daß dadurch nicht bloß wie bei<lb/> jeder andern Wiſſenſchaft das einzelne an ſeine richtige Stelle<lb/> gebracht wird, ſondern daß dieſer <hi rendition="#g">formale</hi> Prozeß eine <hi rendition="#g">mate-<lb/> rielle</hi> Rückwirkung auf den Stoff ausübt, daß mit letzterem,<lb/> nämlich den Rechtsſätzen, eine innere Umwandlung vor ſich<lb/> geht. <hi rendition="#g">Die Rechtsſätze treten gewiſſermaßen in einen<lb/> höhern Aggregatzuſtand</hi>, ſie ſtreifen ihre Form als Gebote<lb/> und Verbote ab und verflüchtigen ſich zu Elementen und Qua-<lb/> litäten der Rechtsinſtitute. So bilden ſich aus ihnen z. B. die<lb/> Begriffe der Inſtitute, der Thatbeſtand der Rechtsgeſchäfte, die<lb/> Eigenſchaften der Perſonen, Sachen, Rechte, Eintheilungen<lb/> aller Art u. ſ. w. Ein Laie, der gewohnt iſt, ſich einen Rechts-<lb/> ſatz in imperativiſcher Form zu denken, würde es kaum für mög-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [26/0044]
Einleitung — die Methode.
Es iſt nun die Aufgabe der Wiſſenſchaft, dieſe Gliederung
des Rechts zu erforſchen, für das Kleinſte wie das Größte die
richtige Stelle aufzuſuchen. Dieſe ſyſtematiſche Seite der Juris-
prudenz iſt für die Erkenntniß des Rechts von ungleich höherer
Bedeutung, als es auf den erſten Blick ſcheint, und wir wollen
ſie daher einer genaueren Betrachtung unterziehen.
Dieſe Bedeutung beſteht nicht darin, daß das Rechtohne
ſeinen ſyſtematiſchen Zuſammenhang nicht verſtanden werden
kann, denn das iſt bei jedem Gegenſtande der Erkenntniß der
Fall. Auch bedarf das heutzutage wohl keiner Bemerkung, daß
das Syſtem ebenſowenig beim Recht wie bei jedem andern Ge-
genſtande eine Ordnung ſein ſoll, die man in die Sache hin-
ein bringt, ſondern eine ſolche, die man herausholt. Jene
iſt die der Sache ſelbſt fremde Logik eines Schematismus, in
den ſie gewaltſam hineingepreßt wird; es iſt ein Netz, das man
ebenſogut über dies als über jenes Recht werfen könnte, und
das die Auffaſſung der Structur des individuellen Gegenſtandes
mehr erſchwert, als erleichtert. Syſtem iſt gleichbedeutend mit
innerer Ordnung der Sache ſelbſt und iſt daher immer ganz
individuell; dieſem Rechte iſt ein anderes Syſtem eigenthümlich,
als jenem. Bei dem Rechte beſteht nun das Unterſcheidende der
ſyſtematiſchen Thätigkeit darin, daß dadurch nicht bloß wie bei
jeder andern Wiſſenſchaft das einzelne an ſeine richtige Stelle
gebracht wird, ſondern daß dieſer formale Prozeß eine mate-
rielle Rückwirkung auf den Stoff ausübt, daß mit letzterem,
nämlich den Rechtsſätzen, eine innere Umwandlung vor ſich
geht. Die Rechtsſätze treten gewiſſermaßen in einen
höhern Aggregatzuſtand, ſie ſtreifen ihre Form als Gebote
und Verbote ab und verflüchtigen ſich zu Elementen und Qua-
litäten der Rechtsinſtitute. So bilden ſich aus ihnen z. B. die
Begriffe der Inſtitute, der Thatbeſtand der Rechtsgeſchäfte, die
Eigenſchaften der Perſonen, Sachen, Rechte, Eintheilungen
aller Art u. ſ. w. Ein Laie, der gewohnt iſt, ſich einen Rechts-
ſatz in imperativiſcher Form zu denken, würde es kaum für mög-
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