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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.

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2. Einfluß der Wehrverfassung -- Sinn für Ordnung. §. 17.
und Unabhängigkeit bei seiner Trennung mitgenommen und
entwickelte denselben in eigenthümlicher Weise, aber nur das
römische war so glücklich, die Schule der strengen Zucht und
Ordnung, in der jener Sinn erst wahrhaft durchgebildet ward,
zu finden und lange genug zu benutzen. Der Freiheitstrieb der
Römer war Jahrhunderte lang unzertrennlich verbunden mit
dem Sinn für Ordnung und Gesetzlichkeit, und erst der Verfall
Roms zeigt uns das Gegentheil. Jene Schule nun, was brauche
ich es zu sagen, daß es die Wehrverfassung war? -- jene eiserne
Zuchtruthe der militärischen Disciplin, die wie ein Zauberstab
den Sinn für äußere Ordnung und Gesetzlichkeit im Menschen
hervortreibt. Dieser Sinn ist allerdings nur eine untergeord-
nete Form des sittlichen Geistes, er hat etwas unfreies, beruht
mehr auf mechanischer Gewöhnung, als auf innerlicher sitt-
licher Durchbildung, ist mehr auf die äußere Form und stereo-
type Gleichmäßigkeit der Ordnung, als auf ihr inneres Wesen
gerichtet. Seine relative Berechtigung bedarf aber kaum des
Nachweises; es gibt Völker und Zeiten, in denen die militä-
rische Disciplin erst jenen Sinn ausbilden muß, damit eine
höhere Stufe der Sittlichkeit überhaupt ermöglicht werde. In
Zeiten der Noth, wenn die Fieberhitze des Freiheitstaumels den
Staat und die Ordnung zu verzehren droht, treibt der Instinkt
die Völker zu auswärtigen Kriegen und mit ihnen zu den eisen-
haltigen Quellen der militärischen Disciplin, an denen sie mit
dem Sinn für Ordnung und Gehorsam am raschesten ihre Ge-
sundheit wieder finden. Nicht in der Strenge der Zucht allein
liegt die heilende Kraft der militärischen Disciplin; ein despo-
tisches Regiment kann sie darin weit überbieten und entnervt
und demoralisirt doch ein Volk mehr, als daß es dasselbe
stählt. Während letzteres aber nur die Strenge der Willkühr
übt, handhabt die militärische Disciplin die Strenge der Ord-
nung, und es gibt vielleicht kein Verhältniß, welches in dem
Grade die Nothwendigkeit der äußern Ordnung dem Menschen
begreiflich macht, und ihm eine so unvertilgbare Abneigung

2. Einfluß der Wehrverfaſſung — Sinn für Ordnung. §. 17.
und Unabhängigkeit bei ſeiner Trennung mitgenommen und
entwickelte denſelben in eigenthümlicher Weiſe, aber nur das
römiſche war ſo glücklich, die Schule der ſtrengen Zucht und
Ordnung, in der jener Sinn erſt wahrhaft durchgebildet ward,
zu finden und lange genug zu benutzen. Der Freiheitstrieb der
Römer war Jahrhunderte lang unzertrennlich verbunden mit
dem Sinn für Ordnung und Geſetzlichkeit, und erſt der Verfall
Roms zeigt uns das Gegentheil. Jene Schule nun, was brauche
ich es zu ſagen, daß es die Wehrverfaſſung war? — jene eiſerne
Zuchtruthe der militäriſchen Disciplin, die wie ein Zauberſtab
den Sinn für äußere Ordnung und Geſetzlichkeit im Menſchen
hervortreibt. Dieſer Sinn iſt allerdings nur eine untergeord-
nete Form des ſittlichen Geiſtes, er hat etwas unfreies, beruht
mehr auf mechaniſcher Gewöhnung, als auf innerlicher ſitt-
licher Durchbildung, iſt mehr auf die äußere Form und ſtereo-
type Gleichmäßigkeit der Ordnung, als auf ihr inneres Weſen
gerichtet. Seine relative Berechtigung bedarf aber kaum des
Nachweiſes; es gibt Völker und Zeiten, in denen die militä-
riſche Disciplin erſt jenen Sinn ausbilden muß, damit eine
höhere Stufe der Sittlichkeit überhaupt ermöglicht werde. In
Zeiten der Noth, wenn die Fieberhitze des Freiheitstaumels den
Staat und die Ordnung zu verzehren droht, treibt der Inſtinkt
die Völker zu auswärtigen Kriegen und mit ihnen zu den eiſen-
haltigen Quellen der militäriſchen Disciplin, an denen ſie mit
dem Sinn für Ordnung und Gehorſam am raſcheſten ihre Ge-
ſundheit wieder finden. Nicht in der Strenge der Zucht allein
liegt die heilende Kraft der militäriſchen Disciplin; ein despo-
tiſches Regiment kann ſie darin weit überbieten und entnervt
und demoraliſirt doch ein Volk mehr, als daß es daſſelbe
ſtählt. Während letzteres aber nur die Strenge der Willkühr
übt, handhabt die militäriſche Disciplin die Strenge der Ord-
nung, und es gibt vielleicht kein Verhältniß, welches in dem
Grade die Nothwendigkeit der äußern Ordnung dem Menſchen
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[253/0271] 2. Einfluß der Wehrverfaſſung — Sinn für Ordnung. §. 17. und Unabhängigkeit bei ſeiner Trennung mitgenommen und entwickelte denſelben in eigenthümlicher Weiſe, aber nur das römiſche war ſo glücklich, die Schule der ſtrengen Zucht und Ordnung, in der jener Sinn erſt wahrhaft durchgebildet ward, zu finden und lange genug zu benutzen. Der Freiheitstrieb der Römer war Jahrhunderte lang unzertrennlich verbunden mit dem Sinn für Ordnung und Geſetzlichkeit, und erſt der Verfall Roms zeigt uns das Gegentheil. Jene Schule nun, was brauche ich es zu ſagen, daß es die Wehrverfaſſung war? — jene eiſerne Zuchtruthe der militäriſchen Disciplin, die wie ein Zauberſtab den Sinn für äußere Ordnung und Geſetzlichkeit im Menſchen hervortreibt. Dieſer Sinn iſt allerdings nur eine untergeord- nete Form des ſittlichen Geiſtes, er hat etwas unfreies, beruht mehr auf mechaniſcher Gewöhnung, als auf innerlicher ſitt- licher Durchbildung, iſt mehr auf die äußere Form und ſtereo- type Gleichmäßigkeit der Ordnung, als auf ihr inneres Weſen gerichtet. Seine relative Berechtigung bedarf aber kaum des Nachweiſes; es gibt Völker und Zeiten, in denen die militä- riſche Disciplin erſt jenen Sinn ausbilden muß, damit eine höhere Stufe der Sittlichkeit überhaupt ermöglicht werde. In Zeiten der Noth, wenn die Fieberhitze des Freiheitstaumels den Staat und die Ordnung zu verzehren droht, treibt der Inſtinkt die Völker zu auswärtigen Kriegen und mit ihnen zu den eiſen- haltigen Quellen der militäriſchen Disciplin, an denen ſie mit dem Sinn für Ordnung und Gehorſam am raſcheſten ihre Ge- ſundheit wieder finden. Nicht in der Strenge der Zucht allein liegt die heilende Kraft der militäriſchen Disciplin; ein despo- tiſches Regiment kann ſie darin weit überbieten und entnervt und demoraliſirt doch ein Volk mehr, als daß es daſſelbe ſtählt. Während letzteres aber nur die Strenge der Willkühr übt, handhabt die militäriſche Disciplin die Strenge der Ord- nung, und es gibt vielleicht kein Verhältniß, welches in dem Grade die Nothwendigkeit der äußern Ordnung dem Menſchen begreiflich macht, und ihm eine ſo unvertilgbare Abneigung

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/271>, abgerufen am 25.11.2024.