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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.

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Erstes Buch -- Ausgangspunkte des römischen Rechts.
gegen alle Unordnung, Regellosigkeit u. s. w. einprägt, als
die militärische Zucht.

Das römische Volk der Königszeit war nun so glücklich, eine
Verfassung mitzubringen, die dasselbe im Frieden wie im Krieg
in dieser Zucht erhielt. Nachdem es darin seine Erziehung ge-
funden, 160) der Geist der Ordnung und Gesetzlichkeit dem Volk
zur zweiten Natur geworden, mochte diese Schule ohne Gefahr
auf die Zeiten des Krieges beschränkt werden. Die Erobe-
rungssucht der Römer stürzte sie unaufhörlich in neue Kriege
und wandte damit jeder neuen Generation den Vortheil einer
militärischen Erziehung zu. Der Krieg lehrte den Werth der
Ordnung kennen, der Frieden den der Freiheit, und die
Jugend des römischen Volks erwarb sich in der strengen Schule
des Gehorsams, die übrigens schon im Hause mit der patria
potestas
begann, die Würdigkeit und Fähigkeit zum Herrschen.

In der Geschichte des römischen Volks wie in dem Recht
selbst tritt der Einfluß jener Erziehung in höchstem Grade her-
vor, und es gereicht wahrlich unserer römischen Rechtshistorie,
die für das unbedeutendste ein so scharfes Auge hat, wenig zur
Ehre, daß sie sich erst von Hegel 161) über den Grund und die
Art des römischen Gesetzlichkeitssinnes aufmerksam machen las-
sen mußte oder richtiger gesagt trotzdem nicht aufmerksam wurde.
Es ist bereits oben (S. 96, 97) bemerkt, daß Hegels Auffas-
sung der Bildung des römischen Rechts und Staats outrirt ist,
aber seine Hervorhebung des Einflusses, den die militärische
Disciplin auf die römische Sinnesweise ausübte, 162) ist eine

160) Die Römer selbst erkannten dies an; s. z. B. Livius lib. II. 1 in
seiner Reflexion über die Königszeit.
161) Philos. der Geschichte. Die römische Welt. Abschn. 1.
162) In der Ausgabe von 1840 z. B. auf S. 346: "Denn sie (die
Stiftung des Staats) führt unmittelbar die härteste Disciplin mit sich, sowie
die Aufopferung für den Zweck des Bundes. Ein Staat, der sich selbst erst
gebildet hat und auf Gewalt beruht, muß mit Gewalt zusammengehalten
werden. Es ist da nicht ein sittlicher, liberaler Zusammenhang, sondern ein

Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.
gegen alle Unordnung, Regelloſigkeit u. ſ. w. einprägt, als
die militäriſche Zucht.

Das römiſche Volk der Königszeit war nun ſo glücklich, eine
Verfaſſung mitzubringen, die daſſelbe im Frieden wie im Krieg
in dieſer Zucht erhielt. Nachdem es darin ſeine Erziehung ge-
funden, 160) der Geiſt der Ordnung und Geſetzlichkeit dem Volk
zur zweiten Natur geworden, mochte dieſe Schule ohne Gefahr
auf die Zeiten des Krieges beſchränkt werden. Die Erobe-
rungsſucht der Römer ſtürzte ſie unaufhörlich in neue Kriege
und wandte damit jeder neuen Generation den Vortheil einer
militäriſchen Erziehung zu. Der Krieg lehrte den Werth der
Ordnung kennen, der Frieden den der Freiheit, und die
Jugend des römiſchen Volks erwarb ſich in der ſtrengen Schule
des Gehorſams, die übrigens ſchon im Hauſe mit der patria
potestas
begann, die Würdigkeit und Fähigkeit zum Herrſchen.

In der Geſchichte des römiſchen Volks wie in dem Recht
ſelbſt tritt der Einfluß jener Erziehung in höchſtem Grade her-
vor, und es gereicht wahrlich unſerer römiſchen Rechtshiſtorie,
die für das unbedeutendſte ein ſo ſcharfes Auge hat, wenig zur
Ehre, daß ſie ſich erſt von Hegel 161) über den Grund und die
Art des römiſchen Geſetzlichkeitsſinnes aufmerkſam machen laſ-
ſen mußte oder richtiger geſagt trotzdem nicht aufmerkſam wurde.
Es iſt bereits oben (S. 96, 97) bemerkt, daß Hegels Auffaſ-
ſung der Bildung des römiſchen Rechts und Staats outrirt iſt,
aber ſeine Hervorhebung des Einfluſſes, den die militäriſche
Disciplin auf die römiſche Sinnesweiſe ausübte, 162) iſt eine

160) Die Römer ſelbſt erkannten dies an; ſ. z. B. Livius lib. II. 1 in
ſeiner Reflexion über die Königszeit.
161) Philoſ. der Geſchichte. Die römiſche Welt. Abſchn. 1.
162) In der Ausgabe von 1840 z. B. auf S. 346: „Denn ſie (die
Stiftung des Staats) führt unmittelbar die härteſte Disciplin mit ſich, ſowie
die Aufopferung für den Zweck des Bundes. Ein Staat, der ſich ſelbſt erſt
gebildet hat und auf Gewalt beruht, muß mit Gewalt zuſammengehalten
werden. Es iſt da nicht ein ſittlicher, liberaler Zuſammenhang, ſondern ein
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[254/0272] Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts. gegen alle Unordnung, Regelloſigkeit u. ſ. w. einprägt, als die militäriſche Zucht. Das römiſche Volk der Königszeit war nun ſo glücklich, eine Verfaſſung mitzubringen, die daſſelbe im Frieden wie im Krieg in dieſer Zucht erhielt. Nachdem es darin ſeine Erziehung ge- funden, 160) der Geiſt der Ordnung und Geſetzlichkeit dem Volk zur zweiten Natur geworden, mochte dieſe Schule ohne Gefahr auf die Zeiten des Krieges beſchränkt werden. Die Erobe- rungsſucht der Römer ſtürzte ſie unaufhörlich in neue Kriege und wandte damit jeder neuen Generation den Vortheil einer militäriſchen Erziehung zu. Der Krieg lehrte den Werth der Ordnung kennen, der Frieden den der Freiheit, und die Jugend des römiſchen Volks erwarb ſich in der ſtrengen Schule des Gehorſams, die übrigens ſchon im Hauſe mit der patria potestas begann, die Würdigkeit und Fähigkeit zum Herrſchen. In der Geſchichte des römiſchen Volks wie in dem Recht ſelbſt tritt der Einfluß jener Erziehung in höchſtem Grade her- vor, und es gereicht wahrlich unſerer römiſchen Rechtshiſtorie, die für das unbedeutendſte ein ſo ſcharfes Auge hat, wenig zur Ehre, daß ſie ſich erſt von Hegel 161) über den Grund und die Art des römiſchen Geſetzlichkeitsſinnes aufmerkſam machen laſ- ſen mußte oder richtiger geſagt trotzdem nicht aufmerkſam wurde. Es iſt bereits oben (S. 96, 97) bemerkt, daß Hegels Auffaſ- ſung der Bildung des römiſchen Rechts und Staats outrirt iſt, aber ſeine Hervorhebung des Einfluſſes, den die militäriſche Disciplin auf die römiſche Sinnesweiſe ausübte, 162) iſt eine 160) Die Römer ſelbſt erkannten dies an; ſ. z. B. Livius lib. II. 1 in ſeiner Reflexion über die Königszeit. 161) Philoſ. der Geſchichte. Die römiſche Welt. Abſchn. 1. 162) In der Ausgabe von 1840 z. B. auf S. 346: „Denn ſie (die Stiftung des Staats) führt unmittelbar die härteſte Disciplin mit ſich, ſowie die Aufopferung für den Zweck des Bundes. Ein Staat, der ſich ſelbſt erſt gebildet hat und auf Gewalt beruht, muß mit Gewalt zuſammengehalten werden. Es iſt da nicht ein ſittlicher, liberaler Zuſammenhang, ſondern ein

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/272>, abgerufen am 22.11.2024.