Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 9. Berlin, 1964.Meine Bitte ist, daß Sie mir sein Schiksal schreiben. -- Ich habe Euer HochEdelgeboren gehorsamer Diener Fried. Richter5 4. An Buchhändler Frommann in Jena. Hildburghausen d. 8 Oct. 99.Mein guter Fromman! Die Theologen haben vier lezte Dinge: 1. Ich war neulich eine Nacht in Jena und gieng weder zum Abend-Mahl bei Ihnen noch zur Beichte bei Ihrer Frau Gemahlin, die mir meine Sünden erst vorhalten mus eh' sie sie vergeben kan. Aber ernstlich, Ein Abend nach einem nassen müden Reisetag lohnet die Mühe nicht, und macht nur eine.15 2. Zerbino's Reise las ich auf meiner durch, erquikt durch die schneidende, ächt-shakespearsche, (nur aber zu oft und zu sehr mit sich selber spielende) Laune und durch den von dem Poeten gepflanzten Garten der Poesie; aber ein wenig gestossen von vielen Versen, die wie ein Hohlweg zugleich hohl und holperig waren. Jezt möcht' ich20 noch gar alles lesen, was mir noch restiert. (Abdallah -- die roman- tischen Dichtungen) [*)] -- die verkehrte Welt -- die Phantasien über die Kunst -- Können Sie mir etwas davon leihen, ich werde Ihnen sehr danken. 3. Aus Ihrem Bücher-Lombard erbitt' ich mir auch Fichte's25 Wissenschaftslehre und wenn möglich, das Niethhammersche Journal ganz oder doch die Stücke, worin Fichte und Schelling sprechen. 4. Vergeben Sie, daß ich im Vertrauen auf Ihre Güte, Bier, das ich von Bayreuth kommen lasse -- um nicht am englischen weimarschen umzukommen -- an Sie addressieren lies; vergeben30 Sie es. Leben Sie froh und bringen Sie Ihrer verehrten Frau einen recht J. P. F. Richter *) Beides hab' ich seitdem bekommen35
Meine Bitte iſt, daß Sie mir ſein Schikſal ſchreiben. — Ich habe Euer HochEdelgeboren gehorſamer Diener Fried. Richter5 4. An Buchhändler Frommann in Jena. Hildburghausen d. 8 Oct. 99.Mein guter Fromman! Die Theologen haben vier lezte Dinge: 1. Ich war neulich eine Nacht in Jena und gieng weder zum Abend-Mahl bei Ihnen noch zur Beichte bei Ihrer Frau Gemahlin, die mir meine Sünden erſt vorhalten mus eh’ ſie ſie vergeben kan. Aber ernſtlich, Ein Abend nach einem naſſen müden Reiſetag lohnet die Mühe nicht, und macht nur eine.15 2. Zerbino’s Reiſe las ich auf meiner durch, erquikt durch die ſchneidende, ächt-ſhakeſpearſche, (nur aber zu oft und zu ſehr mit ſich ſelber ſpielende) Laune und durch den von dem Poeten gepflanzten Garten der Poeſie; aber ein wenig geſtoſſen von vielen Verſen, die wie ein Hohlweg zugleich hohl und holperig waren. Jezt möcht’ ich20 noch gar alles leſen, was mir noch reſtiert. (Abdallah — die roman- tiſchen Dichtungen) [*)] — die verkehrte Welt — die Phantaſien über die Kunſt — Können Sie mir etwas davon leihen, ich werde Ihnen ſehr danken. 3. Aus Ihrem Bücher-Lombard erbitt’ ich mir auch Fichte’s25 Wiſſenſchaftslehre und wenn möglich, das Niethhammerſche Journal ganz oder doch die Stücke, worin Fichte und Schelling ſprechen. 4. Vergeben Sie, daß ich im Vertrauen auf Ihre Güte, Bier, das ich von Bayreuth kommen laſſe — um nicht am engliſchen weimarschen umzukommen — an Sie addreſſieren lies; vergeben30 Sie es. Leben Sie froh und bringen Sie Ihrer verehrten Frau einen recht J. P. F. Richter *) Beides hab’ ich ſeitdem bekommen35
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Meine Bitte iſt, daß Sie mir ſein Schikſal ſchreiben. — Ich habe
die Ehre mit volkomner Hochachtung zu ſein
Euer HochEdelgeboren
gehorſamer Diener
Fried. Richter 5
4. An Buchhändler Frommann in Jena.
Hildburghausen d. 8 Oct. 99.
Mein guter Fromman! Die Theologen haben vier lezte Dinge:
ich habe in dieſem Briefgen blos vier verſchiedene oder erſte: mich
— Thiek — Fichte — und das Bier. 10
1. Ich war neulich eine Nacht in Jena und gieng weder zum
Abend-Mahl bei Ihnen noch zur Beichte bei Ihrer Frau Gemahlin,
die mir meine Sünden erſt vorhalten mus eh’ ſie ſie vergeben kan.
Aber ernſtlich, Ein Abend nach einem naſſen müden Reiſetag lohnet
die Mühe nicht, und macht nur eine. 15
2. Zerbino’s Reiſe las ich auf meiner durch, erquikt durch die
ſchneidende, ächt-ſhakeſpearſche, (nur aber zu oft und zu ſehr mit ſich
ſelber ſpielende) Laune und durch den von dem Poeten gepflanzten
Garten der Poeſie; aber ein wenig geſtoſſen von vielen Verſen, die
wie ein Hohlweg zugleich hohl und holperig waren. Jezt möcht’ ich 20
noch gar alles leſen, was mir noch reſtiert. (Abdallah — die roman-
tiſchen Dichtungen) [ *)] — die verkehrte Welt — die Phantaſien
über die Kunſt — Können Sie mir etwas davon leihen, ich werde
Ihnen ſehr danken.
3. Aus Ihrem Bücher-Lombard erbitt’ ich mir auch Fichte’s 25
Wiſſenſchaftslehre und wenn möglich, das Niethhammerſche Journal
ganz oder doch die Stücke, worin Fichte und Schelling ſprechen.
4. Vergeben Sie, daß ich im Vertrauen auf Ihre Güte, Bier,
das ich von Bayreuth kommen laſſe — um nicht am engliſchen
weimarschen umzukommen — an Sie addreſſieren lies; vergeben 30
Sie es.
Leben Sie froh und bringen Sie Ihrer verehrten Frau einen recht
herzlichen Grus von mir! —
J. P. F. Richter
*) Beides hab’ ich ſeitdem bekommen 35
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(2016-11-22T15:36:37Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:36:37Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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