wort von Renate auf meine Nachfrage nach den bestimmtern Verhält- nissen! -- Nach Ihrem Lesen kann ich erst darüber mit Ihnen sprechen. -- Wie geht es Ihrem Leibe? Dieses Wetter verzögert alle Hei- lungen. --
142. An Emanuel.5
[Bayreuth, 16. Jan. 1821]
Guten Morgen, mein Leib- und Seelen Emanuel! Hier ein Paar Briefe als halber Dank für Ihre himmlischen. "Der Kanarienvogel" ist rührend-schön. -- Herdern sollten Sie das einmal reich Vermachte Brief nicht durch ein Kodizill wieder entziehen. -- Der Überstrom10 Ihrer Liebe sollte wol den trocknen Albrecht etwas befruchten, dessen Bedauern Christians mir lächerlich vorkommt, da ich sein äußeres Bereichern nie mit des letzten innerem eintauschen würde.
Alle Briefe schicken Sie blos wieder an mich.
143. An Professor Friedrich Köppen in Landshut.15
[Kopie][Bayreuth, 6. Febr. 1821]
Mein geliebter und höchstgeschätzter Köppen! Für so manche Weisen- Sterne, die Sie mir geschenkt, bekommen Sie hier blos einen Bart- und Schwanzstern ins Haus, welcher schon nach seinem Namen Weise mehr plagen und irren als zurechtweisen kann. Das Publikum ver-20 feinert seinen Geschmack am Komischen nicht in dem Grade, wie es ein Autor darin thut, der sich und fremdes immer mehr satt wird; mein Komet wird daher sogar unter meinen Lesern abweisende finden. Nicht sowol der Verstand als vorzüglich der komische Sinn kommt nicht vor den Jahren; und ich wünschte wol meinem Kometen einen25 Rezensenten, der so alt wäre wie Sie und rezensierte wie Sie in der Münchner Literaturzeitung, in der ich nichts lese als Sie.
Nie sah ich durch alle Literaturzeitungen hindurch die ästhetische Kritik als eine so unerzogene, scheue und doch laute Bettlerin als jetzo stehen; und man jagte sie gern weg für die alte Bibliothek der schönen30 Wissenschaften.
In der Hallischen Literaturzeitung N. 262 vom Oktober 1820 fand ich eine Rezension meiner Doppelwörter, worin jeder Satz entweder ein Irrthum oder eine Bosheit oder eine Abgeschmacktheit oder eine Verdrehung enthielt. Ließen mir nur meine wichtigern Arbeiten Zeit:35
wort von Renate auf meine Nachfrage nach den beſtimmtern Verhält- niſſen! — Nach Ihrem Leſen kann ich erſt darüber mit Ihnen ſprechen. — Wie geht es Ihrem Leibe? Dieſes Wetter verzögert alle Hei- lungen. —
142. An Emanuel.5
[Bayreuth, 16. Jan. 1821]
Guten Morgen, mein Leib- und Seelen Emanuel! Hier ein Paar Briefe als halber Dank für Ihre himmliſchen. „Der Kanarienvogel“ iſt rührend-ſchön. — Herdern ſollten Sie das einmal reich Vermachte 〈Brief〉 nicht durch ein Kodizill wieder entziehen. — Der Überſtrom10 Ihrer Liebe ſollte wol den trocknen Albrecht etwas befruchten, deſſen Bedauern Chriſtians mir lächerlich vorkommt, da ich ſein äußeres Bereichern nie mit des letzten innerem eintauſchen würde.
Alle Briefe ſchicken Sie blos wieder an mich.
143. An Profeſſor Friedrich Köppen in Landshut.15
[Kopie][Bayreuth, 6. Febr. 1821]
Mein geliebter und höchſtgeſchätzter Köppen! Für ſo manche Weiſen- Sterne, die Sie mir geſchenkt, bekommen Sie hier blos einen Bart- und Schwanzſtern ins Haus, welcher ſchon nach ſeinem Namen Weiſe mehr plagen und irren als zurechtweiſen kann. Das Publikum ver-20 feinert ſeinen Geſchmack am Komiſchen nicht in dem Grade, wie es ein Autor darin thut, der ſich und fremdes immer mehr ſatt wird; mein Komet wird daher ſogar unter meinen Leſern abweiſende finden. Nicht ſowol der Verſtand als vorzüglich der komiſche Sinn kommt nicht vor den Jahren; und ich wünſchte wol meinem Kometen einen25 Rezenſenten, der ſo alt wäre wie Sie und rezenſierte wie Sie in der Münchner Literaturzeitung, in der ich nichts leſe als Sie.
Nie ſah ich durch alle Literaturzeitungen hindurch die äſthetiſche Kritik als eine ſo unerzogene, ſcheue und doch laute Bettlerin als jetzo ſtehen; und man jagte ſie gern weg für die alte Bibliothek der ſchönen30 Wiſſenſchaften.
In der Halliſchen Literaturzeitung N. 262 vom Oktober 1820 fand ich eine Rezenſion meiner Doppelwörter, worin jeder Satz entweder ein Irrthum oder eine Bosheit oder eine Abgeſchmacktheit oder eine Verdrehung enthielt. Ließen mir nur meine wichtigern Arbeiten Zeit:35
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niſſen! — Nach Ihrem Leſen kann ich erſt darüber mit Ihnen ſprechen.
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lungen. —
142. An Emanuel. 5
[Bayreuth, 16. Jan. 1821]
Guten Morgen, mein Leib- und Seelen Emanuel! Hier ein Paar
Briefe als halber Dank für Ihre himmliſchen. „Der Kanarienvogel“
iſt rührend-ſchön. — Herdern ſollten Sie das einmal reich Vermachte
〈Brief〉 nicht durch ein Kodizill wieder entziehen. — Der Überſtrom 10
Ihrer Liebe ſollte wol den trocknen Albrecht etwas befruchten, deſſen
Bedauern Chriſtians mir lächerlich vorkommt, da ich ſein äußeres
Bereichern nie mit des letzten innerem eintauſchen würde.
Alle Briefe ſchicken Sie blos wieder an mich.
143. An Profeſſor Friedrich Köppen in Landshut. 15
[Bayreuth, 6. Febr. 1821]
Mein geliebter und höchſtgeſchätzter Köppen! Für ſo manche Weiſen-
Sterne, die Sie mir geſchenkt, bekommen Sie hier blos einen Bart-
und Schwanzſtern ins Haus, welcher ſchon nach ſeinem Namen Weiſe
mehr plagen und irren als zurechtweiſen kann. Das Publikum ver- 20
feinert ſeinen Geſchmack am Komiſchen nicht in dem Grade, wie es ein
Autor darin thut, der ſich und fremdes immer mehr ſatt wird; mein
Komet wird daher ſogar unter meinen Leſern abweiſende finden.
Nicht ſowol der Verſtand als vorzüglich der komiſche Sinn kommt
nicht vor den Jahren; und ich wünſchte wol meinem Kometen einen 25
Rezenſenten, der ſo alt wäre wie Sie und rezenſierte wie Sie in der
Münchner Literaturzeitung, in der ich nichts leſe als Sie.
Nie ſah ich durch alle Literaturzeitungen hindurch die äſthetiſche
Kritik als eine ſo unerzogene, ſcheue und doch laute Bettlerin als jetzo
ſtehen; und man jagte ſie gern weg für die alte Bibliothek der ſchönen 30
Wiſſenſchaften.
In der Halliſchen Literaturzeitung N. 262 vom Oktober 1820 fand
ich eine Rezenſion meiner Doppelwörter, worin jeder Satz entweder
ein Irrthum oder eine Bosheit oder eine Abgeſchmacktheit oder eine
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/99>, abgerufen am 20.07.2024.
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