N.S. Vielleicht ist es wol besser, die Zensuraufmerksamkeit auf diese an sich unanstößige Vorrede, die nur in einem Wochenblatte auffiele, gar nicht besonders zu lenken? -- Sie werden entscheiden.
*78. An Max Richter in München.
Baireut d. 20ten Jul. 1820 [Donnerstag]5
Mein guter Max! Wir passen wahrscheinlich wechselseitig auf ein- ander. Glücklich bin ich zwar angelangt, aber über den langweiligsten Weg von der Welt; der über Amberg und Regensburg wäre eine Regenbogenstraße dagegen gewesen. Desto seeliger leb' ich dafür zu Hause und dießmal ist mir die Heimath das schöne Fremdland. Alles was10 meine gute Caroline gethan und thut, entschädigt mich für Münchens Wolkentage, von den verbesserten Zimmern an bis zu den Brief- bündeln, in welche sie das ungeheuere Briefchaos mehrer Koffer geordnet, gesammelt und überschrieben hat. Alle Zimmer lachen, sogar die Küche. Seit Jahren war ich nicht so häuslich seelig. Auch deine15 Schwestern sind schön fortgeschritten und geflogen. Sie können deine Ankunft nicht erwarten und denken Wunder, was du geworden; du wirst sie aber schon über dieses wie über anderes eines bessern belehren. -- Eben singt mir meine Emma, deren Spiel und Stimme in meiner Abwesenheit über Erwarten gereift sind, das herrliche Bach-Himmel-20 lied von der Luise v. Schaden. Gehe doch zur freundlichen Familie und bitte noch um das Gondellied der andern verheiratheten Schwester, das deine und meine Ohren über die Wolken gen Himmel getragen. Und der Mutter sage, daß ich ihre Bitte um das Epitaphium gewiß erfülle. -- Gehe zu Schlichtegroll und danke ihm für volles Herz und volle25 Hand und für all sein Geben; und dann sage doch noch der wahrhaften Grazie der Ehe, der Frau, einen neuen Nebendank. -- Ich wollte, du könntest auch meinem unvergeßlichen Sömmering eine Erinnerung an mich und sich zubringen.
21ten30
Antworte recht bald. Schreibe auch einmal wenigstens an Emanuel, wenn nicht auch an Otto. Grüß die Gailischen ...
Die Mutter wird fortfahren. Lebe wol!
N.S. Vielleicht iſt es wol beſſer, die Zenſuraufmerkſamkeit auf dieſe an ſich unanſtößige Vorrede, die nur in einem Wochenblatte auffiele, gar nicht beſonders zu lenken? — Sie werden entſcheiden.
*78. An Max Richter in München.
Baireut d. 20ten Jul. 1820 [Donnerstag]5
Mein guter Max! Wir paſſen wahrſcheinlich wechſelſeitig auf ein- ander. Glücklich bin ich zwar angelangt, aber über den langweiligſten Weg von der Welt; der über Amberg und Regensburg wäre eine Regenbogenſtraße dagegen geweſen. Deſto ſeeliger leb’ ich dafür zu Hauſe und dießmal iſt mir die Heimath das ſchöne Fremdland. Alles was10 meine gute Caroline gethan und thut, entſchädigt mich für Münchens Wolkentage, von den verbeſſerten Zimmern an bis zu den Brief- bündeln, in welche ſie das ungeheuere Briefchaos mehrer Koffer geordnet, geſammelt und überſchrieben hat. Alle Zimmer lachen, ſogar die Küche. Seit Jahren war ich nicht ſo häuslich ſeelig. Auch deine15 Schweſtern ſind ſchön fortgeſchritten und geflogen. Sie können deine Ankunft nicht erwarten und denken Wunder, was du geworden; du wirſt ſie aber ſchon über dieſes wie über anderes eines beſſern belehren. — Eben ſingt mir meine Emma, deren Spiel und Stimme in meiner Abweſenheit über Erwarten gereift ſind, das herrliche Bach-Himmel-20 lied von der Luiſe v. Schaden. Gehe doch zur freundlichen Familie und bitte noch um das Gondellied der andern verheiratheten Schweſter, das deine und meine Ohren über die Wolken gen Himmel getragen. Und der Mutter ſage, daß ich ihre Bitte um das Epitaphium gewiß erfülle. — Gehe zu Schlichtegroll und danke ihm für volles Herz und volle25 Hand und für all ſein Geben; und dann ſage doch noch der wahrhaften Grazie der Ehe, der Frau, einen neuen Nebendank. — Ich wollte, du könnteſt auch meinem unvergeßlichen Sömmering eine Erinnerung an mich und ſich zubringen.
21ten30
Antworte recht bald. Schreibe auch einmal wenigſtens an Emanuel, wenn nicht auch an Otto. Grüß die Gailiſchen ...
Die Mutter wird fortfahren. Lebe wol!
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N.S. Vielleicht iſt es wol beſſer, die Zenſuraufmerkſamkeit auf dieſe
an ſich unanſtößige Vorrede, die nur in einem Wochenblatte auffiele,
gar nicht beſonders zu lenken? — Sie werden entſcheiden.
*78. An Max Richter in München.
Baireut d. 20ten Jul. 1820 [Donnerstag] 5
Mein guter Max! Wir paſſen wahrſcheinlich wechſelſeitig auf ein-
ander. Glücklich bin ich zwar angelangt, aber über den langweiligſten
Weg von der Welt; der über Amberg und Regensburg wäre eine
Regenbogenſtraße dagegen geweſen. Deſto ſeeliger leb’ ich dafür zu
Hauſe und dießmal iſt mir die Heimath das ſchöne Fremdland. Alles was 10
meine gute Caroline gethan und thut, entſchädigt mich für Münchens
Wolkentage, von den verbeſſerten Zimmern an bis zu den Brief-
bündeln, in welche ſie das ungeheuere Briefchaos mehrer Koffer
geordnet, geſammelt und überſchrieben hat. Alle Zimmer lachen, ſogar
die Küche. Seit Jahren war ich nicht ſo häuslich ſeelig. Auch deine 15
Schweſtern ſind ſchön fortgeſchritten und geflogen. Sie können deine
Ankunft nicht erwarten und denken Wunder, was du geworden; du
wirſt ſie aber ſchon über dieſes wie über anderes eines beſſern belehren.
— Eben ſingt mir meine Emma, deren Spiel und Stimme in meiner
Abweſenheit über Erwarten gereift ſind, das herrliche Bach-Himmel- 20
lied von der Luiſe v. Schaden. Gehe doch zur freundlichen Familie und
bitte noch um das Gondellied der andern verheiratheten Schweſter, das
deine und meine Ohren über die Wolken gen Himmel getragen. Und
der Mutter ſage, daß ich ihre Bitte um das Epitaphium gewiß erfülle.
— Gehe zu Schlichtegroll und danke ihm für volles Herz und volle 25
Hand und für all ſein Geben; und dann ſage doch noch der wahrhaften
Grazie der Ehe, der Frau, einen neuen Nebendank. — Ich wollte, du
könnteſt auch meinem unvergeßlichen Sömmering eine Erinnerung an
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/62>, abgerufen am 17.07.2024.
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