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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.

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70. In Nathanael Schlichtegrolls Stammbuch.
[Kopie]

Jeder Vorzug wird der jetzigen Jugend zu erwerben leichter als
die Bescheidenheit; sie hält das Flügelkleid für Flügel, den Gängel-
wagen für einen Triumphwagen und das Steckenpferd für das5
Musenpferd.

Erfreuen Sie sich recht des Glückes,
daß Sie durch die Nähe der väterlichen
Verdienste den Jünglingen der Zeit un-
ähnlich geblieben.10
71. An Cotta.

Vor meiner Abreise hab' ich hier noch einmal eine Bitte an Sie zu
thun, nämlich die, an H. Direktor von Schlichtegroll die Nummern
150, 151 und 153 des Morgenblattes gefällig und wo möglich frankiert15
und baldigst abzusenden und mir in Rechnung zu bringen, da ich ihm
leider die Blätter verloren.

Haben Sie herzlichsten Dank für Ihren letzten Brief voll Güte und
voll Geld. Unsere Rechnungen des vorigen Jahrs sind demnach
geschlossen.20

Mein Aufsatz für den Damenkalender wird doch Anfangs Augusts
noch früh genug anlangen? -- Der andere für das Morgenblatt soll
in Berlin geprüft werden; denn in jedem Falle muß er die dortige heisse
Zensur-Linie passieren, da ja das ganze Buch dort im Handel umlaufen
muß. Hält er nun dort die Matrosen-Taufe des Gleichers aus: so schreib'25
ichs Ihnen und Sie nehmen ihn dann auf.

Daß mein guter von mir so hoch geschätzter und so treu geliebter
Cotta auch nur die kleinste unangenehme Empfindung -- die ich nach
frühern Briefen über den Abgang meiner Werke nicht voraussetzen
konnte -- bei dem Übergange zu einem fremden Verleger gehabt, dieses30
that mir selber sehr weh; es soll aber auch die letzte der Art gewesen
sein.

Leben Sie recht froh!

Ihr
Jean Paul35
4*
70. In Nathanael Schlichtegrolls Stammbuch.
[Kopie]

Jeder Vorzug wird der jetzigen Jugend zu erwerben leichter als
die Beſcheidenheit; ſie hält das Flügelkleid für Flügel, den Gängel-
wagen für einen Triumphwagen und das Steckenpferd für das5
Muſenpferd.

Erfreuen Sie ſich recht des Glückes,
daß Sie durch die Nähe der väterlichen
Verdienſte den Jünglingen der Zeit un-
ähnlich geblieben.10
71. An Cotta.

Vor meiner Abreiſe hab’ ich hier noch einmal eine Bitte an Sie zu
thun, nämlich die, an H. Direktor von Schlichtegroll die Nummern
150, 151 und 153 des Morgenblattes gefällig und wo möglich frankiert15
und baldigſt abzuſenden und mir in Rechnung zu bringen, da ich ihm
leider die Blätter verloren.

Haben Sie herzlichſten Dank für Ihren letzten Brief voll Güte und
voll Geld. Unſere Rechnungen des vorigen Jahrs ſind demnach
geſchloſſen.20

Mein Aufſatz für den Damenkalender wird doch Anfangs Auguſts
noch früh genug anlangen? — Der andere für das Morgenblatt ſoll
in Berlin geprüft werden; denn in jedem Falle muß er die dortige heiſſe
Zenſur-Linie paſſieren, da ja das ganze Buch dort im Handel umlaufen
muß. Hält er nun dort die Matroſen-Taufe des Gleichers aus: ſo ſchreib’25
ichs Ihnen und Sie nehmen ihn dann auf.

Daß mein guter von mir ſo hoch geſchätzter und ſo treu geliebter
Cotta auch nur die kleinſte unangenehme Empfindung — die ich nach
frühern Briefen über den Abgang meiner Werke nicht vorausſetzen
konnte — bei dem Übergange zu einem fremden Verleger gehabt, dieſes30
that mir ſelber ſehr weh; es ſoll aber auch die letzte der Art geweſen
ſein.

Leben Sie recht froh!

Ihr
Jean Paul35
4*
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[51/0057] 70. In Nathanael Schlichtegrolls Stammbuch. [München, 5. (?) Juli 1820] Jeder Vorzug wird der jetzigen Jugend zu erwerben leichter als die Beſcheidenheit; ſie hält das Flügelkleid für Flügel, den Gängel- wagen für einen Triumphwagen und das Steckenpferd für das 5 Muſenpferd. Erfreuen Sie ſich recht des Glückes, daß Sie durch die Nähe der väterlichen Verdienſte den Jünglingen der Zeit un- ähnlich geblieben. 10 71. An Cotta. München d. 6. Jul. 1820 Vor meiner Abreiſe hab’ ich hier noch einmal eine Bitte an Sie zu thun, nämlich die, an H. Direktor von Schlichtegroll die Nummern 150, 151 und 153 des Morgenblattes gefällig und wo möglich frankiert 15 und baldigſt abzuſenden und mir in Rechnung zu bringen, da ich ihm leider die Blätter verloren. Haben Sie herzlichſten Dank für Ihren letzten Brief voll Güte und voll Geld. Unſere Rechnungen des vorigen Jahrs ſind demnach geſchloſſen. 20 Mein Aufſatz für den Damenkalender wird doch Anfangs Auguſts noch früh genug anlangen? — Der andere für das Morgenblatt ſoll in Berlin geprüft werden; denn in jedem Falle muß er die dortige heiſſe Zenſur-Linie paſſieren, da ja das ganze Buch dort im Handel umlaufen muß. Hält er nun dort die Matroſen-Taufe des Gleichers aus: ſo ſchreib’ 25 ichs Ihnen und Sie nehmen ihn dann auf. Daß mein guter von mir ſo hoch geſchätzter und ſo treu geliebter Cotta auch nur die kleinſte unangenehme Empfindung — die ich nach frühern Briefen über den Abgang meiner Werke nicht vorausſetzen konnte — bei dem Übergange zu einem fremden Verleger gehabt, dieſes 30 that mir ſelber ſehr weh; es ſoll aber auch die letzte der Art geweſen ſein. Leben Sie recht froh! Ihr Jean Paul 35 4*

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:22:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:22:18Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/57>, abgerufen am 20.04.2024.