Wagnern kann ich seinen Brief nur mündlich beantworten. Kaum dir zu schreiben, bleibt mir einige obwol immer unterbrochne Zeit. -- Gestern war wieder der gute klare, sanfte Welden bei mir; Gott erlöse ihn bald aus seinem militärischen La Trappe-Kloster oder Pagen- Gewahrsam und Gehorsam. Danke seiner köstlichen Mutter für ihr5 Schonen deiner; aber wen schonte sie nicht, sich selber ausgenommen? -- Mein Max bleibt der alte gute mir unentbehrliche Sohn. -- Das hiesige Orchester hat mich bezaubert; aber der welsche Gesang entzaubert und deine Marchetti ist nicht hier; deutschen hab ich gehört; den bessern verspricht man mir. -- Ein münchner Witziger ist mir noch nicht auf-10 gestoßen; aber ich wollte Stein und Bein schwören, daß man, wenn man nur aufmerksam nachsuchte, vielleicht in jeder Hauptstraße einen auf- gabeln könnte. -- Dünnere Dinte, Emma, dünnere Dinte! -- Grüße Otto, Emanuel und Welden. -- Lebe wol, theueres Herz.
Ein Thee besteht hier meistens aus Thee -- Arrack -- Gebacknem --15 Wein -- Bier -- kalten Speisen und Punsch; vielleicht die einzige Münchner Sitte, die ich nach Baireut mitnehmen und wenigstens bei mir beobachten werde.
Lasse doch bei Bomhard nachfragen, ob aus Dresden die 4eckigen Brillen angekommen.20
63. An Luise von Schaden in München.
München d. 24 Jun. 1820
Ich danke Ihnen herzlich für Ihr zugleich von Kopf und Hand so schön geschriebenes Blättchen. Da Sie es erlauben, so komme ich heute um 4 Uhr, um durch Ihre Güte die optische Fabrik von H. Frauenhofer25 zu sehen. Wenn Sie aber auf diese Weise mich von der Musik zur Optik führen: so wird Sie doch niemand für sonderlich uneigen- nützig erklären, der Sie zugleich gehört und gesehen.
Empfangen Sie und Ihre Frau Mutter den innigsten Dank für einen meiner schönsten hiesigen Abende und für einen magnetischen Thee mit30 Punsch, der schönere Erinnerungen zurückließ als mein magnetisches Wasser.
Ihr ergebenster Jean Paul35
Wagnern kann ich ſeinen Brief nur mündlich beantworten. Kaum dir zu ſchreiben, bleibt mir einige obwol immer unterbrochne Zeit. — Geſtern war wieder der gute klare, ſanfte Welden bei mir; Gott erlöſe ihn bald aus ſeinem militäriſchen La Trappe-Kloſter oder Pagen- Gewahrſam und Gehorſam. Danke ſeiner köſtlichen Mutter für ihr5 Schonen deiner; aber wen ſchonte ſie nicht, ſich ſelber ausgenommen? — Mein Max bleibt der alte gute mir unentbehrliche Sohn. — Das hieſige Orcheſter hat mich bezaubert; aber der welſche Geſang entzaubert und deine Marchetti iſt nicht hier; deutſchen hab ich gehört; den beſſern verſpricht man mir. — Ein münchner Witziger iſt mir noch nicht auf-10 geſtoßen; aber ich wollte Stein und Bein ſchwören, daß man, wenn man nur aufmerkſam nachſuchte, vielleicht in jeder Hauptſtraße einen auf- gabeln könnte. — Dünnere Dinte, Emma, dünnere Dinte! — Grüße Otto, Emanuel und Welden. — Lebe wol, theueres Herz.
Ein Thée beſteht hier meiſtens aus Thée — Arrack — Gebacknem —15 Wein — Bier — kalten Speiſen und Punſch; vielleicht die einzige Münchner Sitte, die ich nach Baireut mitnehmen und wenigſtens bei mir beobachten werde.
Laſſe doch bei Bomhard nachfragen, ob aus Dresden die 4eckigen Brillen angekommen.20
63. An Luiſe von Schaden in München.
München d. 24 Jun. 1820
Ich danke Ihnen herzlich für Ihr zugleich von Kopf und Hand ſo ſchön geſchriebenes Blättchen. Da Sie es erlauben, ſo komme ich heute um 4 Uhr, um durch Ihre Güte die optiſche Fabrik von H. Frauenhofer25 zu ſehen. Wenn Sie aber auf dieſe Weiſe mich von der Muſik zur Optik führen: ſo wird Sie doch niemand für ſonderlich uneigen- nützig erklären, der Sie zugleich gehört und geſehen.
Empfangen Sie und Ihre Frau Mutter den innigſten Dank für einen meiner ſchönſten hieſigen Abende und für einen magnetiſchen Thee mit30 Punſch, der ſchönere Erinnerungen zurückließ als mein magnetiſches Waſſer.
Ihr ergebenſter Jean Paul35
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Wagnern kann ich ſeinen Brief nur mündlich beantworten. Kaum dir
zu ſchreiben, bleibt mir einige obwol immer unterbrochne Zeit. —
Geſtern war wieder der gute klare, ſanfte Welden bei mir; Gott erlöſe
ihn bald aus ſeinem militäriſchen La Trappe-Kloſter oder Pagen-
Gewahrſam und Gehorſam. Danke ſeiner köſtlichen Mutter für ihr 5
Schonen deiner; aber wen ſchonte ſie nicht, ſich ſelber ausgenommen? —
Mein Max bleibt der alte gute mir unentbehrliche Sohn. — Das hieſige
Orcheſter hat mich bezaubert; aber der welſche Geſang entzaubert und
deine Marchetti iſt nicht hier; deutſchen hab ich gehört; den beſſern
verſpricht man mir. — Ein münchner Witziger iſt mir noch nicht auf- 10
geſtoßen; aber ich wollte Stein und Bein ſchwören, daß man, wenn man
nur aufmerkſam nachſuchte, vielleicht in jeder Hauptſtraße einen auf-
gabeln könnte. — Dünnere Dinte, Emma, dünnere Dinte! — Grüße
Otto, Emanuel und Welden. — Lebe wol, theueres Herz.
Ein Thée beſteht hier meiſtens aus Thée — Arrack — Gebacknem — 15
Wein — Bier — kalten Speiſen und Punſch; vielleicht die einzige
Münchner Sitte, die ich nach Baireut mitnehmen und wenigſtens bei
mir beobachten werde.
Laſſe doch bei Bomhard nachfragen, ob aus Dresden die 4eckigen
Brillen angekommen. 20
63. An Luiſe von Schaden in München.
München d. 24 Jun. 1820
Ich danke Ihnen herzlich für Ihr zugleich von Kopf und Hand ſo
ſchön geſchriebenes Blättchen. Da Sie es erlauben, ſo komme ich heute
um 4 Uhr, um durch Ihre Güte die optiſche Fabrik von H. Frauenhofer 25
zu ſehen. Wenn Sie aber auf dieſe Weiſe mich von der Muſik zur
Optik führen: ſo wird Sie doch niemand für ſonderlich uneigen-
nützig erklären, der Sie zugleich gehört und geſehen.
Empfangen Sie und Ihre Frau Mutter den innigſten Dank für einen
meiner ſchönſten hieſigen Abende und für einen magnetiſchen Thee mit 30
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Waſſer.
Ihr
ergebenſter
Jean Paul 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/52>, abgerufen am 16.07.2024.
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