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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.

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491. An Dr. Caspari in Leipzig.
[Kopie]

-- in der Diät beging ich nur laßliche, keine Todsünden -- die
Isolazion und Alleinherrschaft der homöopathischen Zwergarzenei
bewahren -- Die Metastasen führten mich in diese parzielle Nacht5
meines Lebens --

*492. An Geheimrätin von der Kettenburg in Bayreuth.

Sie können im Winter Geschenke und Blumen des Sommers geben
und Ihre Nelken an meinem Geburttage duften noch immer in meiner10
dankbaren Erinnerung fort. Aber wie der meinige den Frühling, gerade
die unbeständigste Jahreszeit anfängt: so ist der Ihrige in der Nähe des
Sommers, der durch seine schöne Beständigkeit das Ebenbild Ihres
Charakters wird und in welchem die bleibende Abendröthe noch zaube-
risch der Morgenröthe entgegen blüht, wie in Ihrem Herzen das irdische15
Leben dem künftigen...

Ihr ergebenster
Jean Paul Richter
493. An Karl August Böttiger in Dresden.
[Diktiert]20
Verehrtester Herr Hofrath!

Sie haben mir durch Frl. v. Stein so viel Angenehmes aus Marien-
bad sagen lassen, als Sie selber da in den Zirkeln der gebildeten Welt
erlebten. Das Erfreulichste für uns Alle ist Ihre Wiederherstellung,
da die Parze die Scheere über Ihren Lebensfaden schon aufgemacht25
hielt, aber zum Glück nicht zudrückte. Mit Schmerzen theilte ich die
Besorgnisse der Frau v. d. Reck um ein so fruchtreiches Leben wie das
Ihrige. Den künftigen harten Winter müssen Sie dem Himmel gerade
dadurch zu entgehen suchen, wodurch ihn die Ultrachristen aller Art zu
erlangen hoffen, durch Fasten. Ich gehe mehr der Parzialfinsterniß der30
Augen als der Totalfinsterniß des Todes entgegen. Doch habe ich den
grauen Staar seit anderthalb Jahren, in Hoffnung der Einsaugung,
in demselben Zustand zu erhalten gewußt. Nur leider wächst der Amau-
rose ihr schwarzes Gefieder immer mehr und die Schwäche der Retina

491. An Dr. Caſpari in Leipzig.
[Kopie]

— in der Diät beging ich nur laßliche, keine Todſünden — die
Iſolazion und Alleinherrſchaft der homöopathiſchen Zwergarzenei
bewahren — Die Metaſtaſen führten mich in dieſe parzielle Nacht5
meines Lebens —

*492. An Geheimrätin von der Kettenburg in Bayreuth.

Sie können im Winter Geſchenke und Blumen des Sommers geben
und Ihre Nelken an meinem Geburttage duften noch immer in meiner10
dankbaren Erinnerung fort. Aber wie der meinige den Frühling, gerade
die unbeſtändigſte Jahreszeit anfängt: ſo iſt der Ihrige in der Nähe des
Sommers, der durch ſeine ſchöne Beſtändigkeit das Ebenbild Ihres
Charakters wird und in welchem die bleibende Abendröthe noch zaube-
riſch der Morgenröthe entgegen blüht, wie in Ihrem Herzen das irdiſche15
Leben dem künftigen...

Ihr ergebenſter
Jean Paul Richter
493. An Karl Auguſt Böttiger in Dresden.
[Diktiert]20
Verehrteſter Herr Hofrath!

Sie haben mir durch Frl. v. Stein ſo viel Angenehmes aus Marien-
bad ſagen laſſen, als Sie ſelber da in den Zirkeln der gebildeten Welt
erlebten. Das Erfreulichſte für uns Alle iſt Ihre Wiederherſtellung,
da die Parze die Scheere über Ihren Lebensfaden ſchon aufgemacht25
hielt, aber zum Glück nicht zudrückte. Mit Schmerzen theilte ich die
Beſorgniſſe der Frau v. d. Reck um ein ſo fruchtreiches Leben wie das
Ihrige. Den künftigen harten Winter müſſen Sie dem Himmel gerade
dadurch zu entgehen ſuchen, wodurch ihn die Ultrachriſten aller Art zu
erlangen hoffen, durch Faſten. Ich gehe mehr der Parzialfinſterniß der30
Augen als der Totalfinſterniß des Todes entgegen. Doch habe ich den
grauen Staar ſeit anderthalb Jahren, in Hoffnung der Einſaugung,
in demſelben Zuſtand zu erhalten gewußt. Nur leider wächſt der Amau-
roſe ihr ſchwarzes Gefieder immer mehr und die Schwäche der Retina

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[285/0297] 491. An Dr. Caſpari in Leipzig. [Bayreuth, 15. Juli 1825] — in der Diät beging ich nur laßliche, keine Todſünden — die Iſolazion und Alleinherrſchaft der homöopathiſchen Zwergarzenei bewahren — Die Metaſtaſen führten mich in dieſe parzielle Nacht 5 meines Lebens — *492. An Geheimrätin von der Kettenburg in Bayreuth. Baireut d. 19 Jul. 1825 Sie können im Winter Geſchenke und Blumen des Sommers geben und Ihre Nelken an meinem Geburttage duften noch immer in meiner 10 dankbaren Erinnerung fort. Aber wie der meinige den Frühling, gerade die unbeſtändigſte Jahreszeit anfängt: ſo iſt der Ihrige in der Nähe des Sommers, der durch ſeine ſchöne Beſtändigkeit das Ebenbild Ihres Charakters wird und in welchem die bleibende Abendröthe noch zaube- riſch der Morgenröthe entgegen blüht, wie in Ihrem Herzen das irdiſche 15 Leben dem künftigen... Ihr ergebenſter Jean Paul Richter 493. An Karl Auguſt Böttiger in Dresden. Baireut den 20ten Auguſt 1825 20 Verehrteſter Herr Hofrath! Sie haben mir durch Frl. v. Stein ſo viel Angenehmes aus Marien- bad ſagen laſſen, als Sie ſelber da in den Zirkeln der gebildeten Welt erlebten. Das Erfreulichſte für uns Alle iſt Ihre Wiederherſtellung, da die Parze die Scheere über Ihren Lebensfaden ſchon aufgemacht 25 hielt, aber zum Glück nicht zudrückte. Mit Schmerzen theilte ich die Beſorgniſſe der Frau v. d. Reck um ein ſo fruchtreiches Leben wie das Ihrige. Den künftigen harten Winter müſſen Sie dem Himmel gerade dadurch zu entgehen ſuchen, wodurch ihn die Ultrachriſten aller Art zu erlangen hoffen, durch Faſten. Ich gehe mehr der Parzialfinſterniß der 30 Augen als der Totalfinſterniß des Todes entgegen. Doch habe ich den grauen Staar ſeit anderthalb Jahren, in Hoffnung der Einſaugung, in demſelben Zuſtand zu erhalten gewußt. Nur leider wächſt der Amau- roſe ihr ſchwarzes Gefieder immer mehr und die Schwäche der Retina

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:22:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:22:18Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/297>, abgerufen am 03.05.2024.