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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.

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welche den Denunciations-Antheil an das ganze Personale vertheilt,
gegen mich und ich bekam nur den sechsten Theil und die fünf müßigen
Zuschauer die übrigen fünf Theile.

Nach 21 Bittmonaten kam ich als Oberzollbeamter nach Baireut
mit 1200 fl. Gehalt, wovon ich jährlich an meine Gläubiger 400 fl.5
vertragmäßig zahle. Aber auch diese letzte Station sollte gleichsam meine
siebente Leidens-Station werden; indem eine vorjährige Verordnung
allen Kassenbeamten ein Amtsbürgschafts-Kapital von 800 fl. auf-
erlegt, wofür ich wieder 1/6 Abzug von meinem schon mit Abzug ver-
minderten Gehalte geben muß. -- --10

Und so stehe ich denn in der Nacht meines Schicksals mit nassen
Augen, aber mit kindlichem Herzen vor dem Vater des Vaterlands
und mit der letzten, aber desto stärkeren Hoffnung auf seinen Gnaden-
blick, welcher als Sonnenblick mein kaltes überwölktes Leben durch-
dringt und erleuchtet.15

Alles war bisher in diesem düstern Leben Verarmung -- meine
Geburt war eine -- meine militärische Laufbahn war eine -- jede Ver-
setzung wurde zu einer Zurücksetzung; und sogar die Zwischenakte des
Schicksals plünderten den Verarmten.

Jetzo hebe ich in meinem 48ten Lebens- und Leidensjahre mit meiner20
nachleidenden Gattin und mit vier unerzognen Kindern die Hände zu
Ew. M. bittend auf, und zwar zum erstenmale, ob mir gleich in früherer
Zeit das hohe Glück, Ihnen persönlich bekannt zu werden, und schon
meiner seel. Mutter das zweite geworden, von Ihrer Huld jährliche
Hülfe zu empfangen.25

Mein Unglück hat für mich gesprochen; das Herz meines Königs wird
antworten.

253. An Emanuel.

Guten Morgen, geliebter Emanuel! In Ihrem kleinen Paß für den30
Gesellschafter ist mehr Witz als im ganzen Heft. Verzeihen Sie die Ver-
spätung, da Sie diesen Gesellschafter, der doch keiner für uns sein kann,
auf der Stelle an Am[öne] befördern können. Ich hatte für den ewig
verunglückenden Oberzollbeamten Heydel eine lange Bittschrift an den
König in seinem Namen aufzusetzen. -- Ich werde Sie auch um den35
1ten Theil des Kometen bitten müssen.

welche den Denunciations-Antheil an das ganze Perſonale vertheilt,
gegen mich und ich bekam nur den ſechſten Theil und die fünf müßigen
Zuſchauer die übrigen fünf Theile.

Nach 21 Bittmonaten kam ich als Oberzollbeamter nach Baireut
mit 1200 fl. Gehalt, wovon ich jährlich an meine Gläubiger 400 fl.5
vertragmäßig zahle. Aber auch dieſe letzte Station ſollte gleichſam meine
ſiebente Leidens-Station werden; indem eine vorjährige Verordnung
allen Kaſſenbeamten ein Amtsbürgſchafts-Kapital von 800 fl. auf-
erlegt, wofür ich wieder ⅙ Abzug von meinem ſchon mit Abzug ver-
minderten Gehalte geben muß. — —10

Und ſo ſtehe ich denn in der Nacht meines Schickſals mit naſſen
Augen, aber mit kindlichem Herzen vor dem Vater des Vaterlands
und mit der letzten, aber deſto ſtärkeren Hoffnung auf ſeinen Gnaden-
blick, welcher als Sonnenblick mein kaltes überwölktes Leben durch-
dringt und erleuchtet.15

Alles war bisher in dieſem düſtern Leben Verarmung — meine
Geburt war eine — meine militäriſche Laufbahn war eine — jede Ver-
ſetzung wurde zu einer Zurückſetzung; und ſogar die Zwiſchenakte des
Schickſals plünderten den Verarmten.

Jetzo hebe ich in meinem 48ten Lebens- und Leidensjahre mit meiner20
nachleidenden Gattin und mit vier unerzognen Kindern die Hände zu
Ew. M. bittend auf, und zwar zum erſtenmale, ob mir gleich in früherer
Zeit das hohe Glück, Ihnen perſönlich bekannt zu werden, und ſchon
meiner ſeel. Mutter das zweite geworden, von Ihrer Huld jährliche
Hülfe zu empfangen.25

Mein Unglück hat für mich geſprochen; das Herz meines Königs wird
antworten.

253. An Emanuel.

Guten Morgen, geliebter Emanuel! In Ihrem kleinen Paß für den30
Geſellſchafter iſt mehr Witz als im ganzen Heft. Verzeihen Sie die Ver-
ſpätung, da Sie dieſen Geſellſchafter, der doch keiner für uns ſein kann,
auf der Stelle an Am[öne] befördern können. Ich hatte für den ewig
verunglückenden Oberzollbeamten Heydel eine lange Bittſchrift an den
König in ſeinem Namen aufzuſetzen. — Ich werde Sie auch um den35
1ten Theil des Kometen bitten müſſen.

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[155/0162] welche den Denunciations-Antheil an das ganze Perſonale vertheilt, gegen mich und ich bekam nur den ſechſten Theil und die fünf müßigen Zuſchauer die übrigen fünf Theile. Nach 21 Bittmonaten kam ich als Oberzollbeamter nach Baireut mit 1200 fl. Gehalt, wovon ich jährlich an meine Gläubiger 400 fl. 5 vertragmäßig zahle. Aber auch dieſe letzte Station ſollte gleichſam meine ſiebente Leidens-Station werden; indem eine vorjährige Verordnung allen Kaſſenbeamten ein Amtsbürgſchafts-Kapital von 800 fl. auf- erlegt, wofür ich wieder ⅙ Abzug von meinem ſchon mit Abzug ver- minderten Gehalte geben muß. — — 10 Und ſo ſtehe ich denn in der Nacht meines Schickſals mit naſſen Augen, aber mit kindlichem Herzen vor dem Vater des Vaterlands und mit der letzten, aber deſto ſtärkeren Hoffnung auf ſeinen Gnaden- blick, welcher als Sonnenblick mein kaltes überwölktes Leben durch- dringt und erleuchtet. 15 Alles war bisher in dieſem düſtern Leben Verarmung — meine Geburt war eine — meine militäriſche Laufbahn war eine — jede Ver- ſetzung wurde zu einer Zurückſetzung; und ſogar die Zwiſchenakte des Schickſals plünderten den Verarmten. Jetzo hebe ich in meinem 48ten Lebens- und Leidensjahre mit meiner 20 nachleidenden Gattin und mit vier unerzognen Kindern die Hände zu Ew. M. bittend auf, und zwar zum erſtenmale, ob mir gleich in früherer Zeit das hohe Glück, Ihnen perſönlich bekannt zu werden, und ſchon meiner ſeel. Mutter das zweite geworden, von Ihrer Huld jährliche Hülfe zu empfangen. 25 Mein Unglück hat für mich geſprochen; das Herz meines Königs wird antworten. 253. An Emanuel. [Bayreuth, 3. März 1822] Guten Morgen, geliebter Emanuel! In Ihrem kleinen Paß für den 30 Geſellſchafter iſt mehr Witz als im ganzen Heft. Verzeihen Sie die Ver- ſpätung, da Sie dieſen Geſellſchafter, der doch keiner für uns ſein kann, auf der Stelle an Am[öne] befördern können. Ich hatte für den ewig verunglückenden Oberzollbeamten Heydel eine lange Bittſchrift an den König in ſeinem Namen aufzuſetzen. — Ich werde Sie auch um den 35 1ten Theil des Kometen bitten müſſen.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:22:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:22:18Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/162>, abgerufen am 02.05.2024.