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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.

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wissenschaftliche im Lernen und Schaffen. Aller Verlust voriger Menschen
gleicht dem letzten nicht und meine Sehnsucht wächst peinlich. Nicht über
Ihn brauch' ich Trost, sondern über das Entbehren Seiner Liebe. Indeß
hab' ich doch die Kraft, stets, wenn ich will, den zersetzenden Gedanken
an Ihn abzuweisen, der mir bei jedem griechischen Buche, ja bei dem5
Worte Philolog an die Brust springt; aber hören und sehen von Ihm
kann ich schwer. -- Und damit genug! -- Meinen Körper beschützt der
milde Winter, aber noch immer kein zuträglicher Wein. Ich über-
arbeite doch den 3ten Band des Kometen. Das starke Buch über die
Unsterblichkeit fodert Anstrengungen, die ich nur im Sommer meiner10
Gesundheit ansinnen darf, weil ich bei dem Überblick von 30jährigen
Vorarbeiten gefunden, daß diese überall in alle Tiefen der Philo-
sophie eingreifen. Aber 1000 nassen oder dunkeln Augen werd' ich ganz
neue lichte Stellen und Reiche im künftigen Lande des Seins mit Kühn-
heit zeigen können; alles ohne Beihülfe der Bibel. Es gibt -- durch die15
Jahrhunderte -- größere Blicke ins All als die eines Peter und Paul. --

"Heiligung der Mittel durch den Zweck" ist deinem ächt lutherschen
Vater ja album graecum und Teufelsdreck; und "Entschädigung für
Absatz" könnte ja Perthes von jedem Rezensenten [?] fodern.

Gott lohne dir deine Mühe um den Geschiednen, diese höhere Leichen-20
begleitung. Hier 45 fl. für die Köster. -- Von Landfried ist meine
Frau über alles quittiert. Der D. Nebel -- der so schrecklich unwissend
Seine Nervenkrankheit behandelte und dessen Rezepte blos auf 11/2 fl.
in der Apotheke sich beliefen -- mag selber sagen, wie viel er für seine
Irrthümer fodert. -- Nur ein Parzen- und Furien-Verein (wozu auch25
Sein Freund Dr. Kapp) von Menschen und Umständen konnten [!] eine
so festgebauete Natur wie Seine, zwischen Sargbretern zersägen. --
So viele Schulden bei mehr als 400 fl. in 9 Monaten Einnahme setzen
freilich fremde Einnehmer wie z. B. den geniesiechen und süchtigen
Henne, den dürftigen Merk u. a. voraus. 25 fl. lieh Er, wie Er mir30
selber schrieb, einem Studenten, der nur 9 zurück zahlte. --

Für Alles was du thust, hast du nicht nur meine Stimme voraus,
sondern auch meine innigste Danksagung nach.

Von meinen Mumien und grönländischen Prozessen sind erst die
ersten Theile fertig: kommen die zweiten, so kommt alles zu dir.35

Wie oft setzten mich Shakespeare und Aristophanes -- die ich immer
wieder lese -- in dein Zimmer auf dein Kanapee neben dich seitdem!

wiſſenſchaftliche im Lernen und Schaffen. Aller Verluſt voriger Menſchen
gleicht dem letzten nicht und meine Sehnſucht wächſt peinlich. Nicht über
Ihn brauch’ ich Troſt, ſondern über das Entbehren Seiner Liebe. Indeß
hab’ ich doch die Kraft, ſtets, wenn ich will, den zerſetzenden Gedanken
an Ihn abzuweiſen, der mir bei jedem griechiſchen Buche, ja bei dem5
Worte Philolog an die Bruſt ſpringt; aber hören und ſehen von Ihm
kann ich ſchwer. — Und damit genug! — Meinen Körper beſchützt der
milde Winter, aber noch immer kein zuträglicher Wein. Ich über-
arbeite doch den 3ten Band des Kometen. Das ſtarke Buch über die
Unſterblichkeit fodert Anſtrengungen, die ich nur im Sommer meiner10
Geſundheit anſinnen darf, weil ich bei dem Überblick von 30jährigen
Vorarbeiten gefunden, daß dieſe überall in alle Tiefen der Philo-
ſophie eingreifen. Aber 1000 naſſen oder dunkeln Augen werd’ ich ganz
neue lichte Stellen und Reiche im künftigen Lande des Seins mit Kühn-
heit zeigen können; alles ohne Beihülfe der Bibel. Es gibt — durch die15
Jahrhunderte — größere Blicke ins All als die eines Peter und Paul. —

„Heiligung der Mittel durch den Zweck“ iſt deinem ächt lutherſchen
Vater ja album graecum und Teufelsdreck; und „Entſchädigung für
Abſatz“ könnte ja Perthes von jedem Rezenſenten [?] fodern.

Gott lohne dir deine Mühe um den Geſchiednen, dieſe höhere Leichen-20
begleitung. Hier 45 fl. für die Köster. — Von Landfried iſt meine
Frau über alles quittiert. Der D. Nebel — der ſo ſchrecklich unwiſſend
Seine Nervenkrankheit behandelte und deſſen Rezepte blos auf 1½ fl.
in der Apotheke ſich beliefen — mag ſelber ſagen, wie viel er für ſeine
Irrthümer fodert. — Nur ein Parzen- und Furien-Verein (wozu auch25
Sein Freund Dr. Kapp) von Menſchen und Umſtänden konnten [!] eine
ſo feſtgebauete Natur wie Seine, zwiſchen Sargbretern zerſägen. —
So viele Schulden bei mehr als 400 fl. in 9 Monaten Einnahme ſetzen
freilich fremde Einnehmer wie z. B. den genieſiechen und ſüchtigen
Henne, den dürftigen Merk u. a. voraus. 25 fl. lieh Er, wie Er mir30
ſelber ſchrieb, einem Studenten, der nur 9 zurück zahlte. —

Für Alles was du thuſt, haſt du nicht nur meine Stimme voraus,
ſondern auch meine innigſte Dankſagung nach.

Von meinen Mumien und grönländischen Prozessen ſind erſt die
erſten Theile fertig: kommen die zweiten, ſo kommt alles zu dir.35

Wie oft ſetzten mich Shakeſpeare und Ariſtophanes — die ich immer
wieder leſe — in dein Zimmer auf dein Kanapée neben dich ſeitdem!

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[148/0155] wiſſenſchaftliche im Lernen und Schaffen. Aller Verluſt voriger Menſchen gleicht dem letzten nicht und meine Sehnſucht wächſt peinlich. Nicht über Ihn brauch’ ich Troſt, ſondern über das Entbehren Seiner Liebe. Indeß hab’ ich doch die Kraft, ſtets, wenn ich will, den zerſetzenden Gedanken an Ihn abzuweiſen, der mir bei jedem griechiſchen Buche, ja bei dem 5 Worte Philolog an die Bruſt ſpringt; aber hören und ſehen von Ihm kann ich ſchwer. — Und damit genug! — Meinen Körper beſchützt der milde Winter, aber noch immer kein zuträglicher Wein. Ich über- arbeite doch den 3ten Band des Kometen. Das ſtarke Buch über die Unſterblichkeit fodert Anſtrengungen, die ich nur im Sommer meiner 10 Geſundheit anſinnen darf, weil ich bei dem Überblick von 30jährigen Vorarbeiten gefunden, daß dieſe überall in alle Tiefen der Philo- ſophie eingreifen. Aber 1000 naſſen oder dunkeln Augen werd’ ich ganz neue lichte Stellen und Reiche im künftigen Lande des Seins mit Kühn- heit zeigen können; alles ohne Beihülfe der Bibel. Es gibt — durch die 15 Jahrhunderte — größere Blicke ins All als die eines Peter und Paul. — „Heiligung der Mittel durch den Zweck“ iſt deinem ächt lutherſchen Vater ja album graecum und Teufelsdreck; und „Entſchädigung für Abſatz“ könnte ja Perthes von jedem Rezenſenten [?] fodern. Gott lohne dir deine Mühe um den Geſchiednen, dieſe höhere Leichen- 20 begleitung. Hier 45 fl. für die Köster. — Von Landfried iſt meine Frau über alles quittiert. Der D. Nebel — der ſo ſchrecklich unwiſſend Seine Nervenkrankheit behandelte und deſſen Rezepte blos auf 1½ fl. in der Apotheke ſich beliefen — mag ſelber ſagen, wie viel er für ſeine Irrthümer fodert. — Nur ein Parzen- und Furien-Verein (wozu auch 25 Sein Freund Dr. Kapp) von Menſchen und Umſtänden konnten [!] eine ſo feſtgebauete Natur wie Seine, zwiſchen Sargbretern zerſägen. — So viele Schulden bei mehr als 400 fl. in 9 Monaten Einnahme ſetzen freilich fremde Einnehmer wie z. B. den genieſiechen und ſüchtigen Henne, den dürftigen Merk u. a. voraus. 25 fl. lieh Er, wie Er mir 30 ſelber ſchrieb, einem Studenten, der nur 9 zurück zahlte. — Für Alles was du thuſt, haſt du nicht nur meine Stimme voraus, ſondern auch meine innigſte Dankſagung nach. Von meinen Mumien und grönländischen Prozessen ſind erſt die erſten Theile fertig: kommen die zweiten, ſo kommt alles zu dir. 35 Wie oft ſetzten mich Shakeſpeare und Ariſtophanes — die ich immer wieder leſe — in dein Zimmer auf dein Kanapée neben dich ſeitdem!

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:22:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:22:18Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/155>, abgerufen am 24.11.2024.