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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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-- Stelle Stühle vor die Repositorien, damit keines durch Umfallen
beschädigt. Alle meine Stuben-Reliquien, den großen Kasten etc.etc.
lasse mich beim Eintritt finden. -- Die Vorfenster sind noch nicht
nöthig. -- Immer heftiger liebt mich mein Primas; Einen Tag Ab-
wesenheit spüren unsere Herzen. Er umarmt mich so warm wie5
Herder. Deine und der Kinder Gesundheit trinken wir jeden Abend.
-- Der erst verheirathete geheime Rath Posch kann mir nicht genug
Grüße an deine Stiefmutter auftragen, die er anbetet.

-- Ist das vorälteste Bier zu Ende, was ich wünsche: so lasse nur
abziehen. -- Wir werden, Geliebte, wieder schöne Tage verleben.10
Die zwei Tage der Rückreise werd ich blos mit moralischen Betrach-
tungen -- wozu ich ein besonderes Buch mir geschrieben, das ich
sonst auch in B[aireuth] an jedem Morgen studierte, so wenig du
mir es ansahest -- zubringen, um mein geändertes Herz zu befestigen.
Gegen die harte Unart -- die ich ganz von meinem Vater geerbt --15
Abends mir überall falsche Schatten und Lichter zu machen, muß
ich besonders ankämpfen. Grüße mir meine beiden geliebten Freunde
und die Lochner. Ein solches Herz voll lauter lauter Liebe ohne alle
Nebenblicke hat nur mein Primas. Du sänkest ihm weinend an die
Brust. -- Nun so lebe wol, meine geliebte Seele, und handle frei20
und sorge dich nicht.

Dein
Richter
217. An Karoline Richter.
25

Meine theuere Karoline! Gestern erhielt ich deinen lieben Brief;
und meinen am Sonnabend abgeschickten langen wirst du Sonntags
bekommen haben. Es thut mir ordentlich wehe, daß ich jetzo keinen
mehr von dir bekommen kann, da ich am Sonnabende um 7 Uhr
anlange. Die Kinder sollen mir, wie ich schon geschrieben, um30
6 entgegenziehen. Mitten unter allen Zerstreuungen sehn ich mich
unsäglich in meine alte Einsamkeit und zumal zu dir und meinen
lieben Kindern. Ungeachtet der vielen Speisen -- abends hab ich
auf meinem Zimmer 4, und Mittags bei Goerz, Primas etc. sind
etwa 12 -- hab' ich doch noch nie zu viel gegessen; auch nirgends zu35
viel getrunken. (Eben unterbrach mich Stackelberg; und die Post

— Stelle Stühle vor die Repoſitorien, damit keines durch Umfallen
beſchädigt. Alle meine Stuben-Reliquien, den großen Kaſten ꝛc.ꝛc.
laſſe mich beim Eintritt finden. — Die Vorfenſter ſind noch nicht
nöthig. — Immer heftiger liebt mich mein Primas; Einen Tag Ab-
weſenheit ſpüren unſere Herzen. Er umarmt mich ſo warm wie5
Herder. Deine und der Kinder Geſundheit trinken wir jeden Abend.
— Der erſt verheirathete geheime Rath Poſch kann mir nicht genug
Grüße an deine Stiefmutter auftragen, die er anbetet.

— Iſt das vorälteſte Bier zu Ende, was ich wünſche: ſo laſſe nur
abziehen. — Wir werden, Geliebte, wieder ſchöne Tage verleben.10
Die zwei Tage der Rückreiſe werd ich blos mit moraliſchen Betrach-
tungen — wozu ich ein beſonderes Buch mir geſchrieben, das ich
ſonſt auch in B[aireuth] an jedem Morgen ſtudierte, ſo wenig du
mir es anſaheſt — zubringen, um mein geändertes Herz zu befeſtigen.
Gegen die harte Unart — die ich ganz von meinem Vater geerbt —15
Abends mir überall falſche Schatten und Lichter zu machen, muß
ich beſonders ankämpfen. Grüße mir meine beiden geliebten Freunde
und die Lochner. Ein ſolches Herz voll lauter lauter Liebe ohne alle
Nebenblicke hat nur mein Primas. Du ſänkeſt ihm weinend an die
Bruſt. — Nun ſo lebe wol, meine geliebte Seele, und handle frei20
und ſorge dich nicht.

Dein
Richter
217. An Karoline Richter.
25

Meine theuere Karoline! Geſtern erhielt ich deinen lieben Brief;
und meinen am Sonnabend abgeſchickten langen wirſt du Sonntags
bekommen haben. Es thut mir ordentlich wehe, daß ich jetzo keinen
mehr von dir bekommen kann, da ich am Sonnabende um 7 Uhr
anlange. Die Kinder ſollen mir, wie ich ſchon geſchrieben, um30
6 entgegenziehen. Mitten unter allen Zerſtreuungen ſehn ich mich
unſäglich in meine alte Einſamkeit und zumal zu dir und meinen
lieben Kindern. Ungeachtet der vielen Speiſen — abends hab ich
auf meinem Zimmer 4, und Mittags bei Goerz, Primas ꝛc. ſind
etwa 12 — hab’ ich doch noch nie zu viel gegeſſen; auch nirgends zu35
viel getrunken. (Eben unterbrach mich Stackelberg; und die Poſt

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[85/0090] — Stelle Stühle vor die Repoſitorien, damit keines durch Umfallen beſchädigt. Alle meine Stuben-Reliquien, den großen Kaſten ꝛc.ꝛc. laſſe mich beim Eintritt finden. — Die Vorfenſter ſind noch nicht nöthig. — Immer heftiger liebt mich mein Primas; Einen Tag Ab- weſenheit ſpüren unſere Herzen. Er umarmt mich ſo warm wie 5 Herder. Deine und der Kinder Geſundheit trinken wir jeden Abend. — Der erſt verheirathete geheime Rath Poſch kann mir nicht genug Grüße an deine Stiefmutter auftragen, die er anbetet. — Iſt das vorälteſte Bier zu Ende, was ich wünſche: ſo laſſe nur abziehen. — Wir werden, Geliebte, wieder ſchöne Tage verleben. 10 Die zwei Tage der Rückreiſe werd ich blos mit moraliſchen Betrach- tungen — wozu ich ein beſonderes Buch mir geſchrieben, das ich ſonſt auch in B[aireuth] an jedem Morgen ſtudierte, ſo wenig du mir es anſaheſt — zubringen, um mein geändertes Herz zu befeſtigen. Gegen die harte Unart — die ich ganz von meinem Vater geerbt — 15 Abends mir überall falſche Schatten und Lichter zu machen, muß ich beſonders ankämpfen. Grüße mir meine beiden geliebten Freunde und die Lochner. Ein ſolches Herz voll lauter lauter Liebe ohne alle Nebenblicke hat nur mein Primas. Du ſänkeſt ihm weinend an die Bruſt. — Nun ſo lebe wol, meine geliebte Seele, und handle frei 20 und ſorge dich nicht. Dein Richter 217. An Karoline Richter. Regensburg Dienſtags d. 3. Sept. 1816 25 Meine theuere Karoline! Geſtern erhielt ich deinen lieben Brief; und meinen am Sonnabend abgeſchickten langen wirſt du Sonntags bekommen haben. Es thut mir ordentlich wehe, daß ich jetzo keinen mehr von dir bekommen kann, da ich am Sonnabende um 7 Uhr anlange. Die Kinder ſollen mir, wie ich ſchon geſchrieben, um 30 6 entgegenziehen. Mitten unter allen Zerſtreuungen ſehn ich mich unſäglich in meine alte Einſamkeit und zumal zu dir und meinen lieben Kindern. Ungeachtet der vielen Speiſen — abends hab ich auf meinem Zimmer 4, und Mittags bei Goerz, Primas ꝛc. ſind etwa 12 — hab’ ich doch noch nie zu viel gegeſſen; auch nirgends zu 35 viel getrunken. (Eben unterbrach mich Stackelberg; und die Poſt

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/90>, abgerufen am 27.04.2024.