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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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liche Herz.) -- Möge Sie der Unendliche schon hier belohnen, wo
der Mensch den überirdischen Lohn sich erst verdienen muß.

365a. An Otto.

Lieber Alter! Jetzo thut mir das Gestern auf eine umgekehrte5
Weise weh, daß ich nämlich dir Unschuldigen einen Tag -- wenn
auch selber unschuldig -- zerstört und zerrissen habe. Ich hätt' es
nämlich nicht glauben sollen -- da du ewige Beweise des Gegentheils
gegeben -- aber ich glaubt' es auch nur Halb und dieß Halb gehälftet
wieder durch Nachgeben für andere.*) -- Jeder Ort selber ist mir10
übrigens einerlei; so ist die neue Stelle in deinem Garten mir
einerlei, ja, seitdem ich die schöne Einsamkeit und die Aussicht auf
den Himmel meiner Wetterprophezeiungen da gefunden, sogar
nicht mehr einerlei sondern lieber. -- Du hast vor der Emma die
Abende bei der Rollwenzel so gelobt. Kommen wieder lichtere15
Abende, sogar mit Mondsicheln, so wollen wir mit einander zum
Bier und Eierkuchen hinaus und die getödtete Freude wieder verklärt
auferwecken. Vergib, alter Freund, und schlafe in schönern Träumen
als mein gestriger Tagtraum war.

365b. An Otto.20

Guten Morgen! Es ist immer besser, wenn man später antwortet.
Für dich ist: die Analogie von Hader, hadern, Haderer, so Lager,
lagern, (Be)Lagerer; sogar, insofern es ein fremdes Wort ist, die
von Kammer, kammern, Kämmerer; -- aber weniger das ohnehin25
räthselhafte Wort Abentheuer, Abenteuer, Ebentheuer, Abend-
theuer von avanture. -- Aber gegen dich ist: als fremdes Wort
geht es ganz wie Pilgern (peregr.), Pilger; also Negerschiff,
Pilgerhut; Doktorhut etc. Kaperbriefe, doktorn, doktert Auch müßte
man dann wie Negerei, so Kapererei sagen. Endlich eine Delphinen-30
Fischart heißt der Nordkaper; und dieser Fisch allein entscheidet die

*) Hätt' ich doch gestern, wie ich bei deinem zweiten Weggange gewollt,
sogleich mit dir gesprochen!

liche Herz.) — Möge Sie der Unendliche ſchon hier belohnen, wo
der Menſch den überirdiſchen Lohn ſich erſt verdienen muß.

365a. An Otto.

Lieber Alter! Jetzo thut mir das Geſtern auf eine umgekehrte5
Weiſe weh, daß ich nämlich dir Unſchuldigen einen Tag — wenn
auch ſelber unſchuldig — zerſtört und zerriſſen habe. Ich hätt’ es
nämlich nicht glauben ſollen — da du ewige Beweiſe des Gegentheils
gegeben — aber ich glaubt’ es auch nur Halb und dieß Halb gehälftet
wieder durch Nachgeben für andere.*) — Jeder Ort ſelber iſt mir10
übrigens einerlei; ſo iſt die neue Stelle in deinem Garten mir
einerlei, ja, ſeitdem ich die ſchöne Einſamkeit und die Ausſicht auf
den Himmel meiner Wetterprophezeiungen da gefunden, ſogar
nicht mehr einerlei ſondern lieber. — Du haſt vor der Emma die
Abende bei der Rollwenzel ſo gelobt. Kommen wieder lichtere15
Abende, ſogar mit Mondſicheln, ſo wollen wir mit einander zum
Bier und Eierkuchen hinaus und die getödtete Freude wieder verklärt
auferwecken. Vergib, alter Freund, und ſchlafe in ſchönern Träumen
als mein geſtriger Tagtraum war.

365b. An Otto.20

Guten Morgen! Es iſt immer beſſer, wenn man ſpäter antwortet.
Für dich iſt: die Analogie von Hader, hadern, Haderer, ſo Lager,
lagern, (Be)Lagerer; ſogar, inſofern es ein fremdes Wort iſt, die
von Kammer, kammern, Kämmerer; — aber weniger das ohnehin25
räthſelhafte Wort Abentheuer, Abenteuer, Ebentheuer, Abend-
theuer von avanture. — Aber gegen dich iſt: als fremdes Wort
geht es ganz wie Pilgern (peregr.), Pilger; alſo Negerſchiff,
Pilgerhut; Doktorhut ꝛc. 〈Kaperbriefe, doktorn, doktert〉 Auch müßte
man dann wie Negerei, ſo Kapererei ſagen. Endlich eine Delphinen-30
Fiſchart heißt der Nordkaper; und dieſer Fiſch allein entſcheidet die

*) Hätt’ ich doch geſtern, wie ich bei deinem zweiten Weggange gewollt,
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[166/0173] liche Herz.) — Möge Sie der Unendliche ſchon hier belohnen, wo der Menſch den überirdiſchen Lohn ſich erſt verdienen muß. 365a. An Otto. [Bayreuth, 1817/18?] Lieber Alter! Jetzo thut mir das Geſtern auf eine umgekehrte 5 Weiſe weh, daß ich nämlich dir Unſchuldigen einen Tag — wenn auch ſelber unſchuldig — zerſtört und zerriſſen habe. Ich hätt’ es nämlich nicht glauben ſollen — da du ewige Beweiſe des Gegentheils gegeben — aber ich glaubt’ es auch nur Halb und dieß Halb gehälftet wieder durch Nachgeben für andere. *) — Jeder Ort ſelber iſt mir 10 übrigens einerlei; ſo iſt die neue Stelle in deinem Garten mir einerlei, ja, ſeitdem ich die ſchöne Einſamkeit und die Ausſicht auf den Himmel meiner Wetterprophezeiungen da gefunden, ſogar nicht mehr einerlei ſondern lieber. — Du haſt vor der Emma die Abende bei der Rollwenzel ſo gelobt. Kommen wieder lichtere 15 Abende, ſogar mit Mondſicheln, ſo wollen wir mit einander zum Bier und Eierkuchen hinaus und die getödtete Freude wieder verklärt auferwecken. Vergib, alter Freund, und ſchlafe in ſchönern Träumen als mein geſtriger Tagtraum war. 365b. An Otto. 20 [Bayreuth, 1817/18?] Guten Morgen! Es iſt immer beſſer, wenn man ſpäter antwortet. Für dich iſt: die Analogie von Hader, hadern, Haderer, ſo Lager, lagern, (Be)Lagerer; ſogar, inſofern es ein fremdes Wort iſt, die von Kammer, kammern, Kämmerer; — aber weniger das ohnehin 25 räthſelhafte Wort Abentheuer, Abenteuer, Ebentheuer, Abend- theuer von avanture. — Aber gegen dich iſt: als fremdes Wort geht es ganz wie Pilgern (peregr.), Pilger; alſo Negerſchiff, Pilgerhut; Doktorhut ꝛc. 〈Kaperbriefe, doktorn, doktert〉 Auch müßte man dann wie Negerei, ſo Kapererei ſagen. Endlich eine Delphinen- 30 Fiſchart heißt der Nordkaper; und dieſer Fiſch allein entſcheidet die *) Hätt’ ich doch geſtern, wie ich bei deinem zweiten Weggange gewollt, ſogleich mit dir geſprochen!

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/173>, abgerufen am 03.05.2024.