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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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306. An Sophie Paulus in Heidelberg.

Meine Sophie! Das erste hier geschriebne Wort ist an Sie. In
Mannheim konnt' ich mich abends aus dem Zimmer, worin so viel
Liebes gewesen, nicht heraus bringen; morgends konnt' ich eben darum5
nicht mehr darin bleiben, sondern ging (für den ganzen Tag) zu
Sternberg, dessen Gattin anstatt im Wochenbette (wie das Gerücht
gesagt) blos einige Stunden auf Spaziergängen gewesen war.
Dieser Sternberg bietet mir nun einen halben Himmel und -- wenn
Sie ihn theilen -- einen ganzen an. Er und andere meiner Freunde10
wollen nämlich für den nächsten Sonntag (den 17ten) die Aufführung
der Oper Vestale von Spontini veranstalten, welche die h[eilige]
Madonna unter den Opern (die andern sind dagegen nur Nonnen)
sein soll. Sonnabends käm' ich in Mannheim an -- Sonntags kämen
Sie mit den Ihrigen an -- bis um 9 Uhr hörten wir die Sphären-15
töne -- nachher führ' ich mit Ihnen nach Heidelberg zurück und die
Sphärentöne klängen fort -- und in der Geisterstunde stiegen wir
mit Herzen voll Tönen und Geistern aus. Ich hätte freilich des
Guten zu viel; aber Gott hat mich auf meiner Reise daran gewöhnt.

Schreiben Sie mir das Ja oder Nein nach Mainz. Jetzo haben20
Sie doch den ersten Stoff zu einem Briefe -- den zweiten können Sie
aus der bisherigen heidelb. Geschichte nehmen und den dritten aus
Ihrer oder meiner Seele. Ihre wäre mir aber lieber. Sie und der
Rhein gehören nun in meinem Herzen zusammen und wo ich ihm
auch begegne, wird Ihr Bild wie das eines Gestirns auf ihm25
schwimmen. Die Stunde des ersten Sehens wird ihn verschatten
oder überglänzen überall, wo er auch noch schöner ströme.

Wie oft setzt' ich mich gestern in meinem einsamen Wagen rück-
wärts, um nach den theuern heidelberger Bergen zu schauen, welche
in der Ferne glänzten, als über der Gegend um mich die Wolken30
standen!

Ihre geliebte Mutter, Ihr lachender Vater und Ihr dienstge-
fälliger Wilhelm seien gegrüßt! -- Lebe wol, Sophie!

Jean Paul Fr. Richter
35

Den Brief nach Mainz adressieren Sie: "abzugeben an H. Hof-
rath Jung auf der hintern Bleiche". Ihre Ankunft in Mannheim

306. An Sophie Paulus in Heidelberg.

Meine Sophie! Das erſte hier geſchriebne Wort iſt an Sie. In
Mannheim konnt’ ich mich abends aus dem Zimmer, worin ſo viel
Liebes geweſen, nicht heraus bringen; morgends konnt’ ich eben darum5
nicht mehr darin bleiben, ſondern ging (für den ganzen Tag) zu
Sternberg, deſſen Gattin anſtatt im Wochenbette (wie das Gerücht
geſagt) blos einige Stunden auf Spaziergängen geweſen war.
Dieſer Sternberg bietet mir nun einen halben Himmel und — wenn
Sie ihn theilen — einen ganzen an. Er und andere meiner Freunde10
wollen nämlich für den nächſten Sonntag (den 17ten) die Aufführung
der Oper Veſtale von Spontini veranſtalten, welche die h[eilige]
Madonna unter den Opern (die andern ſind dagegen nur Nonnen)
ſein ſoll. Sonnabends käm’ ich in Mannheim an — Sonntags kämen
Sie mit den Ihrigen an — bis um 9 Uhr hörten wir die Sphären-15
töne — nachher führ’ ich mit Ihnen nach Heidelberg zurück und die
Sphärentöne klängen fort — und in der Geiſterſtunde ſtiegen wir
mit Herzen voll Tönen und Geiſtern aus. Ich hätte freilich des
Guten zu viel; aber Gott hat mich auf meiner Reiſe daran gewöhnt.

Schreiben Sie mir das Ja oder Nein nach Mainz. Jetzo haben20
Sie doch den erſten Stoff zu einem Briefe — den zweiten können Sie
aus der bisherigen heidelb. Geſchichte nehmen und den dritten aus
Ihrer oder meiner Seele. Ihre wäre mir aber lieber. Sie und der
Rhein gehören nun in meinem Herzen zuſammen und wo ich ihm
auch begegne, wird Ihr Bild wie das eines Geſtirns auf ihm25
ſchwimmen. Die Stunde des erſten Sehens wird ihn verſchatten
oder überglänzen überall, wo er auch noch ſchöner ſtröme.

Wie oft ſetzt’ ich mich geſtern in meinem einſamen Wagen rück-
wärts, um nach den theuern heidelberger Bergen zu ſchauen, welche
in der Ferne glänzten, als über der Gegend um mich die Wolken30
ſtanden!

Ihre geliebte Mutter, Ihr lachender Vater und Ihr dienſtge-
fälliger Wilhelm ſeien gegrüßt! — Lebe wol, Sophie!

Jean Paul Fr. Richter
35

Den Brief nach Mainz adreſſieren Sie: „abzugeben an H. Hof-
rath Jung auf der hintern Bleiche“. Ihre Ankunft in Mannheim

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[135/0142] 306. An Sophie Paulus in Heidelberg. Mainz d. 10. Aug. 1817 [Sonntag] Meine Sophie! Das erſte hier geſchriebne Wort iſt an Sie. In Mannheim konnt’ ich mich abends aus dem Zimmer, worin ſo viel Liebes geweſen, nicht heraus bringen; morgends konnt’ ich eben darum 5 nicht mehr darin bleiben, ſondern ging (für den ganzen Tag) zu Sternberg, deſſen Gattin anſtatt im Wochenbette (wie das Gerücht geſagt) blos einige Stunden auf Spaziergängen geweſen war. Dieſer Sternberg bietet mir nun einen halben Himmel und — wenn Sie ihn theilen — einen ganzen an. Er und andere meiner Freunde 10 wollen nämlich für den nächſten Sonntag (den 17ten) die Aufführung der Oper Veſtale von Spontini veranſtalten, welche die h[eilige] Madonna unter den Opern (die andern ſind dagegen nur Nonnen) ſein ſoll. Sonnabends käm’ ich in Mannheim an — Sonntags kämen Sie mit den Ihrigen an — bis um 9 Uhr hörten wir die Sphären- 15 töne — nachher führ’ ich mit Ihnen nach Heidelberg zurück und die Sphärentöne klängen fort — und in der Geiſterſtunde ſtiegen wir mit Herzen voll Tönen und Geiſtern aus. Ich hätte freilich des Guten zu viel; aber Gott hat mich auf meiner Reiſe daran gewöhnt. Schreiben Sie mir das Ja oder Nein nach Mainz. Jetzo haben 20 Sie doch den erſten Stoff zu einem Briefe — den zweiten können Sie aus der bisherigen heidelb. Geſchichte nehmen und den dritten aus Ihrer oder meiner Seele. Ihre wäre mir aber lieber. Sie und der Rhein gehören nun in meinem Herzen zuſammen und wo ich ihm auch begegne, wird Ihr Bild wie das eines Geſtirns auf ihm 25 ſchwimmen. Die Stunde des erſten Sehens wird ihn verſchatten oder überglänzen überall, wo er auch noch ſchöner ſtröme. Wie oft ſetzt’ ich mich geſtern in meinem einſamen Wagen rück- wärts, um nach den theuern heidelberger Bergen zu ſchauen, welche in der Ferne glänzten, als über der Gegend um mich die Wolken 30 ſtanden! Ihre geliebte Mutter, Ihr lachender Vater und Ihr dienſtge- fälliger Wilhelm ſeien gegrüßt! — Lebe wol, Sophie! Jean Paul Fr. Richter 35 Den Brief nach Mainz adreſſieren Sie: „abzugeben an H. Hof- rath Jung auf der hintern Bleiche“. Ihre Ankunft in Mannheim

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/142>, abgerufen am 02.05.2024.