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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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doch, daß ihr alle bis zum 20ten wol geblieben. -- Morgen geht es
mit 2 Wagen nach Weinheim, drei Stunden von hier, an der
Bergstrasse hin. Denke dir das Schönste. -- Eben waren die beiden
guten Schwarzischen hier und baten mich, dich recht zu grüßen:
"wenn wir sie nur hier hätten". -- In der ganzen Stadt hätt ich kein5
besseres und frömmeres Haus finden können als dieses, da die
Schwarz eine Tochter von Stilling ist. Eben singt ihre Tochter
mit dem Bruder unter Orgel und Flötenspiel einen wahren Sonn-
abendsgesang. -- Überhaupt scheint in dieser heitern schönen Stadt
weniger Unmoralität, wenigstens des Geschlechts zu herrschen und10
mehr Häuslichkeit als z. B. bei uns. -- Von meinen Lob Geschichten
will ich, da ich deren müde bin, nur noch die eine erzählen, daß ich
bei dem Pfarrer Dietenberger, der an 30 Mann zusammengebeten,
mich mußte von jungen Mädchen ansingen -- das überreichte Gedicht
bring' ich dir -- und darauf be- und umkränzen lassen. -- Wie mich15
die Studenten lieben, zeigt: die, die bei dem Zuge unter dem An-
drange keine Hand von mir bekommen, erinnern daran und holen
sie nach in der Gesellschaft. Es ist schön, geliebt zu werden, und man
lernt Liebe verdienen, wenn man sie geschenkt bekommt.20


Endlich heute fielen deine lang erhofften Blütenblätter wie vom
Himmel auf mich herab. Habe recht Dank dafür, und für die Be-
ruhigungen aller Art darin. Ich will alles beantworten, obwol durch-
einander. Schreibe deiner Schwester: dir und ihr zu Liebe mach'
ich eine mir sonst schwere Ausnahme und gebe etwas für eine Samm-25
lung, obwol nur was ich kann unter so vielen Arbeiten, nämlich keine
Erzählung, sondern Satiren oder Einfälle. Der Punkt des Honorars
ist der gleichgültigste bei so kleinem Beitrag. -- Ginge heute Post
anstatt Donnerstags, so hättest du unerwartet-schnell Antwort. --
Ich hoffe doch, du hast endlich deinen Brief Emanuel gegeben und30
er dir seinen; denn beide müssen sich ergänzen. Von diesem Briefe
gib so viel du willst. --

Ich war in Weinheim mit großer Gesellschaft bei der liebe-über-
fließenden Falk. Der Weg dahin, die Bergstraße, ist weniger schön
(wie alle Gegenden) als man mir sie vorgemalt; blos die Anhöhe35
vor dem Städtchen umzingelt mit Fern-Paradiesen. Darauf nach

9 Jean Paul Briefe. VII.

doch, daß ihr alle bis zum 20ten wol geblieben. — Morgen geht es
mit 2 Wagen nach Weinheim, drei Stunden von hier, an der
Bergſtraſſe hin. Denke dir das Schönſte. — Eben waren die beiden
guten Schwarzischen hier und baten mich, dich recht zu grüßen:
„wenn wir ſie nur hier hätten“. — In der ganzen Stadt hätt ich kein5
beſſeres und frömmeres Haus finden können als dieſes, da die
Schwarz eine Tochter von Stilling iſt. Eben ſingt ihre Tochter
mit dem Bruder unter Orgel und Flötenſpiel einen wahren Sonn-
abendsgeſang. — Überhaupt ſcheint in dieſer heitern ſchönen Stadt
weniger Unmoralität, wenigſtens des Geſchlechts zu herrſchen und10
mehr Häuslichkeit als z. B. bei uns. — Von meinen Lob Geſchichten
will ich, da ich deren müde bin, nur noch die eine erzählen, daß ich
bei dem Pfarrer Dietenberger, der an 30 Mann zuſammengebeten,
mich mußte von jungen Mädchen anſingen — das überreichte Gedicht
bring’ ich dir — und darauf be- und umkränzen laſſen. — Wie mich15
die Studenten lieben, zeigt: die, die bei dem Zuge unter dem An-
drange keine Hand von mir bekommen, erinnern daran und holen
ſie nach in der Geſellſchaft. Es iſt ſchön, geliebt zu werden, und man
lernt Liebe verdienen, wenn man ſie geſchenkt bekommt.20


Endlich heute fielen deine lang erhofften Blütenblätter wie vom
Himmel auf mich herab. Habe recht Dank dafür, und für die Be-
ruhigungen aller Art darin. Ich will alles beantworten, obwol durch-
einander. Schreibe deiner Schweſter: dir und ihr zu Liebe mach’
ich eine mir ſonſt ſchwere Ausnahme und gebe etwas für eine Samm-25
lung, obwol nur was ich kann unter ſo vielen Arbeiten, nämlich keine
Erzählung, ſondern Satiren oder Einfälle. Der Punkt des Honorars
iſt der gleichgültigſte bei ſo kleinem Beitrag. — Ginge heute Poſt
anſtatt Donnerſtags, ſo hätteſt du unerwartet-ſchnell Antwort. —
Ich hoffe doch, du haſt endlich deinen Brief Emanuel gegeben und30
er dir ſeinen; denn beide müſſen ſich ergänzen. Von dieſem Briefe
gib ſo viel du willſt. —

Ich war in Weinheim mit großer Geſellſchaft bei der liebe-über-
fließenden Falk. Der Weg dahin, die Bergſtraße, iſt weniger ſchön
(wie alle Gegenden) als man mir ſie vorgemalt; blos die Anhöhe35
vor dem Städtchen umzingelt mit Fern-Paradieſen. Darauf nach

9 Jean Paul Briefe. VII.
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[129/0136] doch, daß ihr alle bis zum 20ten wol geblieben. — Morgen geht es mit 2 Wagen nach Weinheim, drei Stunden von hier, an der Bergſtraſſe hin. Denke dir das Schönſte. — Eben waren die beiden guten Schwarzischen hier und baten mich, dich recht zu grüßen: „wenn wir ſie nur hier hätten“. — In der ganzen Stadt hätt ich kein 5 beſſeres und frömmeres Haus finden können als dieſes, da die Schwarz eine Tochter von Stilling iſt. Eben ſingt ihre Tochter mit dem Bruder unter Orgel und Flötenſpiel einen wahren Sonn- abendsgeſang. — Überhaupt ſcheint in dieſer heitern ſchönen Stadt weniger Unmoralität, wenigſtens des Geſchlechts zu herrſchen und 10 mehr Häuslichkeit als z. B. bei uns. — Von meinen Lob Geſchichten will ich, da ich deren müde bin, nur noch die eine erzählen, daß ich bei dem Pfarrer Dietenberger, der an 30 Mann zuſammengebeten, mich mußte von jungen Mädchen anſingen — das überreichte Gedicht bring’ ich dir — und darauf be- und umkränzen laſſen. — Wie mich 15 die Studenten lieben, zeigt: die, die bei dem Zuge unter dem An- drange keine Hand von mir bekommen, erinnern daran und holen ſie nach in der Geſellſchaft. Es iſt ſchön, geliebt zu werden, und man lernt Liebe verdienen, wenn man ſie geſchenkt bekommt. 20 Dienſtag den 29. Jul. Endlich heute fielen deine lang erhofften Blütenblätter wie vom Himmel auf mich herab. Habe recht Dank dafür, und für die Be- ruhigungen aller Art darin. Ich will alles beantworten, obwol durch- einander. Schreibe deiner Schweſter: dir und ihr zu Liebe mach’ ich eine mir ſonſt ſchwere Ausnahme und gebe etwas für eine Samm- 25 lung, obwol nur was ich kann unter ſo vielen Arbeiten, nämlich keine Erzählung, ſondern Satiren oder Einfälle. Der Punkt des Honorars iſt der gleichgültigſte bei ſo kleinem Beitrag. — Ginge heute Poſt anſtatt Donnerſtags, ſo hätteſt du unerwartet-ſchnell Antwort. — Ich hoffe doch, du haſt endlich deinen Brief Emanuel gegeben und 30 er dir ſeinen; denn beide müſſen ſich ergänzen. Von dieſem Briefe gib ſo viel du willſt. — Ich war in Weinheim mit großer Geſellſchaft bei der liebe-über- fließenden Falk. Der Weg dahin, die Bergſtraße, iſt weniger ſchön (wie alle Gegenden) als man mir ſie vorgemalt; blos die Anhöhe 35 vor dem Städtchen umzingelt mit Fern-Paradieſen. Darauf nach 9 Jean Paul Briefe. VII.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/136>, abgerufen am 02.05.2024.