Im April wagte ich eine ähnliche Kühnheit, indem ich an den erhabenen Bruder Ew. K[öniglichen] H[oheit], den Kaiser Alexander, den bittenden Brief absandte, dessen Abschrift hier beiliegt. Vor den russischen Thron -- diesen glänzenden Montblanc unter den europäischen Thronhöhen -- wagte doch ein Deutscher zu einer Zeit,5 wo das Glück Europa's und des Jahrhunderts entschieden wurde, die Bitte um sein kleines zu bringen.
Aber der Brief ging vielleicht verloren, oder blieb eine unbemerkte Welle im Meere von Bitten, das den eben so liebenden als mäch- tigen Alexander ewig umringt. Jedoch die Welle wird bemerkt: so-10 bald die erhabene Schwester des erhabenen Bruders es will [?], welche in Europa gleich sehr bewundert und geliebt, immer an den Thron erinnert, der einigen glücklichen Fürsten Schönheiten, und allen Deutschen Friede und Freiheit gab. Möge die Freundin der Menschen wie der Wissenschaften meine Bitte und Hoffnungen15 erhören, wenigstens verzeihen.
913. An Emanuel.
[Bayreuth, 17. Aug. 1814]
Guten Morgen, lieber Emanuel! Ich habe lange nichts von Ihrer Gesundheit erfahren. -- Hier sende [ich] den zweiten Theil20 Callots. -- Wollen Sie mir nicht den Weig zwischen 4--5 Uhr hersenden? -- Noch schweb' ich zwischen Baireuth und Nürnberg, so konsequent bleibt sich mein Teufels Quartal oder Teufels Sommer, wie man einen Mädchen Sommer hat. So vielen Menschen ich auch meine Noth bekannt gemacht, oder viel mehr eben darum,25 hab ich die neue Bemerkung gewonnen, daß unter allen Nöthen des Nächsten die Menschen gegen die Quartiernoth am gleichgültigsten sind.
914. An Cotta.
Lieber H. Doktor! Nicht wahr, Sie erzeigen mir noch einen30 neuen Gefallen zu dem alten und geben statt der 500 fl. laut des Aviso v. 12tenAug. -- gar 560 fl., damit ich selber wieder einen Gefallen erweisen kann?
Baireuth d. 17. Aug. 1814
Jean Paul Fr. Richter35
Im April wagte ich eine ähnliche Kühnheit, indem ich an den erhabenen Bruder Ew. K[öniglichen] H[oheit], den Kaiſer Alexander, den bittenden Brief abſandte, deſſen Abſchrift hier beiliegt. Vor den ruſſiſchen Thron — dieſen glänzenden Montblanc unter den europäiſchen Thronhöhen — wagte doch ein Deutſcher zu einer Zeit,5 wo das Glück Europa’s und des Jahrhunderts entſchieden wurde, die Bitte um ſein kleines zu bringen.
Aber der Brief ging vielleicht verloren, oder blieb eine unbemerkte Welle im Meere von Bitten, das den eben ſo liebenden als mäch- tigen Alexander ewig umringt. Jedoch die Welle wird bemerkt: ſo-10 bald die erhabene Schweſter des erhabenen Bruders es will [?], welche in Europa gleich ſehr bewundert und geliebt, immer an den Thron erinnert, der einigen glücklichen Fürſten Schönheiten, und allen Deutſchen Friede und Freiheit gab. Möge die Freundin der Menſchen wie der Wiſſenſchaften meine Bitte und Hoffnungen15 erhören, wenigſtens verzeihen.
913. An Emanuel.
[Bayreuth, 17. Aug. 1814]
Guten Morgen, lieber Emanuel! Ich habe lange nichts von Ihrer Geſundheit erfahren. — Hier ſende [ich] den zweiten Theil20 Callots. — Wollen Sie mir nicht den Weig zwiſchen 4—5 Uhr herſenden? — Noch ſchweb’ ich zwiſchen Baireuth und Nürnberg, ſo konſequent bleibt ſich mein Teufels Quartal oder Teufels Sommer, wie man einen Mädchen Sommer hat. So vielen Menſchen ich auch meine Noth bekannt gemacht, oder viel mehr eben darum,25 hab ich die neue Bemerkung gewonnen, daß unter allen Nöthen des Nächſten die Menſchen gegen die Quartiernoth am gleichgültigſten ſind.
914. An Cotta.
Lieber H. Doktor! Nicht wahr, Sie erzeigen mir noch einen30 neuen Gefallen zu dem alten und geben ſtatt der 500 fl. laut des Aviſo v. 12tenAug. — gar 560 fl., damit ich ſelber wieder einen Gefallen erweiſen kann?
Baireuth d. 17. Aug. 1814
Jean Paul Fr. Richter35
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den bittenden Brief abſandte, deſſen Abſchrift hier beiliegt. Vor
den ruſſiſchen Thron — dieſen glänzenden Montblanc unter den
europäiſchen Thronhöhen — wagte doch ein Deutſcher zu einer Zeit, 5
wo das Glück Europa’s und des Jahrhunderts entſchieden wurde,
die Bitte um ſein kleines zu bringen.
Aber der Brief ging vielleicht verloren, oder blieb eine unbemerkte
Welle im Meere von Bitten, das den eben ſo liebenden als mäch-
tigen Alexander ewig umringt. Jedoch die Welle wird bemerkt: ſo- 10
bald die erhabene Schweſter des erhabenen Bruders es will [?],
welche in Europa gleich ſehr bewundert und geliebt, immer an den
Thron erinnert, der einigen glücklichen Fürſten Schönheiten, und
allen Deutſchen Friede und Freiheit gab. Möge die Freundin der
Menſchen wie der Wiſſenſchaften meine Bitte und Hoffnungen 15
erhören, wenigſtens verzeihen.
913. An Emanuel.
[Bayreuth, 17. Aug. 1814]
Guten Morgen, lieber Emanuel! Ich habe lange nichts von
Ihrer Geſundheit erfahren. — Hier ſende [ich] den zweiten Theil 20
Callots. — Wollen Sie mir nicht den Weig zwiſchen 4—5 Uhr
herſenden? — Noch ſchweb’ ich zwiſchen Baireuth und Nürnberg,
ſo konſequent bleibt ſich mein Teufels Quartal oder Teufels Sommer,
wie man einen Mädchen Sommer hat. So vielen Menſchen ich
auch meine Noth bekannt gemacht, oder viel mehr eben darum, 25
hab ich die neue Bemerkung gewonnen, daß unter allen Nöthen des
Nächſten die Menſchen gegen die Quartiernoth am gleichgültigſten
ſind.
914. An Cotta.
Lieber H. Doktor! Nicht wahr, Sie erzeigen mir noch einen 30
neuen Gefallen zu dem alten und geben ſtatt der 500 fl. laut des
Aviſo v. 12ten Aug. — gar 560 fl., damit ich ſelber wieder einen
Gefallen erweiſen kann?
Baireuth d. 17. Aug. 1814
Jean Paul Fr. Richter 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/411>, abgerufen am 24.11.2024.
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