Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.

Bild:
<< vorherige Seite
102. An Emanuel.

Ich bitte Sie, mein Rechter, nicht um das ganze Wechseln der
2 Ld. sondern nur vor der Hand um 5 rtl. 5 kr. Kreutz., die Hein-
rich auf Einem Wege dem Schuster einhändigen soll. -- Abends5
um 7 Uhr, nicht so? -- Guten Morgen! Leider haben wir Gatten
unser Silber versilbert und sind wieder auf den Gold-Etat zurück-
gesetzt.

*103. An Ernst Wagner.
10

Den 25 April erhielt ich Ihr Manuskript. Mein Lob bezieht
sich auf das Allgemeine und Besondere, der Tadel nur auf einiges
Besondere. Der neu und frei schauende und empfangende Geist --
der frisch vortreibende wie ein Mai, nicht wie ein Herbst -- die
weite Um- und Einsicht sogar in die tiefen Holzwürmer-Löcher und15
Windungen am Thronsessel -- und also die rechte Eigenheit ist mein
allgemeines Lob, so wie der Kunstsinn neben dem Natursinn.
Göthisch-episch und bezaubernd ist der Anfang, besonders der
geniale Ab- und Aufzug des Mädchens, und das Ende mit den Zigeu-
nern; doch zwischen dieser östlichen und westlichen Aurora ist nachher20
manches blaue Erblassen des Himmels.

Mit Ihren Kräften muß ich denn scharf rechten und umgehen;
zumal da sie oft an die Theorie (von Göthe's Meister) gekreutzigt
werden. Der Hauptfehler ist die Länge einzelner Gespräche oder
gar Antworten. [Folgen einzelne Korrekturen] Das Zigeunerlied25
ist herrlich. Schade, daß von den kommenden Gluthßenen, die ich
schon früher gelesen, nicht hier einige noch eintreten. Sie sollten,
da der Aufgang eines Autors oft seinen Untergang entscheidet,
sogleich in diesen ersten Band mehr Künftiges einpressen und an-
stoßen -- denn Interesse wächst mit der Dicke -- und einiges Gegen-30
wärtige von Gesprächen wegschneiden. Sie können ja noch, indem
die Presse daran gebiert, daran zeugen. Bedenken Sie, wie man in
Tragödien die langweiligen Staatsverhandlungen nur durch Schlag-
worte abthut und das Kabinetssekretariat auf Stichworte ein-
schränkt.35

102. An Emanuel.

Ich bitte Sie, mein Rechter, nicht um das ganze Wechſeln der
2 Ld. ſondern nur vor der Hand um 5 rtl. 5 kr. 〈Kreutz.〉, die Hein-
rich auf Einem Wege dem Schuſter einhändigen ſoll. — Abends5
um 7 Uhr, nicht ſo? — Guten Morgen! Leider haben wir Gatten
unſer Silber verſilbert und ſind wieder auf den Gold-Etat zurück-
geſetzt.

*103. An Ernſt Wagner.
10

Den 25 April erhielt ich Ihr Manuſkript. Mein Lob bezieht
ſich auf das Allgemeine und Beſondere, der Tadel nur auf einiges
Beſondere. Der neu und frei ſchauende und empfangende Geiſt —
der friſch vortreibende wie ein Mai, nicht wie ein Herbſt — die
weite Um- und Einſicht ſogar in die tiefen Holzwürmer-Löcher und15
Windungen am Thronſeſſel — und alſo die rechte Eigenheit iſt mein
allgemeines Lob, ſo wie der Kunſtſinn neben dem Naturſinn.
Göthiſch-epiſch und bezaubernd iſt der Anfang, beſonders der
geniale Ab- und Aufzug des Mädchens, und das Ende mit den Zigeu-
nern; doch zwiſchen dieſer öſtlichen und weſtlichen Aurora iſt nachher20
manches blaue Erblaſſen des Himmels.

Mit Ihren Kräften muß ich denn ſcharf rechten und umgehen;
zumal da ſie oft an die Theorie (von Göthe’s Meiſter) gekreutzigt
werden. Der Hauptfehler iſt die Länge einzelner Geſpräche oder
gar Antworten. [Folgen einzelne Korrekturen] Das Zigeunerlied25
iſt herrlich. Schade, daß von den kommenden Gluthſzenen, die ich
ſchon früher geleſen, nicht hier einige noch eintreten. Sie ſollten,
da der Aufgang eines Autors oft ſeinen Untergang entſcheidet,
ſogleich in dieſen erſten Band mehr Künftiges einpreſſen und an-
ſtoßen — denn Intereſſe wächſt mit der Dicke — und einiges Gegen-30
wärtige von Geſprächen wegſchneiden. Sie können ja noch, indem
die Preſſe daran gebiert, daran zeugen. Bedenken Sie, wie man in
Tragödien die langweiligen Staatsverhandlungen nur durch Schlag-
worte abthut und das Kabinetsſekretariat auf Stichworte ein-
ſchränkt.35

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0055" n="42"/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>102. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 6. Mai 1805]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Ich bitte Sie, mein Rechter, nicht um das ganze Wech&#x017F;eln der<lb/>
2 <hi rendition="#aq">Ld.</hi> &#x017F;ondern nur vor der Hand um 5 rtl. 5 kr. &#x2329;Kreutz.&#x232A;, die Hein-<lb/>
rich auf Einem Wege dem Schu&#x017F;ter einhändigen &#x017F;oll. &#x2014; Abends<lb n="5"/>
um 7 Uhr, nicht &#x017F;o? &#x2014; Guten Morgen! Leider haben wir Gatten<lb/>
un&#x017F;er Silber ver&#x017F;ilbert und &#x017F;ind wieder auf den Gold-Etat zurück-<lb/>
ge&#x017F;etzt.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>*103. An <hi rendition="#g">Ern&#x017F;t Wagner.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Bayreuth</hi> d. 6 Mai 1805</hi> </dateline>
        <lb n="10"/>
        <p>Den 25 April erhielt ich Ihr Manu&#x017F;kript. Mein Lob bezieht<lb/>
&#x017F;ich auf das Allgemeine und Be&#x017F;ondere, der Tadel nur auf einiges<lb/>
Be&#x017F;ondere. Der neu und <hi rendition="#g">frei</hi> &#x017F;chauende und empfangende Gei&#x017F;t &#x2014;<lb/>
der fri&#x017F;ch vortreibende wie ein Mai, nicht wie ein Herb&#x017F;t &#x2014; die<lb/>
weite Um- und Ein&#x017F;icht &#x017F;ogar in die tiefen Holzwürmer-Löcher und<lb n="15"/>
Windungen am Thron&#x017F;e&#x017F;&#x017F;el &#x2014; und al&#x017F;o die rechte Eigenheit i&#x017F;t mein<lb/>
allgemeines Lob, &#x017F;o wie der Kun&#x017F;t&#x017F;inn neben dem Natur&#x017F;inn.<lb/><hi rendition="#g">Göthi&#x017F;ch-epi&#x017F;ch</hi> und bezaubernd i&#x017F;t der Anfang, be&#x017F;onders der<lb/>
geniale Ab- und Aufzug des Mädchens, und das Ende mit den Zigeu-<lb/>
nern; doch zwi&#x017F;chen die&#x017F;er ö&#x017F;tlichen und we&#x017F;tlichen Aurora i&#x017F;t nachher<lb n="20"/>
manches blaue Erbla&#x017F;&#x017F;en des Himmels.</p><lb/>
        <p>Mit Ihren Kräften muß ich denn &#x017F;charf rechten und umgehen;<lb/>
zumal da &#x017F;ie oft an die Theorie (von Göthe&#x2019;s Mei&#x017F;ter) gekreutzigt<lb/>
werden. Der Hauptfehler i&#x017F;t die Länge einzelner Ge&#x017F;präche oder<lb/>
gar Antworten. [<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Folgen einzelne Korrekturen</hi></hi>] Das Zigeunerlied<lb n="25"/>
i&#x017F;t herrlich. Schade, daß von den kommenden Gluth&#x017F;zenen, die ich<lb/>
&#x017F;chon früher gele&#x017F;en, nicht hier einige noch eintreten. Sie &#x017F;ollten,<lb/>
da der Aufgang eines Autors oft &#x017F;einen Untergang ent&#x017F;cheidet,<lb/>
&#x017F;ogleich in die&#x017F;en er&#x017F;ten Band mehr Künftiges einpre&#x017F;&#x017F;en und an-<lb/>
&#x017F;toßen &#x2014; denn Intere&#x017F;&#x017F;e wäch&#x017F;t mit der Dicke &#x2014; und einiges Gegen-<lb n="30"/>
wärtige von Ge&#x017F;prächen weg&#x017F;chneiden. Sie können ja noch, indem<lb/>
die Pre&#x017F;&#x017F;e daran gebiert, daran zeugen. Bedenken Sie, wie man in<lb/>
Tragödien die langweiligen Staatsverhandlungen nur durch Schlag-<lb/>
worte abthut und das Kabinets&#x017F;ekretariat auf Stichworte ein-<lb/>
&#x017F;chränkt.<lb n="35"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0055] 102. An Emanuel. [Bayreuth, 6. Mai 1805] Ich bitte Sie, mein Rechter, nicht um das ganze Wechſeln der 2 Ld. ſondern nur vor der Hand um 5 rtl. 5 kr. 〈Kreutz.〉, die Hein- rich auf Einem Wege dem Schuſter einhändigen ſoll. — Abends 5 um 7 Uhr, nicht ſo? — Guten Morgen! Leider haben wir Gatten unſer Silber verſilbert und ſind wieder auf den Gold-Etat zurück- geſetzt. *103. An Ernſt Wagner. Bayreuth d. 6 Mai 1805 10 Den 25 April erhielt ich Ihr Manuſkript. Mein Lob bezieht ſich auf das Allgemeine und Beſondere, der Tadel nur auf einiges Beſondere. Der neu und frei ſchauende und empfangende Geiſt — der friſch vortreibende wie ein Mai, nicht wie ein Herbſt — die weite Um- und Einſicht ſogar in die tiefen Holzwürmer-Löcher und 15 Windungen am Thronſeſſel — und alſo die rechte Eigenheit iſt mein allgemeines Lob, ſo wie der Kunſtſinn neben dem Naturſinn. Göthiſch-epiſch und bezaubernd iſt der Anfang, beſonders der geniale Ab- und Aufzug des Mädchens, und das Ende mit den Zigeu- nern; doch zwiſchen dieſer öſtlichen und weſtlichen Aurora iſt nachher 20 manches blaue Erblaſſen des Himmels. Mit Ihren Kräften muß ich denn ſcharf rechten und umgehen; zumal da ſie oft an die Theorie (von Göthe’s Meiſter) gekreutzigt werden. Der Hauptfehler iſt die Länge einzelner Geſpräche oder gar Antworten. [Folgen einzelne Korrekturen] Das Zigeunerlied 25 iſt herrlich. Schade, daß von den kommenden Gluthſzenen, die ich ſchon früher geleſen, nicht hier einige noch eintreten. Sie ſollten, da der Aufgang eines Autors oft ſeinen Untergang entſcheidet, ſogleich in dieſen erſten Band mehr Künftiges einpreſſen und an- ſtoßen — denn Intereſſe wächſt mit der Dicke — und einiges Gegen- 30 wärtige von Geſprächen wegſchneiden. Sie können ja noch, indem die Preſſe daran gebiert, daran zeugen. Bedenken Sie, wie man in Tragödien die langweiligen Staatsverhandlungen nur durch Schlag- worte abthut und das Kabinetsſekretariat auf Stichworte ein- ſchränkt. 35

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:13:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:13:57Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/55
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/55>, abgerufen am 09.11.2024.